Wieduwilts Woche

Wieduwilts Woche Der witzigste Typ im Bundestag trägt Krone

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König Charles III. ist in Deutschland und hält amüsante Reden, spricht über die verbindende Kraft des Humors. Was die Frage aufwirft: Warum ist deutsche Politik eigentlich so unlustig geworden?

Eine gute Rede beginnt mit einem Witz, das wissen die Briten besser als alle anderen, daher ist es nicht so schrecklich überraschend, dass auch König Charles III. bei seinen Auftritten in Deutschland die eine oder andere royale, zarte Pointe unterbrachte. Doch er sprach auch über Humor und seine völkerverbindende Bedeutung: "Der deutsche Comedy-Botschafter Henning Wehn hat uns in Großbritannien die deutschen Eigenheiten nähergebracht, so wie Monty Python die unseren hierher gebracht hat. Wie bei allen alten Freunden erlaubt die Wärme unserer Beziehung in manchen Momenten ein kleines Lächeln auf Kosten des anderen."

Hat vorher schon einmal jemand im Bundestag über Comedians gesprochen? Überhaupt, wo und warum ist der deutschen Politik eigentlich der Humor verlustig gegangen? Die Deutschen lieben die Trennung von Ernst und Unterhaltung, doch früher war durchaus mehr Witz in der Bundespolitik.

Norbert Lammert fehlt

Vorbei sind die Zeiten, als der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert von der CDU und der Linke Gregor Gysi sich über den tiefen politischen Graben hinweg mit kleinen Spitzen traktierten. Lammert, von Wolf Biermann als "Ironiker" tituliert, bekam bei Amtsende sogar eine ganze Sammlung seiner besten Sprüche spendiert.

Und die Bonner Republik erst! Vielleicht um der Öffentlichkeit zu versichern, dass Deutschland kein gruseliger Nachbar mehr ist, wurde gelacht und gezotet, als wäre der Bundestag das Hauptamt fürs Derblecken: Die Mockumentary "Das große Palaver" kommt auf beachtliche zwei Stunden Material.

Heute leben wir in der unwitzigen Republik Deutschland. Es wird schon noch gelacht, etwa, wenn die ernsten Damen und Herren im Bundestag auf offener Bühne kleine Überforderungen offenbaren. Kürzlich vergaß etwa der Bundeskanzler in seiner Rede, die Bundestagspräsidentin zu begrüßen. Bärbel Bas forderte das dann höflich, aber bestimmt ein. Es war ein heiterer, vor allem aber schöner Moment: Eine vergessene Formalität, der mächtigste Mann Deutschlands bekommt eine sanfte Ermahnung der Frau, die protokollarisch das zweithöchste Amt des Staates bekleidet. Alles gesittet, harmlos und entspannt. Aber so richtig lustig?

Humor ist eine politische Waffe

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Henning Wehn, Monty Python, Dinner for One: König Charles III. spricht im Bundestag auch über Humor.

(Foto: IMAGO/photothek)

Humor ist an sich ein kommunikativer Akt. Das gemeinsame Lachen lässt sich sogar im Tierreich finden, wer gemeinsam lacht, bildet zumindest für einen kurzen Moment eine Gemeinschaft - der Witz überbrückt die Unstimmigkeiten des Lebens, er entspannt. Doch das Lachen ist nicht nur Reflex, sondern auch eine politische Waffe. Das Lachen im Bundestag etwa ist ritualisiert und Teil der politischen Inszenierung: Die Volksvertreter lachen auch deshalb, weil sie wissen, dass der stenografische Dienst sofort penibel "Heiterkeit im ganzen Hause" notiert oder eben "Lachen bei den Abgeordneten der SPD". Das geht bis hin zur induzierten Heiterkeit, wie die "Zeitschrift für Parlamentsfragen" einmal ausführte - also wenn man etwa andere verspottet, wie der berühmte Herbert Wehner, als er Jürgen Wohlrabe eine "Übelkrähe" nannte.

Nun dient Politik nicht der Unterhaltung, hier werden harte Machtfragen entschieden. Die jüngere Weltgeschichte zeigt auf geradezu verblüffende Weise, wie effektiv Humor als Machtinstrument ist. Er prägte diverse glanzvolle Politikkarrieren: Der frühere US-Präsident Barack Obama konnte wie kaum ein zweiter eine Menge zum Lachen bringen, wie zuvor vielleicht nur Ronald Reagan. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson machte sich sogar körperlich zum Kasper.

Für den Zusammenhang von Popularität und Humor gibt es handfeste Belege, vor allem dank sozialer Medien. Forscher haben etwa in einer Studie untersucht, wie Indiens Premierminister Narendra Modi seinen Imagewechsel durch lustige Tweets beförderte. Taiwan bekämpfte mit Witzen Desinformation in der Corona-Pandemie, damit Richtigstellungen viral gingen wie Verschwörungstheorien. Es ist eine "Humour over Rumour"-Strategie.

Witze in Krieg und Pandemie

Selbst im Krieg gegen die Ukraine zeigt sich die Macht des Humors. Das ukrainische Militär feuert pausenlos organisiert Memes, Pointen und Spottvideos in die Öffentlichkeit und hält auch dadurch die Moral des eigenen Militärs stabil. Es ist ein schwarzer Humor, den auch die israelische Armee in sozialen Medien verwendet.

Gibt es zwischen dem ukrainischen und israelischen Humor einen Zusammenhang? Zufällig konnte ich genau das gerade den israelischen Botschafter Ron Prosor fragen. Er ist in Diplomatenkreisen berühmt für seine Auftritte, sei es als Teilnehmer der Ice Bucket Challenge, bei einer beißend sarkastischen "Oskar-Verleihung" an Iran und andere Staaten in der UN-Generalversammlung oder wenn er eine Rede mit einem Shakira-Song beendet, ganz leicht singend.

Auf meine Frage, ob er eine kulturelle Verbindung sehe zwischen den Witzen der Ukraine und denen Israels, verwies Prosor auf den jüdischen Humor, vor allem aber auf die Biografie des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der im früheren Leben professioneller Comedian war.

Haben wir humorvolle Politiker?

Schade: Einen Selenskyj haben wir wohl derzeit nicht. Welcher aktive Politiker in Deutschland verfügt noch über Witz? Ich habe alle meine wissenschaftlichen Methodikkenntnisse heraufbeschworen - und Twitter befragt.

Besonders oft wurde die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann genannt. Sie hat sich für diese Nominierung vor allem durch ihre Karnevalsrede über Friedrich Merz beworben. Die meisten Lacher im Deutschen Bundestag erntete 2019 übrigens einer, der ganz allgemein kein Blatt vor den Mund nimmt: Der lustigste Abgeordnete ist Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, auch FDP. Aber damals war ja auch noch kein König im Haus.

Die CDU hat in dieser Hinsicht kein Personal mehr vorzuweisen, in der CSU kann sich immerhin Markus Söder passabel verkleiden (lassen). Cem Özdemir von den Grünen, jetzt Bundeslandwirtschaftsminister, kann gut auf Twitter kontern, immerhin. Die SPD? Hat Kevin Kühnert und Karl Lauterbach: Der ist wirklich ein Stand-up-Comedian.

Unterm Strich also eine traurige Gruppe, im historischen und globalen Kontext. Wir sind wohl ganz schön verkniffen geworden.

Außer natürlich morgen: Am 1. April ist amtlich Witzezeit.

Quelle: ntv.de

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