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Israel-Hass vereint Terroristen Warum die Hisbollah nicht in den Krieg eintritt

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Hisbollah-Anhänger während eines Trauerzugs für einen durch israelischen Beschuss getöteten Terroristen.

Hisbollah-Anhänger während eines Trauerzugs für einen durch israelischen Beschuss getöteten Terroristen.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Die Hamas wird in Teilen der islamischen Welt für ihre Massaker an Israelis gefeiert, so auch von der Hisbollah. Seit dem 7. Oktober wird deshalb über einen möglichen Kriegseintritt der libanesischen Terrorgruppe spekuliert. Dabei sind sich Hamas und Hisbollah weniger grün als gedacht.

Der Hass auf Israel ist ihr gemeinsamer Nenner: Hamas und Hisbollah terrorisieren seit Jahrzehnten ihre jüdischen Nachbarn. Seit dem brutalen Massaker der Hamas-Terroristen aus dem Gazastreifen feuert die Hisbollah aus dem Libanon Raketen auf Israel. An der israelisch-libanesischen Grenze kommt es zu einzelnen Gefechten mit Verletzten und Toten.

Doch offiziell mischt sich die Hisbollah bislang nicht in den Israel-Krieg ein. Von koordinierten Aktionen zusammen mit der Hamas kann bislang keine Rede sein.

Die erste Rede von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah nach dem 7. Oktober war doppeldeutig. Einerseits nannte er die Massaker an über Tausend Israelis eine "Heldentat" und für seine Gruppe würden nun "alle Optionen auf dem Tisch liegen", also auch ein Kriegseintritt. Aber Nasrallah hat auch von einer "rein palästinensischen Aktion" gesprochen, was vor allem Experten und Beobachter im Westen vorsichtig aufatmen ließ.

Die Welt soll im Unklaren darüber gelassen werden, was die Hisbollah wo und wann plant. Entscheidend sei ohnehin der Iran, sagt Militärexperte Thomas Wiegold bei ntv. "Es ist sicherlich vom Iran gewünscht, das in der Schwebe zu lassen und immer wieder damit zu drohen."

Die Hisbollah wird genau wie die Hamas von westlichen Ländern als Terrororganisation eingestuft. Sie kontrolliert den Libanon militärisch und über ihre Partei auch politisch.

Der Iran ist der größte Unterstützer der Hisbollah, hilft finanziell und mit Waffenlieferungen. Deshalb entscheide allein die iranische Führung darüber, ob die Hisbollah im Krieg gegen Israel mitmischt oder nicht, erklärte Sicherheitsexperte Frank Umbach im ntv-Interview.

Mindestens 150.000 Raketen

Bisher gab es dieses Signal offenkundig nicht. Die Abschreckung scheine zu wirken, macht Militäranalyst Hendrik Remmel vom Bundeswehr-Thinktank GIDS auf die US-amerikanischen Flugzeugträger in der Region aufmerksam. "Das ist eine enorme Machtprojektion im Mittelmeer, gegenüber dem Iran und damit auch der Hisbollah. Die Amerikaner haben klar signalisiert, dass sie einen Flächenbrand nicht dulden werden."

Aber auch der Iran habe derzeit kein Interesse daran, den Konflikt eskalieren zu lassen, ergänzt Remmel bei ntv. "Der Iran verweist immer wieder darauf, dass es sich bei dem Angriff der Hamas um einen Angriff ohne Unterstützung gehandelt hat. Ob das stimmt oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen. Wichtig ist aber, diese Rhetorik zu deuten: Der Iran distanziert sich im Rahmen seiner ideologischen Möglichkeiten durchaus von einer verstärkten Einmischung in den Konflikt."

Falls die Hisbollah mit in den Krieg gegen Israel ziehen würde, hätte dies schlimmste Folgen. Die Schlagkraft der libanesischen Terroristen ist immens. Mindestens 150.000 Raketen soll die Hisbollah besitzen.

Wenn Teile des riesigen Raketenvorrats gleichzeitig abgefeuert würden, wäre selbst Israels Raketenabwehr überfordert. "Die Raketen lagern nicht in Militärkasernen, sondern in dicht besiedelten Wohngebieten. Und sie haben die Möglichkeit, Hunderte, wenn nicht sogar Tausende gleichzeitig auf Israel abzufeuern. Der Iron Dome allein reicht dann nicht", macht Arye Sharuz Shalicar, Sprecher des israelischen Militärs, im ntv-Interview deutlich. "Wir haben mehrere Anti-Raketen-Systeme, die unter anderem in Israel entwickelt wurden, um im Ernstfall Menschenleben zu retten."

Schiiten vs. Sunniten

Doch ein gemeinsamer Krieg von Hamas und Hisbollah gegen Israel bleibt unwahrscheinlich. Mutmaßlich werden die Terroristen aus dem Libanon weiter punktuell Raketen auf das südliche Nachbarland feuern, ohne direkt mit der Hamas zusammenzuarbeiten - auch, weil sie abgesehen vom Hass auf Israel sehr unterschiedliche Ansichten vertreten: Beides sind islamistische Organisationen, aber die Hisbollah ist eine schiitische, die Hamas eine sunnitische Terrorgruppe innerhalb des Islam.

Diese Glaubensrichtungen sind über Tausend Jahre alt. Im siebten Jahrhundert wurde nach dem Tod von Prophet Mohammed in der islamischen Welt die Frage diskutiert, wer sein Nachfolger werden soll. Die einen glaubten, Mohammed hat niemanden benannt, deshalb sollte sein Nachfolger gewählt werden - das waren die späteren Sunniten. Die anderen - die späteren Schiiten - wollten Mohammeds Schwiegersohn Ali als neuen Anführer.

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Die Sunniten sind heutzutage klar in der Überzahl. Etwa 85 Prozent der rund 1,6 Milliarden Muslime auf der Welt sind Anhänger dieser Glaubensrichtung. Allerdings gibt es ganze Länder, in denen die Mehrheit der Bevölkerung Schiiten sind, das ist im Iran und Irak der Fall.

In den meisten weltanschaulichen Fragen sind sich Sunniten und Schiiten zwar einig, aber die unterschiedlichen Auslegungen sorgen regelmäßig für Konflikte. Deshalb verträgt sich das sunnitische Saudi-Arabien beispielsweise nicht mit dem schiitischen Iran. Deshalb gilt: Die Hamas und die Hisbollah verfolgen dasselbe Ziel, sie wollen Israel auslöschen. Aber sie sind keine natürlichen Partner.

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Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

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Quelle: ntv.de

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