"Schande über Deutschland" Unmut in EU über Scholz' Bremser-Rolle
25.02.2022, 19:45 Uhr
Zögerlich: Bundeskanzler Scholz am Freitag in Brüssel.
(Foto: picture alliance / ROPI)
Anders als die Ampel-Regierung in Berlin wollen fast alle anderen EU-Mitgliedsländer Russland nach dem Überfall auf die Ukraine sofort vom Bankensystem Swift abknipsen. Polens Oppositionschef Tusk spricht von "Schande", die die Bremser über sich gebracht hätten.
Der polnische Oppositionsführer und frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk hat heftige Kritik an der deutschen Haltung zu Sanktionen gegen Russland geübt. "Diejenigen EU-Regierungen, die harte Entscheidungen blockiert haben, haben Schande über sich selbst gebracht", schrieb Tusk auf Twitter. Als Beispiele nannte er Deutschland, Ungarn und Italien. Die derzeitigen Strafmaßnahmen sind nach Ansicht von Tusk wirkungslos. "In diesem Krieg ist alles real: Putins Wahnsinn und Grausamkeit, ukrainische Opfer, die auf Kiew fallenden Bomben", kommentierte er. Die Sanktionen würden dagegen nur vorgetäuscht.
Tusk spielte mit den Äußerungen offensichtlich darauf an, dass unter anderen Bundeskanzler Olaf Scholz sich beim EU-Sondergipfel am Donnerstagabend dagegen ausgesprochen hatte, Russland sofort aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift auszuschließen. Der SPD-Politiker begründete diese Haltung mit strategischen Erwägungen. Man solle zunächst bei dem über die vergangenen Wochen vorbereiteten Sanktionspaket bleiben, sagte er. Alles andere müsse man sich "aufbehalten für eine Situation, wo das notwendig ist, auch noch andere Dinge zu tun". Was das für eine Situation sein könnte, sagte Scholz allerdings nicht.
Unklar, ob Putin Vermögen in der EU hat
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte mit Blick auf die Luftangriffe auf die Ukraine und den Vormarsch russischer Bodentruppen auf Kiew: "Haben die gestrigen Sanktionen Russland überzeugt? Am Himmel über uns und auf unserer Erde hören wir, dass dies nicht ausreicht." Selenskyj fügte hinzu: "Wir verteidigen unseren Staat allein. Die mächtigsten Kräfte der Welt schauen aus der Ferne zu." Er nannte allerdings Deutschland nicht explizit.
Am Nachmittag setzte die Europäische Union zunächst den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow persönlich auf die Sanktionsliste. Möglicherweise in der EU vorhandene Vermögen der beiden Politiker sollen eingefroren werden. Unklar blieb zunächst allerdings, ob Putin und Lawrow Vermögen in der EU haben, das eingefroren werden könnte.
Baerbock und Lindner verteidigen Zögern bei Swift
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verteidigte die deutsche Blockade gegen einen Swift-Ausschluss Russlands zum aktuellen Zeitpunkt. Der Fall Iran habe gezeigt, dass eine solche Maßnahme eine "Breitenwirkung" habe und statt der politisch Verantwortlichen die Zivilgesellschaft treffe. Es werde geprüft, inwiefern diese Breitenwirkung "aus dem Weg" geräumt werden könnte.
Für einen Swift-Ausschluss Russlands sprachen sich dagegen Frankreich und Österreich aus. "Wir setzen uns daher dafür ein, dass Russland aus Swift ausgeschlossen wird", twitterte der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, einige EU-Staaten hätten "Vorbehalte" gegen den Swift-Ausschluss Russlands, der als "finanzielle Atomwaffe" empfunden werde. "Frankreich gehört nicht zu diesen Ländern", fügte er hinzu.
Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärte am Nachmittag, nach den Strafmaßnahmen gegen Putin und Lawrow würden jetzt noch weitergehende Sanktionen geprüft. "Dazu gehört auch Swift." Allerdings müssten die Konsequenzen für Europa überprüft werden, was die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank machen sollten. "Wir sind offen, aber man muss wissen, was man tut." Es müsse geprüft werden, ob dies zu einem Stopp russischer Gaslieferungen führen würde und ob dies verkraftbar wäre.
Quelle: ntv.de, mau/dpa/AFP