Kölner Polizei im Großeinsatz Zehntausende gehen für Erdogan auf die Straße
31.07.2016, 15:25 Uhr
Die Veranstalter der Pro-Erdogan-Demo rechneten mit bis zu 50.000 Teilnehmern in Köln - laut Polizei kamen 20.000.
(Foto: dpa)
Die Lage ist angespannt: Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan gehen in Köln auf die Straße. Die Polizei ist angesichts von Gegendemos gut beschäftigt. Dass Erdogan nicht per Video zugeschaltet werden darf, erbost Ankara.
Unter massivem Polizeischutz hat in Köln eine umstrittene Großkundgebung von Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan begonnen. Die Polizei sprach am späten Nachmittag von rund 40.000 Teilnehmern. Viele von ihnen trugen türkische Fahnen. Die Veranstalter hatten zuletzt "mit 30.000 bis 50.000 Teilnehmern" gerechnet.
Mit einer Schweigeminute gedachten die Teilnehmer der Opfer des gescheiterten Militärputsches vor zwei Wochen in der Türkei. Zugleich wurde der Opfer der jüngsten Terroranschläge in Frankreich, Deutschland und der Türkei gedacht. Danach wurde eine Erklärung verlesen. Darin hieß es, man versammle sich, um für "Rechtsstaatlichkeit, Einheit, Frieden und Unabhängigkeit einzustehen". Der türkische Sportminister Akif Cagatay Kilic sollte auf der Demo sprechen.
Das Kundgebungsgelände am rechten Rheinufer im Stadtteil Deutz wurde von zahlreichen Polizisten bewacht. Insgesamt waren 2700 Beamte im Einsatz. Auch Wasserwerfer standen bereit. "Die Lage ist relativ ruhig", sagte der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies. In der Innenstadt sei es zu kleineren Reibereien zwischen Nationaltürken und Kurden gekommen. Im Übrigen müsse man abwarten, wie es weitergehe.
Angemeldet waren auch vier Gegenkundgebungen, unter anderem von der rechtsextremistischen Splitterpartei Pro NRW. Die Demonstration der Rechtsextremen wurde von der Polizei vorzeitig aufgelöst. Per Lautsprecherdurchsage forderten die Beamten die rund 250 Rechten auf, den Platz vor dem Hauptbahnhof zu räumen, da sie gegen Auflagen verstoßen hätten. Nach letzter Absprache mit der Polizei sollten die Teilnehmer der Demonstration nur eine Standkundgebung abhalten. Stattdessen hatten sich Teilnehmer - darunter laut Polizei auch gewaltbereite Hooligans - allerdings doch zu einem Marsch bereitgemacht.
Auch rechtsradikale Türken dabei?
Thema der türkischen Kundgebung "Ja zur Demokratie - Nein zum Staatsstreich" ist der vereitelte Militärputsch in der Türkei. Organisiert wird die Veranstaltung maßgeblich von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die der AKP Erdogans nahesteht. Eine von den Veranstaltern geplante Zuschaltung türkischer Politiker, vor allem von Erdogan selbst, live auf einer Großleinwand wurde angesichts der aufgeheizten Stimmung verboten. Die Veranstalter hatten sich gegen das Verbot gerichtlich gewehrt, waren aber in einem Eil-Verfahren bis zum Bundesverfassungsgericht gescheitert.
Der Sprecher Erdogans kritisierte das Verbot der Live-Schalte scharf. Das sei ein "inakzeptabler Zustand", teilte Ibrahim Kalin nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara mit. Es handele sich um einen Verstoß gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Ankara hoffe auf eine "zufriedenstellende Erklärung" der deutschen Behörden.
Der UETD-Generalsekretär Bülent Bilgi betonte den friedlichen und demokratischen Charakter der Veranstaltung. "Uns geht es heute um ein friedliches und harmonisches Miteinander und um gegenseitigen Respekt", beteuerte er. Es werde sowohl gegen den vereitelten Staatsstreich in der Türkei demonstriert als auch für die Demokratie. An der Demo nehmen aber nach einem Bericht des "Tagesspiegel" auch Tausende rechtsradikale Türken aus dem Bundesgebiet teil. Die Zeitung berief sich unter anderem auf Sicherheitsexperten. Laut Bilgi reisen Demonstranten aus Finnland, Belgien, Großbritannien, Österreich und der Schweiz an.
Die auf der Demo verlesene Erklärung haben laut UETD rund 100 Organisationen unterzeichnet, darunter auch der türkisch-islamische Dachverband Ditib und die Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer. "Alle Staaten, Organisationen, Parteien und (...) Politiker der Welt" wurden aufgefordert, "solidarisch zum türkischen Volk" und der Regierung in Ankara zu stehen.
Twittern auf Deutsch und Türkisch
In der vorab veröffentlichten Erklärung wird daran erinnert, dass bei dem gescheiterten Miliärputsch vom 15. Juli in der Türkei mehrere hundert Sicherheitsbeamte und Zivilisten ermordet worden seien. "Sie haben ihr Leben im Kampf für die Demokratie und Freiheit in der Türkei gelassen", heißt es weiter in der Deklaration. Kritik wird in der Erklärung an der Berichterstattung über den Putschversuch geübt. Medien werden "einseitige und voreingenommene Berichte" vorgehalten, in denen "sogar Trauer" über den gescheiterten Putsch mitschwinge.
Seit dem Putschversuch Mitte Juli sind in der Türkei nach Regierungsangaben 18.000 Menschen festgenommen worden. Sie sollen Verbindungen zur Gülen-Bewegung haben, die von der Regierung für den Staatsstreich verantwortlich gemacht wird.
Die Polizei Köln twittert während der Kundgebungen auf Türkisch und Deutsch. "Wir wünschen allen in Köln heute einen friedlichen Verlauf der Versammlungen #koeln3107", lautete die erste Mitteilung, die die Polizei zweisprachig absetzte. "Bei so einer Lage macht es natürlich Sinn, dass alle Beteiligten, von denen viele Türkisch sprechen, gut informiert werden", sagte eine Polizeisprecherin. Viele türkischsprachige Beamte seien im Einsatz.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP