"Zeitlich streng befristet" Wirtschaftsweise für höheren Spitzensteuersatz
07.11.2022, 19:16 Uhr
Die Wirtschaftsweisen befassen sich seit den 1960 Jahren in wechselnder Besetzung mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands.
Die Entlastungspakete sind den Wirtschaftsweisen nicht zielgerichtet genug. Ihnen zufolge sollten gezielt Haushalte profitieren, die die Energiepreise nicht verkraften können. Die fünf Professorinnen und Professoren machen hierzu Vorschläge und kritisieren Steuerpläne von Finanzminister Lindner.
Die fünf Wirtschaftsweisen raten der Bundesregierung, zeitweise einen höheren Spitzensteuersatz oder einen Energiesoli für Besserverdienende zu verlangen. Die Ökonomen wollen so die Entlastungspakete gegen die Inflation sozialer und bezahlbarer machen. Dazu "könnte eine Teilfinanzierung durch eine zeitlich streng befristete Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder einen Energie-Solidaritätszuschlag für Besserverdienende in Betracht gezogen werden", heißt es im Jahresgutachten, das der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt.
"Die bisherigen Maßnahmen wie etwa der Tankrabatt waren oft wenig zielgerichtet und kamen in großem Umfang auch den höheren Einkommensgruppen zugute", heißt es im Gutachten. Dabei sollten möglichst nur Haushalte entlastet werden, die die Energiepreise nicht verkraften können. Also besonders Bürger mit wenig Geld, die "einen wesentlich höheren Anteil ihres Einkommens für Miete und Lebensmittel ausgeben als Haushalte mit höherem Einkommen".
Lindners Reform zum falschen Zeitpunkt?
Die Weisen verwerfen die Steuerpläne von Finanzminister Christian Lindner, der die kalte Progression ausgleichen will. Zwar sei es grundsätzlich geboten, die kalte Progression auszugleichen. "In der aktuellen Situation, in der vor allem eine Entlastung unterer Einkommensgruppen geboten erscheint und die Lage der öffentlichen Finanzen angespannt bleibt, wäre eine Verschiebung dieses Ausgleichs auf einen späteren Zeitpunkt angezeigt."
Bei der Atomkraft sind die Weisen laut Einschätzung der "Süddeutschen Zeitung" offensiver, als es den Grünen gefallen dürfte. Mit einem Machtwort hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den Streit von FDP und Grünen beendet und festgelegt, dass die Atomkraftwerke bis längstens Mitte April nächsten Jahres laufen dürfen. Die Weisen schreiben nun: "Eine Laufzeitverlängerung über den 15. April 2023 hinaus würde zu einer Entspannung des Strommarkts beitragen."
Laut TÜV Süd gebe es etwa keine Sicherheitsbedenken dagegen, das AKW Isar 2 weiterzubetreiben: "Vor diesem Hintergrund sollte die Bundesregierung sorgfältig prüfen, ob eine Laufzeitverlängerung über den 15. April hinaus möglich ist."
Gleichzeitig macht der Rat klar, dass er die Zukunft in erneuerbaren Energien sehe: Um ihren "Ausbau zu beschleunigen und die vorübergehende Nutzung von Kohle- und Kernkraftwerken schnell zu beenden, sollten regulatorische Unsicherheiten für Investoren vermieden werden". Die Regierung solle etwa darauf hinwirken, dass die Abstandsregel 10-H in Bayern abgeschafft wird, die den Ausbau der Windkraft behindert.
Quelle: ntv.de, mpe