Person der Woche Mark Zuckerberg vernichtet über 1,5 Milliarden Dollar - jeden Tag
21.10.2022, 13:50 Uhr (aktualisiert)
Vor einem Jahr setzt Mark Zuckerberg alles auf eine Karte: Aus dem Unternehmen Facebook wird Meta. Im Zentrum des Geschäfts soll künftig das virtuelle Metaversum stehen. Kritiker bezweifeln von Beginn an den Nutzen der Idee. Nach einem Jahr ist die Bilanz ernüchternd.
Facebook war ein globaler Erfolgskonzern des Internet-Zeitalters. Doch seit genau einem Jahr bröckelt die digitale Weltmacht nicht bloß, sie fällt regelrecht in sich zusammen. Konzernlenker Zuckerberg setzt seit Oktober 2021 alles auf die fixe Idee einer virtuellen Metawelt - und vernichtet damit Milliarde um Milliarde. Die Börse, die digitale Szene und selbst Mitarbeiter bei Meta zweifeln an der riskantesten Konzernvision aller Zeiten.
Es ist genau ein Jahr her, dass der Konzerngründer und Vorstandsvorsitzende Mark Zuckerberg der verblüfften Weltöffentlichkeit erklärte, der Konzern Facebook werde ab sofort in Meta umbenannt und starte ein völlig neues Geschäft. Künftig stünden nicht mehr soziale Netzwerke im Zentrum, sondern die Entwicklung eines revolutionären "Metaversums" - eine virtuelle Kunstwelt der Zukunft.
Als Zuckerberg die spektakuläre Wende vollzog, war sein Konzern an der Börse kurz zuvor mit der sagenhaften Summe von einer Billion Dollar bewertet worden - eine Marktkapitalisierung der Superlative, die dem historischen Erfolg von Facebook, Instagram und Whatsapp Rechnung trug. Heute, ein Jahr nach der Mega-Meta-Wende, ist das Unternehmen nur noch 360 Milliarden Dollar wert. Zum Vergleich: Während der Börsenwert von Meta in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 60 Prozent schrumpfte, verlor der Nasdaq-100-Index, der die Kursentwicklung großer Technologiekonzerne widerspiegelt, nur etwa ein Drittel seines Wertes.
Der Wandel von Facebook zu Meta hat eine der größten Kapitalvernichtungen aller Zeiten ausgelöst. Zuckerbergs Unternehmen verliert seit September 2021 jeden Tag 1,5 Milliarden Dollar an Börsenwert.
"Nichts für ein Billionen-Unternehmen"
In der digitalen Szene halten einige Meta schon jetzt für den größten Flop der Internet-Geschichte. Andere glauben hingegen an die Vision Zuckerbergs, dass dessen virtuelle Welt als 3D-Internet die Zukunft völlig neu definieren könne. Zuckerberg eröffne uns allen die Welt der Avatare und werde ein neues Milliardengeschäft aufbauen. Die einen lästern inzwischen über Zuckerberg als Größenwahnsinnigen, der nach dem gewaltigen Erfolg von Facebook nun gleich eine ganze Welt neu erfinden wolle. Andere verteidigen seine Innovationslust, mit Metaverse werde die Technologie virtueller Interaktion in spektakuläre Dimensionen gehoben.
Bislang macht das Multi-Milliarden-Metaverse freilich eher Schlagzeilen mit lächerlich niedrigen Nutzerzahlen und einer altmodischen, rudimentären Grafik, die zuweilen gar ohne Beine der Avatare daherstolziere. Metaverse sei wie das Projekt "Second Life" zum Scheitern verurteilt, weil es den Menschen keinen evidenten Nutzen liefere, man obendrein aber noch VR-Brillen dazu brauche.
Nun hat Zuckerberg ein 1500-Dollar-Headset "Oculus Pro" präsentiert, das man als Einstiegsbrille ins Metaversum kaufen solle. Prompt hagelt es neue Kritik: "Das Gerät kostet damit so viel wie eine PS5, Xbox Series X und Quest 2 zusammen!", schimpft das Magazin "Forbes" und urteilt scharf: "Wenn die wichtigste Ankündigung darin besteht, dass man nach jahrelangen Investitionen kurz davorsteht, virtuelle Charaktere mit Beinen auf den Markt zu bringen, ist etwas schiefgelaufen. Das ganze Problem mit Mark Zuckerbergs Faszination für das Metaversum besteht darin, dass er versucht, eine Science-Fiction-Realität zu erzwingen, lange bevor der Rest der Gesellschaft sie tatsächlich haben will oder braucht. Seine Version eines AR/VR-basierten Metaversums bleibt eine Nische, nicht etwas, um das sich ein Billionen-Dollar-Unternehmen kümmern sollte."
