Von urloup und Cook Die Geschichte der Pauschalreise
05.07.2006, 09:10 UhrJetzt gibt es sie wieder, die boshaften Bemerkungen über Pauschalurlauber. Gezischte Kommentare, wenn sich zum Ferienbeginn am Flughafenschalter Menschentrauben hinter dem Fähnchen eines Reiseveranstalters versammeln.
"Neckermänner" hießen sie in den 70er Jahren abschätzig, "Ballermänner" heißen sie heute. Dabei ist Pauschalurlaub keine Erfindung der Moderne. Thomas Cook, findiger Tourismus-Pionier, organisierte im Juli 1841 die erste Eisenbahnreise für 570 erlebnishungrige Engländer. Vor 165 Jahren gab es Schinkenbrote, Tee, Blasmusik und Vorträge über die Übel des Rauchens und Trinkens. Heute würde das vielleicht Wellness heißen.
Ursprung urloup
Die Pauschalreise hat den Berliner Urlaubs-Forscher Hasso Spode schon immer fasziniert. Der Dozent am Tourismus-Institut der Freien Universität hat ein Buch über die Geschichte des Verreisens geschrieben und eine Aufsatzsammlung mit dem Titel "Gebuchte Gefühle" mit herausgegeben. Wenn es um Urlaub geht, kann Spode weit zurückgreifen. Das Wort hat seinen Ursprung im mittelhochdeutschen "urloup". "Das bedeutet Erlaubnis", erläutert Spode. Urloup hieß, sich im Obrigkeitsstaat vom Hof eines Herrschers oder von der Truppe entfernen zu dürfen. Mit einer Vergnügungsreise hatte es nichts zu tun. Es ging um dringende Geschäfte oder Privatangelegenheiten.
Das Erlaubnis-Gebot betraf noch den Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). Der weilte allerdings in Italien, ohne seinen Fürsten gefragt zu haben. "Aus Angst hat er sich ein Pseudonym zugelegt", ergänzt Spode. Doch Goethe war kein Pauschal-, sondern ein typischer Bildungsreisender. Zu seinen Lebzeiten entstand das Wort Tourismus. Es kommt vom französischen "le tour", das Reise oder Rundgang bedeutet. Zuerst ist "tourism" um 1800 im Englischen belegt, 1813 "tourisme" in Frankreich und 1830 "Tourismus" in Deutschland.
Grand Tour
Doch dieser Tourismus ist noch keine Massenbewegung. In weiten Teilen der arbeitenden Bevölkerung gibt es nicht einmal eine Vorstellung von freier Zeit. Die "Grand Tour" beschrieb vielmehr die Reisen junger, vermögender Adliger, die ähnlich wie Handwerker auf der Walz die Welt erkundeten. "Es ging darum, Beziehungsnetze zu knüpfen und Lebenserfahrung zu sammeln", sagt Spode. Die Idee vom Reisen um des Vergnügens Willen stammt erst aus der Epoche der Romantik. "Rousseau ist ein Tourist im heutigen Sinne", sagt Spode. Er ließ es sich wohl sein in der Natur.
Erst Thomas Cook, bis heute Namensgeber des zweitgrößten deutschen Reiseveranstalters, hat den Tourismus für den wohlhabenden Teil der Bevölkerung kommerzialisiert. An seinem Prinzip der Pauschalreise, in der Transport, Unterkunft, Versorgung und Vergnügen für eine Gruppe organisiert sind, hat sich bis heute nicht viel verändert. Auch die Vor- und Nachteile sind geblieben: Der Pauschaltourist hat es bequemer, billiger - nur eben nicht sehr individuell.
Erste pauschale Weltreise
Cooks Idee fand so viel Zuspruch, dass er 1872 eine 222-tägige Weltreise organisierte. Ein jährliches Verreisen war an der Wende zum 20. Jahrhunderts aber nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung möglich. In den Fabriken gab es keinen geregelten Urlaub. Nur die Beamten kannten schon Urlaub von bis zu 6 Wochen pro Jahr. Erst in der Weimarer Republik setzten die Gewerkschaften einen festen Urlaubsanspruch durch.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Pauschaltourismus erst mit den Billigflügen in den 1970er Jahren ein Massenphänomen geworden, sagt der Berliner Tourismus-Kenner. Die Deutschen in Ost und West fuhren auch gern mit dem eigenen Auto weg, die Wessis Richtung Italien, die Ossis ins "sozialistische Ausland", zum Beispiel Ungarn.
Auch wenn sich die Reisegewohnheiten der Deutschen seit der Wende angeglichen haben, sind die Urlaubswünsche sehr verschieden - von der Daueranimation im Robinson-Club bis zum Fasten im Kloster. Nach Schätzungen des Deutschen Reisebüroverbandes buchten 37 Millionen Deutsche 2005 eine Pauschalreise. Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen geht davon aus, dass die Deutschen in diesem Jahr 60 Millionen Reisen planen, die mindestens 5 Tage dauern. Und der "Teutonengrill" auf Mallorca bleibt des Pauschaltouristen liebstes Ziel - laut Marktführer TUI.
Von Ulrike von Leszczynski, dpa
Quelle: ntv.de