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Trump fordert KapitulationDann wäre die Ukraine verloren

20.11.2025, 17:55 Uhr UnbenanntFrauke Niemeyer
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Da war er noch halbwegs zuversichtlich: der ukrainische Präsident Selenskyj beim Besuch im Weißen Haus Mitte Oktober (Foto: Bloomberg via Getty Images)

Donbass weg, Armee halbiert, westliche Unterstützer bleiben draußen - wenn Trump tatsächlich den neuen Ukraine-Plan durchsetzen könnte, stünde die Ukraine wehrlos vor der russischen Armee. Europa muss das verhindern.

Als Donald Trump nach Abschluss des Waffenstillstands im Gazakrieg den Friedensnobelpreis doch nicht bekam, waren viele Beobachter erleichtert - aus zwei Gründen: Zum einen, weil ein Präsident, der sich anschickt, im eigenen Land eine Herrschaft der Gewalt zu etablieren, diesen Preis nicht verdient. Zum anderen bestand die Hoffnung, dass Trump in seiner Fixiertheit auf die hohe Auszeichnung auch noch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beenden würde – wenn's nur die Nobelpreis-Jury beeindruckt.

Der Trumpsche Geltungsdrang ist ungebrochen, doch die Ukraine könnte er ins Verderben treiben. Im Weißen Haus soll ein 28-Punkte-Plan erarbeitet worden sein, der dem Konflikt den Frieden und Trump die nächste "Es ist vollbracht"-Meldung bringen soll. Tatsächlich bedeutet all das, was von dem als "geheim" bezeichneten, aber freigiebig an diverse US-Medien durchgestochenen Plan bekannt ist, für die Ukraine nichts anderes als Kapitulation.

Ohne Not soll Kiew den Dobass abtreten

Die in dem Plan vorgesehene Herausgabe des gesamten Donbass an Russland würde große Gebiete umfassen, die bisher von den Invasoren noch gar nicht erobert wurden. Und das steht auch nicht unmittelbar bevor, die Einnahme von Pokrowsk hin oder her. Die strategisch wichtigen Erfolge rund um die umkämpfte Stadt wurden schon im Juni erreicht. Bereits seit dem Frühsommer können Kiews Truppen den Verkehrsknotenpunkt für Bahnlinie und Straße nicht mehr nutzen – und hielten sich dennoch im Gebiet. Die Einnahme der Stadt ist eine symbolische Erfolgsmeldung, sonst nichts.

Weiter westlich lässt die ukrainische Heeresführung eine neue Verteidigungslinie einziehen. Die wird weniger massiv und weniger gut mit Truppen bestückt sein als die vordersten Frontlinien, die schon verloren wurden. Dennoch ist sie mehr als ein Stolperdraht. An der neuen Linie wäre für die vorrückenden Russen bis auf weiteres erstmal Schluss.

Die Regierung in Kiew soll also ohne akute Not dazu gezwungen werden, Territorium, das sie seit fast vier Jahren erfolgreich verteidigt, kampflos abzugeben, die dort noch lebende Bevölkerung der brutalen russischen Besatzung auszuliefern und die schon jetzt unter der Besatzung leidenden Menschen in von Russland eroberten Gebieten im Stich zu lassen.

Auch andere Forderungen haben es in sich: Der Verzicht auf unterstützende westliche Truppen, auf westliche Langstreckenwaffen, die tief nach Russland hineinwirken können, und die Halbierung der Armeegröße auf eine Rumpf-Truppe von 400.000 Mann. All das zielt auf denselben Effekt ab: Es soll die Ukraine wehrlos machen.

