Lockerung mit altem Bundestag Wüst und Söder zurückhaltend bei Reform der Schuldenbremse
25.02.2025, 12:06 Uhr Artikel anhören
Im neuen Bundestag haben AfD und Linke so viele Stimmen, dass Union, SPD und Grüne zusammen nicht mehr eine Zweidrittelmehrheit erreichen können. Damit sind sie bei einer Reform der Schuldenbremse auf die Opposition angewiesen.
(Foto: picture alliance / dts-Agentur)
Soll eine Lockerung der Schuldenbremse noch schnell durch den Bundestag gedrückt werden? SPD und Grüne sprechen sich dafür aus, CDU-Chef Merz erklärt: "Unsere Überlegungen dazu sind nicht abgeschlossen." Andere in der Union sind da deutlich skeptischer.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst hat vor einer überhasteten Reform der Schuldenbremse gewarnt. "Die neue Bundesregierung muss erst mal Prioritäten setzen und den Haushalt auf Einsparpotenziale durchforsten", sagte er der "Rheinischen Post". Dazu gehöre auch, vom Bund verursachte Kostentreiber bei Ländern und Kommunen zu identifizieren, die entbehrlich seien. "Dann kann man schauen, was im Rahmen der geltenden Schuldenbremse möglich ist und erst dann über ihre Reform nachdenken."
Wüst betonte: "Die Schuldenbremse sorgt für finanzpolitische Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit". Der wichtigste Beitrag zur besseren Finanzierung der staatlichen Aufgaben sei Wirtschaftswachstum. Die Schuldenbremse sei auch in der nordrhein-westfälischen Landeshaushaltsordnung festgeschrieben, so Wüst. "Das sorgt für klare Verbindlichkeit".
CSU-Chef Markus Söder äußerte sich zurückhaltend zu den Überlegungen, noch mit dem alten Bundestag die Schuldenbremse zu reformieren. Es müsse alles genau geprüft werden, sagte der bayerische Ministerpräsident im ARD-"Morgenmagazin". "Es gibt zwar Argumente dafür, weil man sagt, man hat da noch eine mögliche Mehrheit". Es gebe aber auch Argumente dagegen, "weil man sagen kann, wie ist denn die Legitimation für eine solche Entscheidung, nachdem man schon gewählt hat". Er sei da deshalb "etwas zurückhaltend". Allerdings habe Verteidigungsminister Boris Pistorius recht, dass die Verteidigungsausgaben deutlich erhöht werden müssen.
Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verankert. Für ihre Änderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag notwendig. Jedoch erreichen Union, SPD und Grüne gemeinsam diese im neuen Bundestag nicht mehr. Weil nun AfD und Linke Änderungen mit einer Sperrminorität blockieren könnten, gibt es Überlegungen, die Schuldenbremse noch mit dem alten Bundestag zu reformieren.
Merz für Gespräche mit SPD, Grünen und FDP
Vertreter von Grünen und SPD hatten einen entsprechenden Vorstoß gemacht. CDU-Chef Friedrich Merz schloss daraufhin eine Reform der Schuldenbremse ebenso wie die Einrichtung eines Sondervermögens für die Ukraine-Hilfen nicht aus. "Unsere Überlegungen dazu sind nicht abgeschlossen", sagte Merz am Montag nach der Wahl. Er kündigte Gespräche darüber mit SPD, Grünen und FDP an.
Schützenhilfe bekam er dafür von seinem Parteifreund Jens Spahn. Dieser schloss im Frühstart bei ntv nicht aus, die Schuldenbremse noch mit den bestehenden Mehrheiten des Bundestages zu reformieren. "Es ist ein Finanzierungsbedarf da, bei der Bundeswehr bis in die dreißiger Jahre hinein", so der stellvertretende Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion. "Der nächste Kanzler, der zum Juni zum Nato-Gipfel nach Den Haag fährt, der muss ja belastbar darlegen können, zwei plus x Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung. Sonst brauchen wir transatlantisch, sonst brauchen wir in Washington gar nicht mehr anzutreten. Das ist uns allen bewusst", so Spahn weiter.
Der CDU-Politiker Thorsten Frei ist zwar skeptisch, was eine Änderung des Schuldenbremse betrifft, die Einrichtung eines Sondervermögens für Ukraine-Hilfen hält er jedoch für möglich. Er wolle nicht ausschließen, "dass angesichts der hochdynamischen außenpolitischen Veränderungen, der möglicherweise sich weiter steigenden Bedrohungslage unseres Landes, sehr schnell Entscheidungen ganz spezifisch im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik notwendig sind", sagte Frei im Deutschlandfunk.
Pistorius fordert Ausnahme für Bundeswehr
Verteidigungsminister Boris Pistorius fordert, beim Bundeswehretat eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu beschließen. "Für die auskömmliche Ausstattung der Bundeswehr ist eine Ausnahme von der Schuldenbremse praktisch unumgänglich. Das habe ich bereits im vergangenen Jahr mehrfach gefordert", sagte der SPD-Politiker der "Bild-Zeitung. Pistorius erklärte, der Haushalt seines Ministeriums werde sich "durch notwendige Investitionen in den kommenden Jahren auf über 100 Milliarden Euro verdoppeln müssen". "Wir reden über mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das lässt sich nicht zu Lasten anderer Bereiche absparen", betonte der Minister.
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter begrüßte den Vorschlag, noch mit dem alten Bundestag die Schuldenbremse zugunsten von höheren Verteidigungsausgaben zu öffnen. Mit der im neuen Bundestag bestehenden Sperrminorität von Linken und AfD drohe eine künftige Bundesregierung ansonsten erpressbar zu werden, sagte Hofreiter im ARD-"Morgenmagazin". Deshalb sei eine Neuregelung noch im bisherigen Bundestag eine "gute Idee".
Hofreiter nannte die Schuldenbremse "ein Riesenproblem". Sie schränke die Handlungsfähigkeit des Parlaments ein. Die Menschen in Deutschland hätten noch nicht verstanden, dass sich die Welt in einem "Epochenbruch" befinde.
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, forderte die demokratischen Parteien im bisherigen Bundestag auf, rasch deutlich mehr Geld für die Bundeswehr über neue Schulden zu organisieren. "Es ist richtig und wichtig jetzt schnell viel Geld für unsere Verteidigungsfähigkeit zu mobilisieren, um eine glaubhafte Abschreckung gegenüber Russland aufzubauen und uns vom Schutz und damit der Abhängigkeit der USA unabhängig zu machen", sagte Schularick der "Rheinischen Post". "Es ist auch richtig, das kurzfristig über Schulden zu finanzieren, Umschichtungen im Haushalt sind in größerem Umfang erst in der mittleren Frist realistisch", sagte der IfW-Chef.
"Die demokratischen Parteien sollten jetzt die Gunst der Stunde und ihre verbleibende Zweidrittelmehrheit im alten Bundestag nutzen, um geopolitisch handlungsfähig zu bleiben. Der entschlossenste und weitsichtigste Schritt dafür wäre es, die Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen. Merz‘ Initiative für ein Sondervermögen ist hier nur die zweitbeste Lösung, aber immerhin eine Lösung und von daher auch begrüßenswert", sagte Schularick.
Quelle: ntv.de, gut/AFP/dpa/rts