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"Unter ungeklärten Umständen" Weiterer Lukaschenko-Kritiker stirbt in Haft

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Der belarussische Künstler Ales Puschkin starb im Alter von 57 Jahren in einem belarussischen Gefängnis.

Der belarussische Künstler Ales Puschkin starb im Alter von 57 Jahren in einem belarussischen Gefängnis.

(Foto: Twitter / viasna96)

Ein Haufen Mist und Lukaschenkos Porträt oben drauf - mit einer mutigen Performance macht sich Ales Puschkin 1999 unbeliebt beim belarussischen Diktator. 24 Jahre später stirbt der Künstler plötzlich hinter Gittern - "unter ungeklärten Umständen", wie es in solchen Fällen oft heißt.

In Belarus ist ein weiterer politischer Gefangener hinter Gittern ums Leben gekommen. Der Künstler Ales Puschkin sei in der Nacht "unter ungeklärten Umständen" auf der Intensivstation gestorben, teilte seine Frau auf Facebook mit. Laut einem Bericht von Radio Liberty wurde der 57-Jährige am Tag davor aus dem Gefängnis in ein Krankenhaus in Hrodna eingeliefert.

Puschkin saß in der Großstadt im Westen des Landes eine Gefängnisstrafe ab, zu der er im März 2022 verurteilt worden war. Festgenommen wurde der Künstler im März 2021 wegen einer Reihe von Porträts antisowjetischer Untergrundkämpfer aus dem Zweiten Weltkrieg, die er vor mehr als 20 Jahren gemalt hatte. Puschkin wurde wegen "Rehabilitierung des Nationalsozialismus" zu fünf Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis verurteilt. Während einer Gerichtsverhandlung hatte Puschkin versucht, sich aus Protest den Bauch aufzuschneiden. Dafür wurde er für 13 Tage in eine Strafzelle verlegt.

In der Kolonie sei der Künstler von dem Gefängnispersonal schikaniert worden, weil er "ein kreativer Mensch, nicht von dieser Welt ist", berichtete Radio Liberty unter Berufung auf Puschkins Mitinsassen. Zudem habe Puschkin nur Belarussisch gesprochen, "er wollte mit den Aufsehern kein Russisch sprechen, das gefiel ihnen nicht". Im Juni teilte die Frau des Künstlers mit, sie habe seit anderthalb Monaten keine Briefe von ihrem Mann erhalten.

"Mist für den Präsidenten"

Ales Puschkin war ein in Belarus berühmter Künstler. Wegen seiner Teilnahme an Protesten gegen den Diktator Alexander Lukaschenko wurde er in der Vergangenheit bereits mehrmals festgenommen. Mit seiner Kunstaktion "Ein Geschenk für den Präsidenten - für fünf Jahre fruchtbare Arbeit" erlangte Puschkin 1999 überregionale Bekanntheit. Am fünften Jahrestag der Herrschaft von Lukaschenko leerte er eine Schubkarre voller Mist vor dem Gebäude der Präsidialverwaltung in Minsk. Darauf legte er mehrere Geldscheine, die belarussische Verfassung und ein Porträt von Lukaschenko. Schließlich durchstach Puschkin das Ganze mit einer Heugabel.

Mit seinem "Geschenk an den Präsidenten" wurden Puschkin überregional bekannt.

Mit seinem "Geschenk an den Präsidenten" wurden Puschkin überregional bekannt.

(Foto: REUTERS)

Für die Aktion wurde der Künstler damals zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. 2021 wiederholte Puschkin die Performance in einer Kiewer Galerie.

Erst im Mai war ein wegen einer Lukaschenko-Karikatur inhaftierter Mann im Gefängnis gestorben, ebenfalls "unter ungeklärten Umständen", wie es von den Behörden hieß. Der 61-jährige Nikolai Klimowitsch war im Februar wegen "Beleidigung des Präsidenten" zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden, obwohl er an einer schweren Herzschwäche litt. Ein Jahr zuvor starb der inhaftierte Oppositionsaktivist Witold Aschurok im Alter von 50 Jahren in Haft - wiederum "unter ungeklärten Umständen". Die Familie und Angehörige des politischen Gefangenen sind laut Medienberichten überzeugt, dass sein Tod gewaltsam herbeigeführt wurde. Bis heute wurden in dem Fall keine Ermittlungen eingeleitet.

Wo ist Viktor Babariko?

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Oppositionelle und Menschenrechtsorganisationen machen seit Jahren auf die unmenschlichen Bedingungen aufmerksam, unter denen politische Gefangene in belarussischen Gefängnissen gehalten werden. Es wird über Folter und psychologischen Druck berichtet. Sie würden geschlagen, in Kommunikation und Korrespondenz eingeschränkt, regelmäßig in Isolationszellen geschickt, heißt es in Berichten.

Ende April wurde bekannt, dass Viktor Babariko, Lukaschenkos Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl 2020, mit Spuren von Schlägen aus dem Gefängnis ins Krankenhaus gebracht wurde. Die Behörden lehnten es ab, die Situation zu kommentieren. Über den Gesundheitszustand des Politikers und seinen Verbleib ist seit mehr als zwei Monaten nichts bekannt.

Quelle: ntv.de

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