Die Ukraine soll hilflos dastehen

Russlands Diktator Wladimir Putin könnte dann jederzeit die Vereinbarung in die Tonne treten und seine Truppen wieder aufmarschieren lassen. Exakt so, wie es schon 2014/2015 nach Unterzeichnung der Minsker Abkommen geschah. Da war die Tinte auf den Verträgen kaum trocken, als russische Soldaten im Donbass das nächste Dorf überrannten. Damals konnten sich die Ukrainer wehren und jeden Meter ukrainischen Bodens musste sich die Kreml-Armee teuer erkämpfen. Mit halbierter Armee und ohne westliche Hilfe stünde die Ukraine entblößt da, der Durchmarsch bis Kiew wäre ein Leichtes.

Die vorgeschlagene Einführung von Russisch als Amtssprache in der Ukraine soll schließlich den Zusammenhalt und den Nationalstolz der Bevölkerung brechen. Es wäre eine tägliche Unterwerfung unter Moskaus Behauptung, die Ukraine sei qua Geschichte noch immer ein Teil Russlands. Es ist eine Überzeugung, die von einem großen Teil des russischen Volkes geteilt wird. Das gilt auch für die Behauptung, dass jeder Flecken Erde, auf dem auch nur eine Minderheit Russisch spricht, zum russischen Imperium oder mindestens zum Einflussbereich gehört.

Kapitulation, nichts anderes fordert der nun lancierte Ukraine-Plan Trumps von den Menschen, die seit bald vier Jahren ihr Land und ihre Lieben gegen eine kriegsverbrecherische, unbarmherzige, Gräueltaten begehende Kreml-Armee verteidigen. Ernsthaft über die Annahme auch nur von Teilen dieses Plans nachzudenken, lohnt sich nicht eine Sekunde lang.

Was aber zu einer Gefahr für die Ukraine werden könnte: Auch wenn die Trump-Regierung die Unterstützung mit amerikanischen Waffen bereits vor längerer Zeit auf null gefahren hat, ist die ukrainische Armee auf die Hilfe aus Washington angewiesen– auf die satellitengestützte Kommunikation und Geheimdienstinformationen.

Ohne US-Daten annährend blind

Im Zuge der Kernschmelze im Oval Office, als Trump und sein Vize JD Vance den ukrainischen Präsidenten düpierten und hinauswarfen, stoppten die USA nur für kurze Zeit ihre Dienste für die Truppen an der Front. Im Kampf um Kursk machte sich das bald bemerkbar: Die Ukrainer agierten ohne Aufklärung des Gegners annähernd blind und waren unfähig, sich abzustimmen. Es gelang den russischen Truppen deutlich besser als zuvor, sie zurückzudrängen. Parallel dazu nahmen die erfolgreichen Angriffe mit Himars-Raketen auf russische Ziele nahe der Frontlinie ab. Auch hier fehlte die Aufklärung.

Derzeit braucht Kiews Armee die US-amerikanischen Daten auch für erfolgreiche Drohnen-Attacken gegen russische Kriegs- und Versorgungs-Infrastruktur. In diesem Bereich kann die Ukraine, anders als an der Front, weiterhin Erfolge verbuchen und Russland mit Blick auf Treibstoffvorräte unter Druck setzen. Ohne die Lagebilder des US-Geheimdienstes wäre das nach Einschätzung von Militärexperten unmöglich.

Das ist nun Selenskyjs Dilemma, und allein wird er das wohl nicht lösen können. Es ist jetzt an der Zeit für die europäischen Verbündeten, eindringliche Worte an Trump zu richten. Dass der Präsident in all seinem Wankelmut auch mal im positiven Sinne unberechenbar sein kann, hat er schon mehrfach gezeigt. Und immerhin: Laut US-Außenminister Marco Rubio handelt es sich nicht um einen festen Plan, sondern lediglich um eine "Liste möglicher Ideen". Gibt es also noch Verhandlungsspielraum?

Diese Chance dürfen die Europäer, allen voran der deutsche Kanzler Friedrich Merz, nicht verstreichen lassen. Womöglich lässt sich nur so die Niederlage des ukrainischen Freiheitskampfes abwenden.

Quelle: ntv.de

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