Schröder, Krenz, Chrupalla Das Trio infernale der pro-russischen Politik


Krenz (l.) und Schröder kennen sich noch von 1980, als der eine FDJ-Chef war und der andere Juso-Vorsitzender.
(Foto: imago/Klaus Rose)
In der russischen Botschaft trafen sich Putin-Jünger von weit links und weit rechts mit dem irrlichternden Gerhard Schröder und taten so, als habe es den Überfall auf die Ukraine nie gegeben. Der Ex-Kanzler ist endgültig zu einer tragischen Figur geworden. Wie kann ein Mensch sich nur so verrennen?
"Das Tragische an seinem Leben: Die NATO nutzte seine Politik eiskalt aus. Sie zog ihn über den Tisch, mit dem Resultat, dass ihre Truppen heutzutage annähernd dort stehen, wo sie sich befanden, als der Große Vaterländische Krieg begann." Wer hat das über Michail Gorbatschow gesagt? Putin? Einer seiner Propagandisten? Nein, es war Egon Krenz, Nachfolger von Erich Honecker im "ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden" und zu sechseinhalb Jahren Gefängnis wegen der Toten an der Mauer verurteilter Straftäter.

Zwei ehemalige Regierungschefs beim Zwiegespräch: Schröder und Krenz im März bei der Trauerfeier für den ehemaligen DDR-Ministerpräsidenten Modrow.
(Foto: picture alliance/dpa)
Was der frühere SED-Bonze da zum Besten gab, passt in Putins Weltsicht vom angeblich bedrohten und von der NATO eingekreisten Russland, weshalb die Atommacht die Ukraine angegriffen hat, die so dumm war, im Vertrauen auf internationale Verträge, die der Kreml gebilligt hat, ihre eigenen Nuklearwaffen abzugeben. Auch die DDR war übrigens Mitglied der Vereinten Nationen und erkannte damit die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" an, in der es heißt: "Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren." Das SED-Politbüro, dem Krenz angehörte, ließ auf Leute schießen, die dieses Menschenrecht für sich in Anspruch nahmen.
Rein gut, raus schlecht
Vor vier Jahren lobte der frühere SED-Generalsekretär im "Spiegel" Ex-Kanzlerin Angela Merkel für ihre Politik der offenen Grenzen. "Die Entscheidung, die Flüchtlinge einreisen zu lassen, hätte ich genauso getroffen. Weil das eine humanitäre Entscheidung war." Auf den Widerspruch zum DDR-Grenzregime angesprochen, sagte er: "Das ist eine ganz andere Sache." Womit er formal recht hat: Die einen wollten raus, die anderen wollten (und wollen) rein. So einfach kann man es sich machen, wenn man tickt wie Krenz und sich auf den Humanismus beruft, den man als Politiker nur denen zugestand, die wie er selbst dem Regime treu folgten.
Die Einführung der D-Mark 1948 in den westlichen Besatzungszonen betrachtet Honeckers Nachfolger nicht als Grundstein zur Einführung einer immer noch ziemlich sozialen Marktwirtschaft. Sondern: Sie "markierte das Datum der eigentlichen Spaltung Deutschlands und seiner Hauptstadt Berlin. 1961 wurde durch die Warschauer Vertragsstaaten lediglich befestigt, wofür die Westmächte 1948 den Grundstein gelegt hatten."
Wie die AfD ignoriert Krenz die eigene Widersprüchlichkeit
Mit anderen Worten: Der Westen hat die Mauer im Geiste gebaut, die SED das Werk nur materiell vollendet. Das heißt ja dann auch: Er und seine Spießgesellen waschen ihre Hände in Unschuld. Das Berliner Landgericht, dann der Bundesgerichtshof sowie zuletzt das Bundesverfassungsgericht, das seine Verurteilung als rechtlich einwandfrei bestätigte, lagen demnach daneben. So kann man sein eigenes Versagen zurechtbiegen. Es jedenfalls versuchen, um morgens in den Spiegel schauen zu können.
