
Le Pen verbannte schrittweise die Nazi-Symbolik und schließlich sogar ihren eigenen Vater aus dem RN.
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Marine Le Pen gibt sich große Mühe, ihre rechtsextreme Partei RN massentauglich zu machen. Doch die zweite Runde der Parlamentswahlen zeigt: Die Franzosen kaufen Le Pen das gemäßigte Image nicht ab. Das liegt auch am diabolischen Ruf ihres Vaters Jean-Marie, dem Gründer des FN.
Die Entteufelung Marine Le Pens ist vorerst gescheitert. Ihre rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) belegt nach der Neuwahl in Frankreich den dritten Platz, hinter dem liberalen Lager um Präsident Emmanuel Macron und den Wahlsiegern des Linksbündnisses. Aller politischen Zerrissenheit zum Trotz: Le Pens RN gehört für die große Mehrheit der Franzosen nicht zur politischen Mitte, das haben sie beim Gang zur Wahlurne deutlich gemacht. Dabei hatte sich Le Pen solche Mühe gegeben, die Rechtsextremisten massentauglich zu machen. Vergebens. Ein Grund dafür ist Le Pens Nachname, der in Frankreich noch immer diabolische Schatten wirft.
Dieser Schatten gehört Le Pens Vater Jean-Marie. Er gründete 1972 den RN-Vorgänger Front National. Durch seinen offen zur Schau gestellten Rassismus und Antisemitismus ließ Jean-Marie Le Pen seine Partei über viele Jahre hinweg in der Fundamentalopposition dümpeln. Für viele Franzosen ist Le Pen einfach nur ein Nazi. Als seine Tochter Marine 2011 das Zepter übernahm, wollte sie das Image des RN aufpolieren. Sie verbannte schrittweise die Nazi-Symbolik und schließlich sogar ihren eigenen Vater aus der Partei.
Für die Anschlussfähigkeit ihrer Partei beschnitt Le Pen sogar ihre eigene Macht ein Stück - als sie Jordan Bardella vor zwei Jahren zum Vorsitzenden machte. Bardella verkörpert all das, was dem RN fehlt. Er ist jung, dynamisch und hat algerisch-italienische Wurzeln. Zunächst schien der Plan aufzugehen: Im jährlichen Ranking der beliebtesten Franzosen des "Journal du dimanche" lag Bardella 2023 auf Platz 30 und ist damit der beliebteste Politiker Frankreichs. Le Pen selbst präsentierte sich als Förderin dieses Einwanderer-Kindes aus armen Verhältnissen.
Jetzt zeigt sich: Die Mehrheit der Franzosen kauft Le Pen das gemäßigte Image ihrer Partei nicht ab. Der Nachname Le Pen steht noch immer für Jean-Marie, den Teufel - und seine Tochter Marine, die Teufelin.
Le Pen bleibt keine Alternative zur Opposition
Gebannt sind die rechtsradikalen Dämonen jedoch nicht. So enttäuscht Le Pen sich vom Wahlergebnis zeigt: Immerhin konnte der RN Dutzende Sitze in der Nationalversammlung dazugewinnen. Der Zuspruch in der Bevölkerung wächst. Die extreme Abneigung gegen die Le Pens unter den restlichen Franzosen führte dazu, dass sie die Wahl am Ende zu einer Abstimmung gegen den RN machten. Damit setzten sie ihre eigene Brandmauer gegen rechts - wenn auch zugunsten der Linkspopulisten von La France insoumise, einer der stärksten Parteien im Linksbündnis.
Nicht einmal Macrons Überheblichkeit und seine überhastete Entscheidung, die Nationalversammlung aufzulösen, verleitete die Mehrheit der Franzosen dazu, den RN als echte Alternative zu betrachten. Jetzt bleibt Le Pen keine Alternative zur Opposition. Der Traum von einer Regierung unter dem Regime der Rechtsradikalen ist geplatzt.
Damit wird Le Pens Weg zu ihrem obersten Ziel zur Durststrecke. Nach den Präsidentschaftswahlen 2027 will sie nämlich in den Élysée-Palast einziehen. Die Aussicht darauf hat sich nach der Neuwahl verdüstert. Unerreichbar ist die Präsidentschaft aber nicht.
Denn zur Wahrheit gehört auch: Macron konnte die absolute Mehrheit für die Rechtspopulisten nur verhindern, indem er im zweiten Wahlgang mit dem Linksbündnis zusammenarbeitete. Die linken Parteien dieses Verbunds wiederum sind nicht nur unter sich völlig zerstritten, sondern auch Gegner von Macrons Politik. Von Verteilungsfragen bis hin zu Verteidigungsstrategien - die Linken und Macrons Liberale haben in vielen Politikfeldern gegensätzliche Vorstellungen. Der einzige gemeinsame Nenner ist die Feindschaft zu Le Pen. Ob das reicht, um eine einigermaßen funktionierende Regierung auf die Beine zu stellen, ist äußerst zweifelhaft. Falls das Projekt scheitert, könnten die Rechtsextremen schon bald wieder den Teufel an die Wand malen. Dann kann Le Pen vielleicht mehr Wähler dazu verlocken, bei der Präsidentschaftswahl ihr Kreuz beim RN zu machen.
Quelle: ntv.de