
Putin hat Russland rassistisch und faschistisch aufgeladen.
(Foto: AP)
In diesem Krieg hat das Böse einen Namen: Putin. Das macht die Zuordnung der Schuld einfacher, nicht aber den Weg zum Ende dieses Krieges.
Die Welt wird immer komplizierter, so hieß es oft im Lauf der letzten dreißig Jahre, seit dem Fall der Mauer. Und das stimmte: Die Krisen seither hatten längst nicht nur einen Auslöser, einen Grund oder einen "Schuldigen". Wer oder was allein hatte die Finanzkrise 2008 auf dem Gewissen, die des Euro oder die Flüchtlingswelle 2015/16? Die Zusammenhänge waren viel zu komplex, als dass es darauf eine klare und vernünftige Antwort hätte geben können. Schwarz und Weiß gab es selten, es gab nur viele verschiedene Grautöne.
Das ist jetzt anders. Ein Jahr Krieg in der Ukraine ist auch ein Jahr der Rückkehr von "Gut und Böse". Von Schwarz und Weiß.
Das beginnt bei der Schuldfrage: Wladimir Putin hat ganz eindeutig diesen Krieg gewollt, vorbereitet und ihn vor einem Jahr begonnen. Hätte er es unterlassen, wäre es nicht dazu gekommen. Oder glaubt jemand, dass dann die Ukraine Russland angegriffen hätte?
Auch die Umstände des Krieges sind eindeutig: Putin lässt diesen Krieg nahezu hemmungslos gegen eine wehrlose Zivilbevölkerung führen, er lässt dem Hass und der Brutalität seiner Soldateska und Söldner freien Lauf. Zugleich lässt er sie zu Tausenden an der Front sinnlos sterben, als wäre ihr Leben nichts wert. Rassistisch und faschistisch lädt er ganz Russland auf, auch das ist eindeutig: Am Ende soll von der Ukraine nichts, absolut nichts übrig sein. "Es gibt keine Worte für den Schmerz und die Grausamkeit, die Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer erleben", sagt der Bundespräsident.
So mittelalterlich es also klingt: "Das Böse" hat Namen und Gesicht - Wladimir Putin.
Diese Eindeutigkeit dürfte ein wichtiger Grund sein, warum in Deutschland die Hilfsbereitschaft groß und die Unterstützung für die Ukraine weitgehend stabil geblieben ist in diesem Jahr. Die Eindeutigkeit von "Gut und Böse" hat es einer eher linken Regierung möglich gemacht, in der Not die eigenen politischen Tabus rasch zu überwinden und dem Land eine "Zeitenwende" samt militärischer Aufrüstung und drastischem Teuerungsschock zuzumuten - ohne dass sie ebenso drastisch an Gefolgschaft eingebüßt hätte. "Gut und Böse" hat Deutschland in dieser Lage zusammengehalten.
Daran kommen auch all jene nicht vorbei, die sofortige Verhandlungen mit Putin fordern - egal, was das für die Ukraine und ihre Bevölkerung bedeuten würde. Weil "Gut und Böse" so eindeutig verteilt ist, schlägt jenen so viel Kritik entgegen, die die Grenze zwischen Täter und Opfer (warum auch immer) verwischen wollen. Am Wochenende, bei der Kundgebung von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, wird beides zu beobachten sein: das böswillige oder sträfliche Verwischen von Ursache und Wirkung. Sowie die berechtigte Empörung darüber.
Wahr ist aber auch: In anderen Konflikten setzte irgendwann das Nachdenken darüber ein, wie man der einen oder beiden Kriegsparteien "vom Baum hilft". Wie man Kompromisse konstruiert, die beide Seiten "das Gesicht wahren" lassen. Wie soll das jetzt gehen? Welches Gesicht sollten die Ukrainer Putin "wahren lassen"? Auf der anderen Seite gibt es derzeit niemanden, auch in den USA nicht, der ernsthaft einen "regime change" in Moskau als Bedingung für Friedensgespräch fordert. Wenn Putin also für "das Böse" steht, dann brächte er es an den Verhandlungstisch mit - und die Ukrainer müssten bereit sein, es zu erdulden. Das wird dauern.
So zynisch es klingt: Die Rückkehr von "Gut und Böse" macht manches klarer. Den Weg zum Ende dieses Krieges aber nicht.
Quelle: ntv.de