Dass Krenz seine Version der Geschichte verbreiten darf, liegt daran, dass er seit drei Jahrzehnten in einer Demokratie lebt. Nun kann der Einheitsparteisoldat, der sein ganzes DDR-Leben einem Unrechtssystem samt Propaganda und gleichgeschalteten Medien widmete, ungestraft vom "Versagen der etablierten Parteien" reden und von Leuten berichten, die ihm erzählten, die AfD nur aus Protest zu wählen, obwohl sie gar nicht wüssten, was die Partei wolle. Denen rät der spürbar Gekränkte: "Keine Kränkung kann rechtfertigen, Nazis und Neonazis zu wählen."
Aber mit bekannten AfD-Vertretern in der russischen Botschaft den diplomatischen Dienern eines skrupellosen Kriegsherrn huldigen - das passt sehr wohl zur Welt des Egon Krenz. Dort, in der russischen Vertretung Unter den Linden in Berlin, war endlich zusammengekommen, was in seiner Russland-Verklärung und seiner USA- und NATO-Verachtung zusammengehört. Zumal AfD-Politiker genau wie Krenz die Kunst beherrschen, die eigene Widersprüchlichkeit zu ignorieren. Die Alternative für Deutschland ist ja bekannt für Mitglieder und Anhänger, die die Bundesrepublik am Rande oder schon in der Diktatur wähnen, von gleichgeschalteten Medien reden, aber zugleich einem Diktator huldigen, der die Medien tatsächlich gleichgeschaltet und jede noch so winzige oppositionelle Stimme zum Schweigen oder gleich in den Knast gebracht hat.
Tiefer kann man nicht mehr sinken
Den Beitrag der Sowjetunion zum Sieg der Alliierten über Hitler-Deutschland, der übrigens ohne die gigantischen Lieferungen an Waffen, Rohstoffen und Lebensmitteln aus den USA nicht möglich gewesen wäre, sei bis vor Kurzem ein Gedenktag gewesen, "an dem deutsche Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien selbstverständlich teilnahmen", sagte AfD-Co-Chef Timo Chrupalla, als hätte Russland die Ukraine nie überfallen, was diese Selbstverständlichkeit zunichte gemacht hat. "Diesen Dialog sollte man in Krisenzeiten nicht abreißen lassen." Aussöhnung sei gerade an solchen historisch bedeutsamen Tagen wichtig. "Dabei war es mir wichtig, die deutsche Sicht auf Geschichte und Gegenwart selbstbewusst darzulegen."
Dialog? Gerne. Das setzt allerdings Bereitschaft der Russen zu Gesprächen statt Bombenterror und Verschleppung Zehntausender Menschen voraus. Putin lässt nichts, aber auch gar nichts erkennen, dass er den Krieg beenden will. Aussöhnung? Da soll Chrupalla einmal mit Ukrainern darüber reden, was die zum jetzigen Zeitpunkt davon halten. Die Sichtweise der AfD "auf Geschichte und Gegenwart" ist bekannt durch die "Fliegenschiss"-Äußerung von Alexander Gauland, der ebenfalls beim Empfang in der russischen Botschaft war. Chrupallas Formulierung, er wolle "die deutsche Sicht" auf das Früher und das Heute erklären, zeigt, dass auch der AfD-Chef zu Selbstüberschätzung neigt. Er kann maximal die Interpretation seiner Partei - Amerika (bis auf Trump) schlecht, Russland gut - verkünden, aber mit Sicherheit nicht die (!) deutsche Sicht, die es zum Glück nicht gibt, so sehr sich ein Teil der AfD "die Deutschen" auch als homogene Masse wünscht.
Der - neben Krenz - zweite ehemalige Regierungschef eines Landes bei dem Treffen in der Botschaft war Gerhard Schröder, bei dem man sich nur noch fragt: Wie ignorant muss man sein, die Verbrechen Russlands und des mit internationalem Haftbefehl gesuchten Kreml-Chefs zu übersehen? Schröder, der alles andere als ein schlechter Bundeskanzler war, ist damit endgültig zu einer tragischen Figur geworden, der einem fast leidtun muss. Wie kann ein Mensch sich nur so verrennen? Nun bildet Schröder mit Krenz und Chrupalla das Trio infernale der pro-russischen Politik. Tiefer kann man nicht mehr sinken.
Quelle: ntv.de