Keine Killer-Applikation
Auch das "Wall Street Journal" wittert einen spektakulären Fehlschlag des einstigen Wunderkindes der digitalen Ära. Zuckerberg erreiche mit Metaverse nicht einmal die kleinsten Ziele. Nur wenige Tausend Nutzer locke die Multimilliarden-Plattform bislang. Und die meisten würden laut internen Dokumenten, die dem "Wall Street Journal" vorliegen, nach einem Monat nicht wiederkehren. Seit dem Frühjahr sei die Nutzerzahl sogar gesunken. Das Hauptproblem von Metaverse ist offenbar, dass es eine Lösung anbietet für Probleme, die es gar nicht gibt. Es fehlt das zwingende Nutzen- oder Unterhaltungselement, die Killer-Applikation.
Analysten sehen das größte Potenzial von Metaverse im stark wachsenden Gaming-Markt. Es könnte ein neuer Ort werden, um interessante, VR-basierte Videospiele zu spielen. Doch tatsächlich ist die Spieleindustrie selbst schon viel weiter und bringt jede Woche neue, fesselnde Produkte auf den Markt, bindet riesige Online-Communities mit beeindruckenden Optiken und Funktionalitäten, von denen Meta noch weit entfernt ist. Die Spieleindustrie ist nach eigenen Erfahrungen eher skeptisch, ob VR nach den Konsolen und dem PC wirklich die Zukunft wird - und falls doch, brauche es dazu kein eigenes Metaverse.
Und auch die zweite von Zuckerberg gerne angepriesene Anwendung - die Bürokommunikation - überzeugt bislang nicht. Zwar gewinnt Zuckerberg andere Avantgarde-Konzerne wie Accenture oder Microsoft zu Partnern und plaudert gerne über die "aufregende" Integration von Microsoft Office oder Teams in Metaverse. Doch auch dort versucht Meta eigentlich nur, eine Zoom- oder Teams-Konferenz zum 3D-Erlebnis mit Avataren werden zu lassen. Der Aufwand ist groß, der Vorteil aber nicht ersichtlich. Wieso sollte man direkte Kommunikation unter Menschen, wenn sie schon digital erfolgen muss, auch noch weiter mit Kunstfiguren virtualisieren?
Tiktok jagt Facebook Marktanteile ab
Bislang ist Metaverse noch im Prototyp-Stadium und enttäuscht Monat für Monat die Tech-Szene neu, die Börsenanalysten entsetzt das Projekt sogar. Denn wie man mit Metaverse jemals Geld verdienen kann, bleibt völlig diffus. Und so verbrennt der Gründer von Facebook Milliarden - Zuckerberg hat auch sein privates Vermögen durch das Meta-Abenteuer mehr als halbiert. Er rangiert plötzlich nicht einmal mehr unter den 20 reichsten Milliardären.
Im Konzern greift nun die Sorge um sich, dass der Meta-Flop auch das Kerngeschäft negativ belastet. Tatsächlich bricht nicht nur der Aktienkurs immer weiter ein. Da die Gewinne aus dem Social-Media-Geschäft nicht reinvestiert werden, verliert Facebook Marktanteile und wirkt zusehends älter. Konkurrenten wie Tiktok sind erfolgreicher.
Ein Sparprogramm soll nun die schlechter werdenden Bilanzzahlen retten. Die Kosten sollen in den kommenden Monaten um mindestens zehn Prozent sinken, Personalabbau ist erstmals ein Thema geworden. Ende Juli musste Meta sogar den ersten Umsatzrückgang seit seinem Börsengang verkünden, zudem schrumpfende Nutzerzahlen. Das Werbegeschäft schwächelt, die Gewinnmarge schrumpft. Während also das erfolgsverwöhnte Altgeschäft schwächelt, wagt der Chef das größte denkbare Abenteuer und lässt sich das täglich 1,5 Milliarden Dollar kosten.
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 18. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de