UN fordert Treibstoff-Lieferung WHO: Klinikräumungen in Gaza sind "fast unmöglich"
23.10.2023, 10:56 Uhr Artikel anhören
Trauernde Menschen im Gazastreifen. Internationale Organisationen drängen auf mehr Hilfslieferungen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Aufforderung Israels, Krankenhäuser im Gazastreifen zu evakuieren, hält die Weltgesundheitsorganisation für nicht umsetzbar. Derweil warnen UN-Organisationen vor einem Ausfall der Generatoren in den Kliniken, sollte weiterhin kein Treibstoff in das Gebiet gelangen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Israel mit Nachdruck aufgefordert, die Evakuierungsaufforderung für Krankenhäuser im Norden des Gazastreifens zurückzunehmen. "Es gibt dort Patienten, die einfach nicht bewegt werden können, viele werden beatmet, es gibt Neugeborene in Brutkästen, Menschen in instabilem Zustand, und es ist sehr schwierig, sie zu transportieren", sagte WHO-Sprecher Tarik Jasarevic der BBC. Die Aufgabe sei "fast unmöglich". "Wir rufen Israel auf, diese Anordnung zu überdenken", sagte Jasarevic.
Bisher seien vier Lastwagen mit chirurgischem und Verbandsmaterial sowie Medikamenten gegen chronische Krankheiten über den Grenzübergang Rafah nach Gaza gebracht worden, sagte der Sprecher. "Aber das reicht bei weitem nicht aus." Auf der ägyptischen Seite stünden noch mehr Lastwagen bereit, aber bisher gebe es keine Sicherheitsgarantien, dass die Vorräte eingeführt werden könnten.
Menschen in Gaza ohne Treibstoff "stranguliert"
Zudem ist nach Angaben der UN-Hilfsorganisationen mit den ersten Hilfslieferungen noch immer kein dringend benötigter Treibstoff in den Gazastreifen gebracht worden. Ohne Treibstoff würden die Menschen im Gazastreifen, darunter Kinder und Frauen, weiter "stranguliert", warnte der Generalkommissar des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, in einer Mitteilung. Treibstoff wird unter anderem zum Weiterbetrieb von Stromgeneratoren in Kliniken benötigt. Das UNRWA werde seine Reserven innerhalb der nächsten drei Tage aufbrauchen, warnte das UN-Nothilfebüro Ocha in der Mitteilung.
Israel hat jedoch die Sorge, der Treibstoff könnte in die Hände der Hamas fallen und für Terrorangriffe missbraucht werden. Bisher hat das Land nur der humanitären Lieferung von Wasser, Nahrungsmitteln und Medikamenten zugestimmt. Nach Angaben der israelischen Cogat-Behörde wird jeder Wagen von israelischen Sicherheitsbeamten kontrolliert, bevor er die Grenze überquert. Ein Regierungssprecher sagte am Sonntag: "Ich möchte betonen, dass wir in der Lage sind, dafür zu sorgen, dass (...) die Hamas diese humanitären Korridore nicht nutzt, um Kriegsmaterial zu schmuggeln."
Die am Wochenende angelaufenen Hilfslieferungen in dem von Israel abgeriegelten Gazastreifen mit gut zwei Millionen Einwohnern kommen generell nur langsam voran. Nach Angaben von UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths fuhr am Sonntag ein zweiter Konvoi aus 14 vor allem mit Arznei- und Lebensmitteln beladenen Lkw nach Gaza hinein. Er sprach von einem weiteren "Hoffnungsschimmer". Am Vortag hatte die erste Lieferung seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober die Grenze passiert. Nach Einschätzung der UN wären zur Versorgung der Menschen rund 100 Lastwagenladungen täglich nötig.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa