Politik

Polarisierung in den USA Wie die Maske politisch wurde

"Unsere Kinder, unsere Wahl" steht beispielsweise auf den Wahlplakaten von Eltern, die gegen eine Maskenpflicht an Schulen demonstrieren.

"Unsere Kinder, unsere Wahl" steht beispielsweise auf den Wahlplakaten von Eltern, die gegen eine Maskenpflicht an Schulen demonstrieren.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Während sich in Deutschland die Menschen größtenteils an die Maskenpflicht gewöhnt haben, ist sie in den USA zum politischen Streitobjekt zwischen Demokraten und Republikanern geworden. Jetzt zum Schulstart kocht die Maskendebatte erneut hoch.

Franklin ist eine beschauliche Stadt im republikanisch regierten US-Bundesstaat Tennessee, nicht weit von der Hauptstadt Nashville entfernt. An einem Abend Mitte August sind die Eltern des örtlichen Schulbezirks zusammengekommen, um organisatorische Dinge zu besprechen. Lehrplan, Klassenfahrten, Sportangebot – ein typischer Elternabend. Doch außerdem steht ein kontroverses Thema auf der Tagesordnung: Der Schulbezirk verkündet eine Maskenpflicht im Schulgebäude. Daraufhin bricht lauter Protest aus. Dutzende Eltern schimpfen lautstark gegen die Masken, die ihre eigenen Kinder vor dem Virus schützen sollen. Eine Mutter droht sogar, die Schule zu verklagen. "No more Masks!" schreien die Eltern verlassen reihenweise die Versammlung.

Seit Beginn der Pandemie tauchen ähnliche Videos in den sozialen Medien auf: Maskengegner, die sich weigern, Geschäfte zu verlassen, laut herumschreien oder sogar gewalttätig werden. Trage ich eine Maske oder nicht? Eine Frage, die in den USA enormes politisches Gewicht bekommen hat und sich weitgehend von den Fakten losgelöst hat. Aber wieso ist das so?

Die Bundesstaaten gehen unterschiedlich mit der Maskenpflicht um, da sie im föderalen System der vereinigten Staaten das letzte Wort haben. Republikanisch regierte Staaten neigen zu Beginn der Pandemie eher dazu, keine Maskenpflicht zu verhängen und diese früher wieder zu lockern. Aber auch in demokratisch regierten Bundesstaaten, die größtenteils an einer strengen Maskenpflicht festhalten, gehen teilweise Republikaner auf die Straße und fordern ihre Freiheit – so zum Beispiel in Michigan im April 2020.

Aktuell wird der Krieg um die Maske wieder präsenter, denn mit dem Ende der Sommerferien wird darüber gestritten, ob Kinder im Unterricht eine Maske tragen sollten oder nicht. Das Center for Disease Control (CDC), die amerikanische Seuchenbehörde, rät dazu. Aber wieder halten sich nicht alle Bundesstaaten an die Empfehlung. Acht republikanisch geführte Staaten verbieten den Schulen sogar per Gesetz, eine Maskenpflicht zu verhängen. Und das trotz weiterhin rasant steigender Infektionszahlen, auch unter Kindern.

Die amerikanische Flagge ist oft zu sehen auf den Demonstrationen gegen die Maskenpflicht, so auch hier im Bundesstaat Georgia.

Die amerikanische Flagge ist oft zu sehen auf den Demonstrationen gegen die Maskenpflicht, so auch hier im Bundesstaat Georgia.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Auch im republikanisch dominierten Bundesstaat Florida, wo das Coronavirus im zweiten Pandemiesommer besonders wütet, herrscht ein erbitterter Kampf über die Maskenpflicht an Schulen. Nachdem auch Governeur Ron DeSantis per Gesetz verhindert, dass Schulen eine Maskenpflicht einführen dürfen, lehnen sich mehrere Schulbezirke dagegen auf. Es folgen: ein Rechtsstreit, Drohungen und eine öffentliche Schlammschlacht zwischen DeSantis und Präsident Joe Biden. Ein Ende der Debatte in Florida zeichnet sich noch nicht ab.

Die Maskenpflicht an Schulen polarisiert. Hier haben sich Mütter in Florida zu einer Gegendemonstration versammelt.

Die Maskenpflicht an Schulen polarisiert. Hier haben sich Mütter in Florida zu einer Gegendemonstration versammelt.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Wie entsteht die unterschiedliche Wahrnehmung?

