Politik

Schiffe-Kapern gegen Israel Was die Huthi-Rebellen so gefährlich macht

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Die einst Flipflop-tragenden Gotteskrieger der Huthi-Rebellen sind heute eine schlagkräftige Armee. Vom Jemen aus schießen sie regelmäßig Raketen auf ihren erklärten Todfeind Israel. Mit der Entführung eines Frachters spielt die Miliz nun ihren größten Trumpf aus.

Es dauert nur wenige Tage, bis die Huthi-Rebellen ihre Drohung wahrmachen - öffentlichkeitswirksam auf Video festgehalten: Der Frachter "Galaxy Leader" ist von der Türkei nach Indien unterwegs, als sich in der Meerenge Bab al-Mandeb ein Hubschrauber nähert. Dieser landet auf dem Oberdeck, herausspringt eine Gruppe Vermummter mit Maschinengewehren im Anschlag. Die Männer stürmen die Kommandobrücke, der Crew bleibt nichts anderes übrig, als sich zu ergeben. 25 Menschen werden zu Geiseln einer islamistischen Miliz, die sich im Krieg gegen Israel profilieren will.

Die Aktion am Sonntag erfolgte mit Ansage. Vergangene Woche erklärte Rebellenführer Abdel Malek al-Huthi im hauseigenen TV-Sender, israelische Schiffe im Roten Meer "ins Visier zu nehmen". Nach der Entführung der "Galaxy Leader" dementierte Israel, dass es sich um ein israelisches Schiff handelt. Auch unter der Besatzung sei kein Staatsbürger Israels. Eine Verbindung besteht laut der maritimen Sicherheitsfirma Ambrey einzig durch den israelischen Unternehmer Abraham Ungar, dem die Muttergesellschaft des Schiffsbetreibers gehört.

Dennoch machen die Huthis mit der Entführung ordentlich Druck auf die Weltwirtschaft. Eingezwängt vom Jemen und Ostafrika, verbindet Bab al-Mandeb das Rote Meer mit dem Indischen Ozean und ist Einfallstor zum Suezkanal. Die Route ist für den Seehandel elementar, zehn Prozent der weltweiten Ölproduktion werden durch die Meerenge verschifft. Im selbsterklärten Kampf gegen Israel spielen die Rebellen nun ihren geografischen Trumpf aus.

Raketenbeschuss aus weiter Entfernung

Jerusalem und die jemenitische Hauptstadt Sanaa trennen rund 2000 Kilometer Luftlinie, dazwischen liegen die Wüstenstaaten Saudi-Arabien und Jordanien. Die Huthis hält das nicht davon ab, seit Beginn des Gaza-Krieges regelmäßig Raketen und Drohnen in Richtung Israel abzufeuern. Deren Reichweite ist in der Tat bemerkenswert. Manche dieser Geschosse sind nach Berechnungen des "Economist" mindestens 1600 Kilometer unterwegs. Die Zeitung spricht von den wohl am weitesten geflogenen ballistischen Raketen, die je in einem Angriffsakt abgefeuert wurden.

Allerdings hält sich die Gefahr für Israel bislang in Grenzen. Viele Geschosse fängt das Abwehrsystem Arrow ab, andere erreichen das Land gar nicht erst. Ziel ist meist die südisraelische Küstenstadt Eilat, wo zahlreiche Israelis aus der Grenzregion des Gazastreifens Zuflucht gefunden haben. Wiederholt herrschte dort Luftalarm. Mitte des Monats schlug eine Drohne in ein Haus ein und verursachte leichte Schäden. Sie kam wohl aus dem Jemen.

Der Iran als Hauptsponsor

Hauptunterstützer der Rebellengruppe ist der Iran, auch wenn Teheran Waffenlieferungen bestreitet. Dank der Mullahs haben die Huthis in den vergangenen Jahren massiv aufgerüstet, die Miliz soll 180.000 bis 200.000 Männer umfassen. Nach Angaben des niederländischen Investigativportals "Oryx" reicht ihr Waffenportfolio von ballistischen Raketen über Marschflugkörper und Drohnen bis hin zu Anti-Schiff-Raketen. "Die Kämpfer mit Flipflops und Stammestracht sind zu einer gewaltigen Streitmacht geworden", sagt Farea al-Muslimi vom Londoner Forschungsinstitut Chatham House in einem Interview mit dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF).

Die Huthis stammen aus dem jemenitischen Hochland, ihre Mitglieder gehören einem Zweig des schiitischen Islams an. Die sogenannten Zaiditen herrschten bis in die 1960er-Jahre über Nord-Jemen, nach ihrem Sturz wurden sie von der sunnitischen Mehrheit ausgegrenzt. Radikalisiert hat sich die Bewegung im Zuge der US-Invasion im Irak 2003. Zur rigorosen Auslegung des Islams kam eine antiwestliche Agenda hinzu, mit der sie in Opposition zur damals US-freundlichen Regierung in Sanaa standen. Aus dieser Ablehnung des Westens rührt auch der Hass auf Israel. Im Weltbild der Huthis ist der jüdische Staat ein westliches Kolonialprodukt auf arabischem Boden.

Ihre Ideologie manifestieren die Huthis in ihrem Schlachtruf: "Gott ist groß, Tod für Amerika, Tod für Israel, verflucht seien die Juden, Sieg für den Islam." Wie die Hisbollah im Libanon oder das Assad-Regime in Syrien gelten sie als Teil der "Achse des Widerstands", ein Bündnis arabischer Bewegungen unter der Ägide des Iran. Dass sich die Miliz in den Krieg in Israel und Gaza einschaltet, gehört also zur Doktrin.

Zur Macht im Jemen griffen die Rebellen Anfang 2015. Damals stürmten Huthi-Kämpfer den Präsidentenpalast in Sanaa, vertrieben die Regierung und brachten den Norden des Landes unter Kontrolle. Im selben Jahr schaltete sich eine von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition in den Konflikt ein. Doch die Macht der Huthis brechen kann Riad trotz massiver Angriffe bis heute nicht. Die humanitäre Lage im Land ist indes katastrophal: Hunderttausende sind gestorben, Millionen leiden Hunger.

Angriffe könnten weitergehen

Vor diesem Hintergrund hat die Einmischung der Huthis in den Gaza-Krieg auch taktische Gründe. Zuletzt standen die Aussichten auf ein Friedensabkommen im Jemen so gut wie noch nie. Im Fall eines Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas würden die Huthis das als eigenen Erfolg verkaufen, sagt Experte al-Muslimi dem SRF. Sie könnten dann mit einer gestärkten Position an den Verhandlungstisch zurückkehren.

Solange der Gaza-Krieg aber weitergeht, werde auch der Beschuss der Huthis auf Israel andauern, glaubt der Experte. Demnach haben die Angriffe vor allem Signalwirkung. Anders in der Meerenge Bab al-Mandeb: "Die Rebellen aus den Bergen sind heute stark genug, um den globalen Seehandel zu torpedieren", sagt Al-Muslimi.

Die gekaperte "Galaxy Leader" liegt derzeit im Hafen der jemenitischen Stadt al-Hudaida vor Anker. Wie es der Crew geht, ist nicht bekannt. Laut der Betreiberfirma "Galaxy Maritime" ist die Kommunikation vollständig abgebrochen. Ein Sprecher der Huthi-Rebellen erklärte derweil alle israelischen Schiffe zu "legitimen Angriffszielen" und drohte: "Das ist erst der Anfang."

Quelle: ntv.de

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