Politik

Vor dem Silvester-WahnsinnWenn Berlin wieder zum Krawallgebiet wird

03.12.2025, 18:56 Uhr RTL01231-1Von Volker Petersen
Boeller-fliegen-unweit-der-Pallasstrasse-Am-Vorabend-vor-dem-Jahreswechsel-schossen-Jugendliche-zahlreiche-Raketen-in-den-Nachthimmel-An-Silvester-ist-der-Bereich-rund-um-der-Pallasstrasse-als-Boeller-Verbotszone-geplant-Das-Verbot-gilt-vom-Silvesterabend-um-18-00-Uhr-bis-zum-Neujahrsmorgen-um-6-00-Uhr-wie-die-Polizei-am-Donnerstag-mitteilte
Böller und Feuerwerk explodieren in Berlin-Neukölln. (Foto: picture alliance/dpa)

Da ist sie wieder, die jährliche Debatte um ein Böllerverbot an Silvester. Die Knaller-Gegner haben gute Argumente, die Feuerwerksfreunde allerdings auch.

Meistens geht es schon am Vortag los. Bumm, Bummbumm, Bumm. Wenn in Berlin der 31. Dezember beginnt, ist schon lange Böllerzeit. Bis Mitternacht warten? Das war mal. Spätestens ab 20 Uhr schwillt die Knallerei zu einem kriegsähnlichen Geräuschteppich an. Um Mitternacht drehen die Berliner dann noch einmal richtig auf, Presslufthammer-Style. Dazwischen Blaulicht, Übergriffe auf Polizei- und Rettungskräfte, Blut und Tränen.

Ach ja, und Spaß, für manche. Am nächsten Morgen sieht die halbe Stadt aus wie eine Müllkippe. Überall angekokelte, bunte Pappe, Raketenreste, ausgebrannte Böller. Der Staub liegt noch in der Luft. Aber die Stadtreinigung macht ja alles weg, vielen Dank. Wenn man nicht gerade Schwarzpulver im Blut hat, ist Berlin an Silvester ein Albtraum.

Auch andere Städte nähern sich an Silvester dem Ausnahmezustand. So verwundert es nicht, dass mehr und mehr Menschen ein Böllerverbot fordern. Jedes Jahr kommt die Debatte wieder auf. Diesmal durch ein Bündnis aus Deutscher Umwelthilfe, der Gewerkschaft der Polizei, der Bundesärztekammer, Tierschützern und etwa vier Dutzend anderen Organisationen.

Ihre Argumente sind offensichtlich. Zu viel Lärm, zu viele Unfälle, zu viel Müll, für Tiere ist es eine Tortur, die Übergriffe auf Polizisten und Rettungskräfte kann man niemandem zumuten. Die Feinstaub-Belastung geht durch die Decke. Und es gibt ja Alternativen: Zentrale Feuerwerke zum Zuschauen für alle oder Licht-Shows mit Drohnen und Lasern. Statt 180 Millionen Euro für Feuerwerk auszugeben, könnten die Deutschen etwas Sinnvolles damit tun.

Alle für die Städte bestrafen?

Doch auch die Feuerwerksfreunde haben Argumente auf ihrer Seite. Das Wichtigste: Nicht ganz Deutschland ist so wie Berlin. In kleineren Städten und Dörfern geht es in der Regel friedlicher zu. Familien machen ein bisschen Feuerwerk, haben Spaß, fertig. Sie werfen keine Böller aufeinander, schießen keine Raketen aus der Hand auf Polizisten ab und drohen Rettungssanitätern keine Schläge an. Alles ganz entspannt. Soll man da das halbe Land für die Missstände in Großstädten bestrafen?

So argumentierte beispielsweise die frühere Innenministerin von Brandenburg, Katrin Lange. Die Debatte gehe am eigentlichen Problem vorbei, sagte sie nach dem letzten Jahreswechsel dem RBB-Inforadio. "Leute, die gezielt auf andere Menschen Feuerwerkskörper abfeuern, sind auch keine Feiernden, sondern Verbrecher und gehören meines Erachtens in den Knast", sagte die SPD-Politikerin. Aus ihrer Sicht müsste man eher über die Strafverfolgung reden, die nicht funktioniere. Es gibt in der SPD aber auch Befürworter eines Böllerverbots.

Auch der heutige Kanzleramtsminister und CDU-Politiker Thorsten Frei hat sich gegen ein Verbot ausgesprochen. Er glaubt nicht, dass es verfassungsgemäß wäre. Ein Verbot könnte dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen. Das schrieb er in einer Antwort auf eine entsprechende Frage, die das Portal abgeordnetenwatch.de dokumentiert. In der Sache äußert er sich dann ähnlich wie SPD-Politikerin Lange. "Denn was nutzen am Ende Böllerverbote, an die sich Chaoten auch in Zukunft nicht halten, während 99,9 Prozent der Menschen bestraft werden, obwohl sie friedlich und vernünftig feiern?", fragt er.

Umfrage zeigt Mehrheit für Verbot

Ein vollständiges Verbot privater Feuerwerke wäre außerdem nur schwer flächendeckend zu kontrollieren, argumentiert der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul. In vielen Städten fehlt es an Personal, um Regeln konsequent durchzusetzen, sagte der CDU-Politiker dem WDR. "Dann müssen sie an jeder Ecke einen Polizisten stehen haben, der dafür sorgt, dass keiner einen Böller wirft. Das schaffen wir ja nicht mal im Fußballstadion.“"

Ein striktes Verbot könnte dazu führen, dass Menschen verstärkt auf illegale Produkte aus dem Internet zurückgreifen, die oft wesentlich gefährlicher sind. Zudem könnte es zu einem Anstieg selbstgebauter Böller kommen, deren Risiken kaum kontrollierbar sind.

Das sind keine schlechten Gegenargumente - und vermutlich der Grund, warum es in naher Zukunft kein Böllerverbot geben wird. Doch die Menschen in Deutschland sehen das mittlerweile anders. 59 Prozent sind laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern" für ein Böllerverbot - so wie es auch in den Niederlanden ab dem Jahreswechsel 2026/27 gelten wird. Für alle Zeiten ausgeschlossen ist das Böllerverbot sicher nicht.

mit dpa

Quelle: ntv.de

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