Professor Curd Knüpfer vom Kennedy Institut der Freien Universität Berlin forscht zur politischen Polarisierung und zum amerikanischen Mediensystem. Rechtsalternative Medien, die Fehlinformationen streuen, sind für ihn die größte Ursache der Spaltung während der Pandemie. "Es gibt unterschiedliche Mediensysteme, in denen alternative Fakten zirkulieren", so der Politikwissenschaftler, "Menschen handeln nicht immer nur aus ideologischen Gründen, sondern sie sind auch einfach unterschiedlich informiert". Alternative Medien nutzen das im Laufe der Pandemie immer wieder aus, so Knüpfer. Sie profitieren von der Spaltung im Land und vertiefen die Gräben so noch weiter: "Es zahlt sich aus, nur eine Perspektive zu zeigen – es ist ein Geschäftsmodell".

Aber wird diese Unwissenheit auch von Seiten der Politik bewusst instrumentalisiert? Laut dem Politikwissenschaftler ist das ein Henne-Ei-Problem. Ob Menschen sich in ihrer Einstellung zu Masken und der Ernsthaftigkeit des Virus von Politikern beeinflussen lassen oder ob diese sich lediglich an der ohnehin herrschenden Stimmung orientieren, sei schwer zu sagen.

Welche Rolle spielte Donald Trump?

Während des ersten Pandemiesommers 2020 geht der Präsidentschaftswahlkampf in die heiße Phase: eine Premiere zu Pandemie-Zeiten. Umso stärker das Signal, das der amtierende Präsident Donald Trump seinen Anhängern sendet, indem er trotz hohen Infektionszahlen zu großen Wahlkampfveranstaltungen ohne Maskenpflicht und Abstand einlädt. Sein Gegnerspieler Joe Biden setzt auf das Gegenteil: er führt einen größtenteils digitalen Wahlkampf und ist stets maskiert unterwegs.

Aber welche Verantwortung trägt Donald Trump für die Maskenverweigerer-Szene in den USA? Laut Experte Knüpfer ist die Corona-Pandemie ein Ereignis, das den ehemaligen Präsidenten ins Wanken brachte. Während er bei anderen Themen eine stets eindeutige Position vertrat, änderte er in Hinsicht auf die Pandemie oft seine Meinung. Auch wenn er bei öffentlichen Auftritten weitgehend auf eine Maske verzichtete, so könne man ihn nicht als Corona-Leugner einordnen, so Knüpfer. Zwar habe er zu Beginn der Pandemie die Gefahr mehrmals heruntergespielt, im späteren Verlauf aber auch in die Impfkampagne investiert und sich öffentlich impfen lassen. Auch habe man ihn später immer häufiger mit Maske gesehen. Allerdings habe die Maskengegner-Szene zu diesem Zeitpunkt, bestärkt von Medien wie FOX News oder Newsmax, schon an Aufschwung gewonnen. Es sei eine Spirale entstanden: "Da wo vermehrt Trump gewählt wird, da wird auch viel FOX geguckt und man guckt eher FOX, wenn man eh die Meinung hat, dass der Staat einem nichts sagen kann", sagt Knüpfer.

Dazu komme ein ganz entscheidender Punkt, so Knüpfer: der urtypisch amerikanische Freiheitsgedanke, der vor allem tief in der Wählerschaft der Republikaner verankert sei. Dieser sei wesentlich dafür verantwortlich, dass manche Amerikaner sich gegen das Tragen von Masken wehren. "Dieses Grundverständnis von Freiheit sorgt dafür, dass es zum Schlachtruf wird 'Ich trage keine Maske, als Symbol, dass ich ein freier Bürger bin, der die Verfassung liebt'." So sei die Verweigerung einer Maske zu einem politischen Signal der Republikaner geworden, um sich deutlich für Freiheit und gegen eine vermeintliche Bevormundung zu positionieren.

Dieses Gefühl ist in den ländlichen Gegenden besonders stark ausgeprägt, wo überwiegend Republikaner leben. In diesen Gegenden trägt vieles zur Ablehnung von Masken bei. Da wäre zunächst der hohe Stellenwert der "Community", also dem unmittelbaren gemeinschaftlichen Umfeld. Dieses Gefühl ist in ländlichen Gegenden besonders stark ausgeprägt, Menschen fühlen sich eher den Gesetzen des eigenen Bundesstaates verpflichtet als den Spielregeln, die die oft zynisch als "Elite" betitelte Bundespolitik in Washington vorgibt. Gleichzeitig sind diese Bundesstaaten oft dünner besiedelt, weshalb es dort weniger gefährlich erscheinen mag, ohne Maske unterwegs zu sein, als in einer vollen New Yorker U-Bahn.

Dass Masken zum Symbol und Signal geworden sind, ist nicht nur bei den Republikanern so, sondern auch auf der anderen Seite. Obwohl das CDC im Mai vollständig Geimpfte von der Maskenpflicht befreite, tragen manche geimpfte Demokraten weiterhin Maske - aus Sorge, "sonst für Republikaner gehalten zu werden", sagt Knüpfer.

Quelle: ntv.de

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