"Nukleare Option" für ObamacareVier Republikaner rebellieren gegen Trump und Johnson
Von Roland Peters, New York
In einem aufsehenerregenden Manöver erzwingen Abweichler im Repräsentantenhaus eine Abstimmung über Krankenversicherungsbeiträge. Damit retten sie womöglich auch Obamacare - das US-Präsident Trump abschaffen möchte.
Ausgehöhlt ist Obamacare, aber nicht abgeschafft. Das möchte US-Präsident Donald Trump ändern. In seiner ersten Amtszeit war er damit gescheitert, nun gibt es eine Neuauflage unter anderen Bedingungen. In der Pandemie hatte die Regierung unter seinem Vorgänger Joe Biden die staatliche Unterstützung für die privaten Krankenversicherungen deutlich erhöht und die mehr als 20 Millionen Versicherten, überwiegend aus unteren Einkommensschichten, damit entlastet. Die Zuschüsse laufen Ende des Jahres aus, im neuen Jahr würde es somit für Versicherte deutlich teurer. Am Montag endete die erste Frist, um sich für 2026 krankenzuversichern.
Vier Republikaner stellen sich nun gegen Trumps Wunsch und können mit ihrer Unterschrift gemeinsam mit den Demokraten eine Abstimmung über eine Verlängerung der Zuschüsse erzwingen. Anders gesagt: Mike Lawler aus dem Bundesstaat New York sowie Brian Fitzpatrick, Ryan Mackenzie und Rob Bresnahan aus Pennsylvania wollen Obamacare retten. Sie selbst nannten dies die "nukleare Option". Eben diese haben die Kongressabgeordneten nun gezogen. Die Abstimmung muss laut Regelung spätestens im Januar erfolgen. Nach einem Beschluss müsste auch der von den Republikanern dominierte Senat zustimmen.
Trump und die Republikaner wollen die staatlich bezuschusste private Krankenversicherung alias Obamacare praktisch abschaffen und stattdessen direkt Geld an die Versicherten überweisen. Dies wäre weniger als die Behörden bislang an die Versicherungsunternehmen zahlen, was den Staatshaushalt entlastet. Kurzfristig würden sich deshalb jedoch die Krankenkassenbeiträge für Obamacare-Versicherungen im Schnitt verdoppeln. Rund zwei Millionen Menschen werden sich voraussichtlich keine Krankenversicherung mehr leisten können. Die Abgeordneten sind so unzufrieden mit diesem republikanischen Gegenvorschlag, dass sie mit den Demokraten votieren.
Lebenshaltungskosten im Fokus
All das wiederum hat aller Voraussicht nach Auswirkungen auf die Kongresswahl im November 2026, wenn alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses zur Wahl stehen. Spätestens seit den unerwartet deutlichen republikanischen Wahlniederlagen bei den Gouverneurswahlen in den Bundesstaaten Virginia und New Jersey sowie der Bürgermeisterwahl in New York sind Lebenshaltungskosten mit Abstand das wichtigste innenpolitische Thema. Die große Mehrheit der Wähler, darunter auch Republikaner, stellen dem Präsidenten in Umfragen ein desaströses Zwischenzeugnis für dessen Wirtschaftspolitik aus.
Häufig werden Initiativen in das Repräsentantenhaus oder den Senat eingebracht, die aber nie zur Abstimmung kommen; darüber entscheidet der jeweilige Sprecher der Kammer, den die Mehrheitspartei stellt. Dies ist Mike Johnson, Trumps verlängerter Arm. Der wird dem Präsidenten nun erklären müssen, warum er seine Parteimitglieder nicht auf Linie halten kann. Lawler, einer der vier Abtrünnigen, teilte mit: "Wenn die Führung blockiert (..) ist meine Priorität sicherzustellen, dass Familien nicht im Stillstand gefangen werden". Mit ihrem offenen Konfrontationskurs üben die Abgeordneten immensen Druck auf die anderen Republikaner aus, die republikanischen Pläne anzupassen. Andernfalls droht Trump und den Seinen ein Erfolg der Demokraten - ausgerechnet bei einem der Lieblingsthemen des US-Präsidenten.
"(Das Paket) ist so etwas wie die Greatest Hits republikanischer Krankenversicherungsideen des vergangenen Jahrzehnts", wird Gesundheitsexperte Larry Levitt der Kaiser Family Foundation von CNN zitiert. Es gäbe "wenige Gewinner", so Loren Adler von der Denkfabrik Brookings Institution. Sowohl die auslaufenden Zuschüsse für Obamacare als auch die Gegenvorschläge würden die Lebenshaltungskosten also aller Voraussicht nach erhöhen. Und die Chancen der Republikaner verringern, ihre Mehrheiten im Kongress zu erhalten.