Politik

SPD-Ministerinnen sind sauer Union bremst Gesetze gegen Rassismus aus

Anfang März schien noch Einigkeit zwischen Christine Lambrecht und Horst Seehofer über die Streichung des Begriffs "Rasse" zu bestehen.

Anfang März schien noch Einigkeit zwischen Christine Lambrecht und Horst Seehofer über die Streichung des Begriffs "Rasse" zu bestehen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Anfang März sind sich die Koalitionspartner noch über eine Grundgesetzänderung einig, nun treten CDU/CSU auf die Bremse und äußern grundsätzliche Bedenken. Die Sozialdemokraten zweifeln am Willen der Union, ernsthaft etwas gegen Extremismus tun zu wollen. Besonders ein Begriff erhitzt die Gemüter.

Union und SPD im Bundestag liegen beim geplanten neuen "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz" über Kreuz. Das Vorhaben ist Teil des 89-Punkte-Plans gegen Rechtsextremismus und Rassismus, den das Kabinett im Dezember beschlossen hatte. Es soll unter anderem eine ausreichende Förderung der Extremismus-Prävention sicherstellen. Die Unionsfraktion hat nun "grundsätzliche Vorbehalte", wie die Vizevorsitzenden Thorsten Frei und Nadine Schön in einem Brief an Bundesfamilienministerin Franziska Giffey schreiben. Sie bitten deshalb, die Eckpunkte für das neue Gesetz nicht wie zunächst geplant an diesem Mittwoch im Kabinett zu verabschieden.

Die Grundzüge des neuen Gesetzes werden derzeit innerhalb der Bundesregierung erarbeitet. Erste Eckpunkte haben Familien- und Innenministerium erarbeitet - das ist eine Vorstufe zu einem formalen Gesetzentwurf. Die CDU/CSU-Fraktion will das Papier noch genauer prüfen, hat aber auch in drei Punkten grundsätzlichere Bedenken angemeldet.

"Bereits seit 2015 werden umfangreiche Maßnahmen in den Bereichen Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention im Rahmen des sehr erfolgreichen Bundesprogramms 'Demokratie leben!' gefördert", schreiben Schön und Frei und zweifeln an der Notwendigkeit eines Fördergesetzes. Zudem vermissen sie "ein gesondertes und in schriftlicher Form erfolgendes Bekenntnis der Zuwendungsempfänger zu den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung". Schließlich will die Union sichergehen, dass über das neue Gesetz auch Geld an den Bundesfreiwilligendienst geht.

Die SPD reagierte empört. "Es ist ärgerlich und für uns Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion zunehmend unbegreiflich, dass die Union so wichtige gesetzliche Vorhaben wie das 'Wehrhafte-Demokratie-Gesetz' und das Streichen des Begriffs 'Rasse' aus dem Grundgesetz blockiert", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese. Bundesfamilienministerin Giffey kritisiert am Vorstoß der Unionsabgeordneten, dass die Leidtragenden die vielen Engagierten in ganz Deutschland seien, "die sich Tag für Tag für unsere Demokratie und gegen jede Form von Extremismus einsetzen".

SPD will Gesetze nach Ostern beschließen

Thorsten Frei kontert die Vorwürfe des Koalitionspartners: "Dieser Vorschlag des Bundesjustizministeriums könnte aber den tatsächlichen Schutz verringern, weil bei einem Verbot nur 'rassistischer' Benachteiligungen womöglich nur noch solche Benachteiligungen verboten wären, die mit einer entsprechenden Gesinnung erfolgen. Es darf jedoch keine Zweiklassengesellschaft von Diskriminierungen geschaffen werden." Frei plädiert stattdessen dafür, die Diskriminierung eines Menschen wegen "seiner vermeintlichen Rasse" zu verbieten.

SPD-Vertreter Wiese will Freis Einschränkung nicht gelten lassen: "Die geplante Änderung wird den Schutz keineswegs verringern." Er bot aber an: "Sollte die Union allein von der Sorge getrieben sein, dass es durch die Gesetzesänderung zu weniger Schutz vor Diskriminierung in Deutschland kommen könnte, so lässt sich das Problem schnell beheben. Die SPD ist jederzeit dazu bereit, in der Gesetzesbegründung noch deutlicher klarzustellen, dass es hier nur darum geht, einen Begriff aus dem Grundgesetz zu streichen, der suggeriert, es gäbe menschliche Rassen." Dies und andere Punkte ließen sich zudem im Parlament klären - wo das Anliegen ohne vorherigen Kabinettsbeschluss aber gar nicht lande. Beide Gesetze müssten spätestens nach Ostern im Kabinett beschlossen werden, fordert Wiese. Er stellt zudem die grundsätzliche Haltung des Koalitionspartners in Frage: "Mit ihrer Blockadehaltung stellt sich die Unionsfraktion nicht nur gegen ihre eigene Regierung. Sie lässt es auch zunehmend an Glaubwürdigkeit fehlen, wenn es darum geht, Rechtsextremismus und Rassismus mit starken Mitteln den Boden zu entziehen".

Innenminister Horst Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht hatten sich Anfang März auf eine Neufassung des Grundgesetzes geeinigt. Danach soll der Begriff "Rasse" aus Artikel 3 der Verfassung verschwinden und stattdessen die Formulierung "Diskriminierung aus rassistischen Gründen" verankert werden. Kritiker beanstanden schon länger, dass die Verwendung des Begriffs "Rasse" das Konzept menschlicher Rassen transportieren würde. Ausgangspunkt des Vorhabens war ein Kabinettsausschuss, der nach dem rassistischen Anschlag in Hanau eingesetzt worden war. Für eine Verfassungsänderung ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig.

Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP

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