
Es ist ihr heiliger Ernst, das muss man ernst nehmen: Barrikade in Lützerath.
(Foto: dpa)
Die Protestierer von Lützerath akzeptieren keine Kompromisse. Sie stemmen sich gegen einen Staat, der das nicht hinnehmen kann.
Polizei und Aktivisten liefern sich in Lützerath ein verbissenes Ringen: sehr körperlich, aber auch politisch hoch symbolisch. Die Klima-Aktivisten kämpfen an der Abbruchkante des Kohletagebaus, als ginge es um alles oder nichts. Der Politik hingegen geht es ums Prinzip, und das muss es auch. Lützerath wird nicht nur eine Zerreißprobe für die Grünen, deren gewählte Vertreter den Abriss mit beschlossen haben - und deren Anhänger dagegen mobil machen.
Der Abriss des längst verlassenen Dorfes ist Teil eines Kompromisses: Der Stromkonzern RWE beendet schon 2030 statt 2038 die Kohleverstromung und fördert insgesamt rund 280 Millionen Tonnen klimaschädlich Kohle weniger als ursprünglich geplant. Dafür soll Lützerath fallen, die Kohle darunter abgebaggert und verstromt werden. Alle Genehmigungen sind erteilt und gerichtlich geprüft. Egal, sagen die Klimakämpfer. Wir sind das Recht. Nur alles ist genug.
Und es ist ihr heiliger Ernst, das muss man ernst nehmen. Auch wenn man die mögliche Überschreitung von globalen Klimazielen nicht auf einen einzelnen Tagebau in NRW herunterrechnen kann: Wer jede Tonne Kohle an sich schon für den direkten Weg in den Klimatod hält, kann sich mit keinem politischen Kompromiss abfinden. Er kann mit nichts anderem zufrieden sein als mit dem sofortigen Ende von Kohleabbau und -verstromung. Dafür gibt es aber aus vielen guten Gründen keine Mehrheit, weshalb sich keine gewählte Regierung darauf einlassen könnte. Sie muss die Polizei schicken. Sie muss sich durchsetzen. Es ist die hässliche Logik einer Eskalation, die die Fronten immer weiter verhärtet.
Aber darum geht es auch den Protestierenden: Sie haben aus dem Ort und dem angrenzenden Waldstück eine Art Wehrdorf gemacht, mit Gräben, Barrikaden und einbetonierten Hindernissen aus Stahl. Rein friedlicher Protest oder rein friedliche Räumung kann das am Ende nicht werden, und das soll es auch nicht: Der Staat soll seine hässliche Fratze zeigen, wenn schwarz gepanzerte Polizisten bunt oder weiß gekleidete Frauen und junge Leute aus dem Sperrgebiet zerren oder aus ihren Baumhäusern holen. Der Staat soll sich durch die Wahl seiner Mittel unmöglich machen und unter dem entstehenden Gegendruck einlenken. Das ist der Plan, das ist das Ziel. Denn die Protestierer missachten oder verachten diesen Staat, der ihnen ihre Zukunft (vermeintlich) verbaut. Sie leben in einer Parallelwelt, das ist geradezu tragisch. Zornig hingegen macht, dass wieder einmal schlecht bezahlte Polizisten das unnötig heraufbeschworene Aktivisten-Schauspiel ausbaden müssen.
Quelle: ntv.de