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FDP-Chef hat sich verzockt Scholz zeigt Lindner, wo der Frosch die Locken hat

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Mit Schimpf und Schande jagt Olaf Scholz seinen bisherigen Finanzminister vom Hof des Bundeskanzleramts. Jenseits der persönlichen Schmähungen für Christian Lindner zeigt der Schritt vor allem: Scholz hat Lindner abgekocht, als der irrtümlich Oberwasser spürte.

Mit mehr als nur warmem Applaus wurde Olaf Scholz am späten Abend bei der Sondersitzung seiner SPD-Fraktion begrüßt. So lange litten sie dort unter dem Eindruck, der Bundesfinanzminister Christian Lindner führe den Bundeskanzler an der Nase herum. Zweifel herrschten, ob Scholz überhaupt zur Führung dieser fraglos komplizierten Dreierkoalition fähig sei. Zumindest an deren Ende hat der frühere Arbeitsrechtsanwalt, Bundestagsabgeordnete, Innensenator, SPD-Generalsekretär und Bundesfinanzminister bewiesen: Im entscheidenden Moment ist Scholz der erfahrenere, gewieftere, abgezocktere Taktiker als der nun aus der Regierung entlassene FDP-Vorsitzende Lindner. Und der hält in dieser Hinsicht - nicht zu Unrecht - ja einiges von sich.

Als Christian Lindner Ende der vergangenen Woche einen 18-seitigen Forderungskatalog öffentlich werden ließ, war das die Bestätigung langgehegter Spekulationen: Die FDP legt es auf einen Rauswurf aus der Ampelkoalition an. In Summe waren die Vorschläge Lindners ja nicht weniger als das Testat, dass er die Wirtschafts-, Haushalts-, Sozial- und Umweltpolitik von SPD und Grünen als grundfalsch erachtete. Er konnte nicht ernsthaft erwarten, dass sich seine Koalitionspartner dieser Einschätzung anschließen und der "Wirtschaftswende" der FDP jubelnd folgen würden.

Warum also dieser Schritt? Zum einen sicherlich, weil Lindner tatsächlich andere Lösungsansätze für die deutschen Wirtschaftsprobleme für geboten hält. Zum anderen, weil seiner Partei nach drei Jahren Ampel sehr konkret der erneute Rauswurf aus dem Bundestag droht, nach etlichen Pleiten bei den vorangegangenen Landtagswahlen. Das Trauma der FDP nach ihrem Wahldebakel 2013 sollte niemand unterschätzen. Auch und gerade nicht im Fall von Christian Lindner.

Lindner läuft in die Falle

Scholz hat erkannt, dass es Lindner diesmal tatsächlich auf ein Ende anlegt und er nicht nur blufft. Und anders als Lindner hat er Vorgehen und Kommunikation dieses Bruchs durchdacht und vorbereitet. Dankbar für Scholz: Lindner überließ mit seinem Forderungskatalog dem Kanzler auch das Heft des Handelns. Der ließ - im Gleichklang mit Robert Habeck - keine Gelegenheit aus, um an die gemeinsame Regierungsverantwortung in unsicheren Zeiten zu erinnern. Ein Wahlsieg von Donald Trump war im politischen Berlin als Ereignis gedeutet worden, das die Ampel zum Zusammenrücken zwingen würde. Vermutlich hatte auch die FDP eher mit einem Entgegenkommen der Koalitionspartner gerechnet nach dem deutlichen Trump-Sieg.

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Scholz aber erinnerte sich der Zusicherung der FDP aus dem vergangenen Jahr, dass ein Aussetzen der Schuldenbremse in einer Notlage mit ihr zu machen sei. Was sonst wäre eine Notlage, wenn nicht ein immer weiter nach Westen vorrückendes Russland, während ein unberechenbarer Isolationist namens Trump das Weiße Haus erobert? Doch Lindner lehnte im entscheidenden Treffen des Koalitionsausschusses ab - ohne zu sagen, wie Deutschland sonst mehr Ukraine-Hilfen sowie Entlastungen der Wirtschaft unter Einhaltung der Schuldenbremse finanzieren soll. Und damit kehrte Scholz den Spieß erfolgreich um: Lindner wollte das Aus mit einer verantwortungslosen Wirtschaftspolitik von SPD und Grünen rechtfertigen. Jetzt hat er seinen Koalitionsbruch - und muss sich der Verantwortungslosigkeit bei der Wahrung des Friedens in Europa bezichtigen lassen.

Scholz und Habeck haben sich früh entschieden, Lindner und die FDP nicht erhobenen Hauptes gehen zu lassen. Tagelang appellierten sie an die staatspolitische Verantwortung aller - und bestanden im entscheidenden Moment unerwartet deutlich auf eine Aussetzung der Schuldenbremse. Lindner ging ihnen in die Falle: Scholz griff zur vorbereiteten Rede und schmähte Lindner vor der Weltpresse als verantwortungslosen, egoistischen, berechnenden Trickser ohne Ehrgefühl und Anstand. Der sonst so eloquente Lindner hatte derweil bei seinem Auftritt keine vergleichbaren Anwürfe parat, nur den Verweis auf sein nicht angenommenes Wirtschaftspapier. Doch es gibt kein Später. Der historische Abend des Ampel-Endes ist vorüber. Der FDP-Chef war übertölpelt, auf dieses Szenario nicht vorbereitet. Lindner hat Scholz nicht kommen sehen - und tritt gedemütigt ab.

Quelle: ntv.de

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