Söldner bereits bei Woronesch Wagner hat Kontrolle in Rostow übernommen
24.06.2023, 07:12 Uhr
Panzer rund um das Militärhauptquartier in Rostow.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Söldner-Chef Prigoschin kündigt den Einmarsch in die russische Stadt Rostow am Don an, wenig später sind seine Soldaten bereits dort. Der Wagner-Anführer fordert die Auslieferung von Verteidigungsminister Schoigu. Berichten zufolge sollen die Söldner sogar bereits in Woronesch die Kontrolle übernommen haben.
Der Konflikt zwischen der russischen Armee und der Söldnertruppe Wagner spitzt sich weiter zu. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin erklärte in einem Video auf Telegram, seine Söldner hätten die Kontrolle über die militärischen Einrichtungen in der Stadt Rostow am Don übernommen. Auf Bildern der russischen Nachrichtenagentur TASS waren mehrere Panzer und gepanzerte Wagen rund um das Hauptquartier der russischen Armee im Stadtzentrum zu sehen. Dutzende Soldaten reihten sich um die Fahrzeuge und suchten Deckung. Russlands Präsident Wladimir Putin bestätigte später die Blockade wichtiger Objekte durch die Söldnertruppe Wagner.
Prigoschin selbst ist Videos zufolge bereits in der Stadt. Aufnahmen zeigen ihn, wie er im Hauptquartier empfangen wird und anschließend ein Gespräch mit Junus-bek Jewkurow führt, dem stellvertretenden Verteidigungsminister der Region. Der Wagner-Chef soll die Auslieferung von Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow fordern. Beide sollen sich in der Vergangenheit in Rostow aufgehalten haben.
Die an der russischen Offensive in der Ukraine beteiligten Militärflugzeuge würden "normal" von dem Flugplatz abheben, um ihre Aufgaben zu erfüllen und kein Offizier sei von seinen Aufgaben entbunden worden, erklärte Prigoschin. Er warf der russischen Armee erneut vor, bezüglich der Lage an der Front zu lügen. Zahlreiche eroberte Gebiete seien bereits "verloren gegangen" und die russische Armee verliere täglich "bis zu 1000 Mann", erklärte er.
Der Gouverneur der russischen Region Rostow rief die Einwohner auf, zu Hause zu bleiben. "Die aktuelle Situation erfordert die maximale Konzentration aller Kräfte, um die Ordnung aufrechtzuerhalten", schrieb Wassili Golubew auf Telegram. Die Strafverfolgungsbehörden täten alles Notwendige, um die Sicherheit der Bewohner der Region zu gewährleisten. "Ich bitte alle, ruhig zu bleiben und das Haus ohne Notwendigkeit nicht zu verlassen."
Kreml sperrt Autobahn Richtung Moskau
Offenbar bewegen sich die Söldner weiter Richtung Moskau. Einem Insider zufolge haben die Kämpfer alle militärischen Einrichtungen der Stadt Woronesch 500 Kilometer südlich von Moskau unter ihre Kontrolle gebracht. Auch laut britischem Verteidigungsministerium bewegen sich weitere Kämpfer der Söldnergruppe im Bezirk Woronesch nach Norden. Sie seien höchstwahrscheinlich nach Moskau unterwegs. Dies sei die größte Bedrohung für den russischen Staat in der jüngsten Zeit. Nun komme es auf die Reaktion der Sicherheitskräfte an, vor allem der Nationalgarde. Teile der russischen Sicherheitskräfte verhielten sich bisher wohl passiv und entgegenkommend.
Ein weiteres Vordringen der Prigoschin-Truppen ins Landesinnere will der Kreml anscheinend verhindern. Die von Süden nach Moskau führende Autobahn M-4 ist nach Angaben des örtlichen Gouverneurs für den Verkehr gesperrt worden. Die Autobahn sei an der Grenze zur Region Woronesch, etwa 400 Kilometer südlich von Moskau, geschlossen worden, sagte der Gouverneur der Region Lipezk.
Stunden zuvor hatte Prigoschin erklärt, er wolle seinen Kampf gegen den Machtapparat in Moskau fortsetzen. Der 61-Jährige, der wegen versuchten bewaffneten Aufstandes in Russland zur Festnahme ausgeschrieben ist, kündigte den Einmarsch in die Stadt Rostow am Don zu diesem Zeitpunkt bereits an.
Prigoschin behauptete in einer weiteren Audionachricht, seine Männer hätten einen russischen Militärhubschrauber abgeschossen, der auf einen zivilen Konvoi geschossen habe. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht. Er warnte erneut, dass die Wagner-Söldner alle, die sich gegen sie stellten, als Bedrohung auffassen würden. "Wir haben ein Ziel, wir sind alle bereit, zu sterben", sagte er.
"Teufel" Prigoschin gegen das Regime
Wagner-Chef Prigoschin hatte der russischen Militärführung regelmäßig schlechte Führung im Angriffskrieg gegen die Ukraine vorgeworfen und vor allem Verteidigungsminister Schoigu wiederholt scharf kritisiert. Am Freitagabend warf Prigoschin Moskaus Militärführung einen Angriff auf seine Söldner-Einheiten mit Artillerie, Hubschraubern und Raketen vor. Dabei sei eine große Anzahl seiner Kämpfer getötet worden. Er habe 25.000 Männer unter Befehl, die nun aufklären würden, warum solch eine Willkür im Land herrsche.
"Wer versucht, Widerstand zu leisten, den werden wir als Bedrohung betrachten und sofort töten", drohte Prigoschin. Daraufhin leiteten die russischen Behörden Ermittlungen wegen versuchten bewaffneten Aufstands ein. Das russische Verteidigungsministerium bestritt einen Angriff. Der russische Geheimdienst FSB rief die Söldner der Wagner-Truppe dazu auf, ihren Chef festzunehmen.
Der bekannte russische Regierungskritiker Michail Chodorkowski forderte die Russen auf, den Söldnerführer Prigoschin in seinem Kampf gegen die Armeeführung zu unterstützen. "Wir müssen jetzt helfen, und dann werden wir diesen (Mann) wenn notwendig ebenfalls bekämpfen", schrieb der Kreml-Kritiker in Onlinemedien. "Selbst der Teufel" verdiene Unterstützung, wenn er gegen "dieses Regime" kämpfe. "Und ja - dies ist erst der Anfang", schrieb der im Exil lebende Chodorkowski.
Quelle: ntv.de, mba/dpa