
Lockdown: Nach wie vor der einzige Hammer, den Angela Merkel hat
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Die Kanzlerin findet nicht heraus aus der Logik einer quasi-ewigen Verlängerung des Lockdowns. Ihr fehlen die Macht und die Optionen.
Drei Wochen länger oder vier - ist das eigentlich schon egal? Gewiss nicht für alle kleinen Läden oder Restaurants, die gerade auf der Strecke bleiben. Für sie geht es um die Existenz, jeder Tag zählt. Drei Wochen länger oder vier - für die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten scheint es hingegen fast gleichgültig zu sein. Für sie galt gestern: Mitten im Lockdown ist vor der nächsten Verlängerung. "Es gibt kein milderes Mittel", sagte Angela Merkel im Bundestag. Wirklich?
Zugegeben: In Sachen Pandemie-Bekämpfung ist der Lockdown umso besser, je länger er gilt. Er ist die Nummer sicher, das schwere Kaliber, das benutzt, wer glaubt, dass es auf die Schnelle keine andere Rettung gibt. Keine andere Rettung, das ist der springende Punkt.
Bundesregierung, Bundesländer und die EU haben Deutschland gut durch die erste Corona-Welle gebracht und allen einen vergleichsweise unbeschwerten Sommer beschert. Aber sie haben es versäumt, für eine zweite Welle Vorsorge zu treffen. Altenheime, Schulen oder Gesundheitsämter und Warn-App sind eben nicht so aufgerüstet worden, wie es sich für die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt gehören würde.
Stattdessen muss die Kanzlerin die Spur, die sie von Anfang an zieht, noch tiefer ziehen. Immer tiefer. Obwohl man sich etliche Wochen lang fast ausschließlich auf die Inzidenz-Zahl von 50 konzentriert hat, taucht nun - zur Enttäuschung vieler - plötzlich ein neues Ziel auf: die Zahl von 35 Neuinfektionen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohnern. Die Bundesregierung sollte sich nicht wundern, wenn sich deswegen viele Bürger an das Rennen von Hase und Igel erinnert fühlen. Und sie sind der Hase.
Vor allem aber legt der lange, lange Lockdown offen, was in diesem Land nicht läuft, wie es laufen müsste. Das unterspült das Vertrauen in den Staat, ganz gleich, wer ihn gerade regiert in Bund oder Land. Wären wir mit dem Impfen schneller, mit dem Schutz der Altenheime weiter oder mit der Digitalisierung der Schulen und Gesundheitsämter am Ziel, dann gäbe es jetzt mehr Optionen als Angela Merkels Dauerschleife Lockdown und die zaghaften Schulöffnungen einzelner Bundesländer. Chance vertan, und so heißt es: Weiter Warten! Aber wie lange mag eine Gesellschaft auf größere Teile ihrer Freiheiten warten?
Kann sein, dass der lange Lockdown exakt jener grobe Keil ist, der auf einen groben Klotz namens Corona gehört. Wahrscheinlicher ist indes: Er ist nach wie vor der einzige Hammer, den Angela Merkel hat. Und darum sehen für sie alle Probleme im Land aus wie immergleiche Nägel.
Quelle: ntv.de