Will Putin die Macht in Kiew? Ukrainer widerspricht Umsturz-Vorwürfen Londons
23.01.2022, 11:59 Uhr
Jewgenij Murajew weist jegliche Vorwürfe zurück.
(Foto: REUTERS)
Es ist eine ungewöhnlich direkte Warnung der britischen Regierung: Moskau plane, in der Ukraine einen Machthaber von Putins Gnaden zu installieren. Dabei nennt London auch den Namen des potenziellen Statthalters. Doch der Ukrainer weist alle Vorwürfe zurück und bringt eine neue Theorie ins Spiel.
Nach einer beispiellosen Warnung Großbritanniens vor Einflussnahme des Kremls in der Ukraine hat eine von London genannte Schlüsselfigur die Anschuldigungen scharf zurückgewiesen. Der frühere ukrainische Abgeordnete Jewgenij Murajew, der von London als mutmaßlicher Statthalter genannt wurde, den Moskau in der Ukraine installieren wolle, nannte die Anschuldigungen im "Telegraph" "dumm und absurd".
"Wenn ich nichts verpasst habe, haben sie [Russland] einen anderen Kandidaten und verstecken das auch nicht. Ich bin ein Patriot meines Landes", sagte der Ukrainer der Zeitung. Murajew steht seit 2018 auf einer russischen Sanktionsliste. "Es ist nicht besonders logisch. Ich bin aus Russland verbannt", sagte er außerdem der Sonntagszeitung "The Observer".
Auf seiner Facebook-Seite sprach sich Murajew allerdings grundsätzlich für eine neue politische Führung in seinem Land aus. "Die Ukraine braucht neue Politiker, deren Politik auf den Prinzipien der nationalen Interessen der Ukraine und der ukrainischen Bevölkerung beruht", erklärte er.
Großbritannien hatte Moskau am Samstag eine Verschwörung zur Einsetzung eines pro-russischen Führers in der Ukraine vorgeworfen. Das Außenministerium in London hat nach eigenen Angaben Beweise für Verbindungen mehrerer ehemaliger ukrainischer Politiker zu russischen Geheimdiensten. Als ein möglicher künftiger pro-russischer Führer gelte Murajew. Das Außenministerium in Moskau wies den Vorwurf als gezielte Falschinformation zurück.
Murajew gibt sich unabhängig
Hintergrund der Mitteilung des Außenministeriums sind die schweren Spannungen im Ukraine-Konflikt. Vor allem die USA befürchten angesichts der hohen russischen Truppenpräsenz an der Grenze zur Ukraine einen Einmarsch ins Nachbarland. Moskau weist dies fast täglich zurück. Großbritannien hatte der Ukraine bereits leichte Panzerabwehrwaffen geschickt und dafür Kritik vom Kreml geerntet.
Murajew rief in seinem Facebook-Beitrag dazu auf, nicht mehr zwischen pro-westlichen und pro-russischen Politikern zu unterscheiden. Diese Zeiten seien vorbei. Der 45-Jährige ist für seine kremlfreundlichen Positionen bekannt, versucht aber, sich als unabhängig zu präsentieren.
Murajew wirft der ukrainischen Regierung vor, sich vom Westen bevormunden zu lassen und lehnt nach eigenen Angaben sowohl einen Beitritt zur NATO als auch zum russisch angeführten Militärbündnis Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) ab. Er ist Vorsitzender der Partei Naschi ("Unsere") und zählt laut einer Umfrage von Dezember zu den zehn beliebtesten Politikern des Landes.
Murajew hatte seinen Sitz im Parlament in Kiew verloren, als seine Partei bei der Parlamentswahl 2019 an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Er gilt als De-facto-Besitzer des ukrainischen Fernsehsenders "Nasch". Die ukrainischen Behörden werfen dem Sender vor, "Hass zu schüren" und "russische Propaganda" zu verbreiten und bemühen sich um dessen Abschaltung.
Quelle: ntv.de, jhe/dpa/AFP