Reise

Kulturhauptstadt Linz Zwischen Moderne und Provinz

Vor dem Info-Zentrum zum Kulturhauptstadtjahr in Linz erstreckt sich auf dem Boden wie eine Tischdecke ein rot-weiß-rotes Muster. "Es ist angerichtet", will die Dekoration den Besuchern und Bewohnern der oberösterreichischen 190.000-Einwohner-Stadt sagen. Denn 2009 will es das meist als Industriestadt abgewertete Linz nicht nur Österreich, sondern gleich ganz Europa zeigen. Mit rund 220 Veranstaltungen präsentiert sich der von Touristen oft übersehene Ort nahe der deutschen Grenze als moderne Kulturstadt, setzt sich aber auch mit seiner NS-Vergangenheit als eine der Lieblingsstädte Adolf Hitlers auseinander.

"Ich denke, dass Linz eine sehr, sehr unterschätzte Stadt ist", sagt der sozialdemokratische Bürgermeister Franz Dobusch. Selbst für Österreicher sei Linz ein "recht unbekanntes Wesen". Zwischen dem weltkulturerbegeschützten Salzburg und dem pompösen Wien gelegen, kann Linz außer mit seinem kleinen Mittelalter-Stadtkern und seiner berühmten Torte nur mit wenig protzen. Im Zweiten Weltkrieg wurden zudem weite Teile der Stadt durch Luftangriffe zerstört.

Auf die Stadt bezogene Ansätze

Um dennoch punkten zu können, tat Linz in den vergangenen Jahren etwas für österreichische Städte ungewöhnliches: Sie setzte auf Modernes. Unter anderem entstand am Flussufer der brückenförmige Bau des Lentos-Kunstmuseums, und das Medienkunstfestival Ars Electronica bringt jährlich Kulturschaffende aus aller Welt an die Donau. Internationale Geschäftsleute kommen zu den zahlreichen Messen, und Großindustrieunternehmen wie der Stahlkonzern Voestalpine machen die Stadt mit mehr Arbeitsplätzen als Einwohnern zu einem der wichtigsten Wirtschaftsstandorte Österreichs. "Industrie, Kultur, Natur: sie machen, prägnant und lebenswert, die Besonderheit von Linz aus", fasst der Intendant von Linz 09, Martin Heller, im Programmbuch zusammen. Linz müsse 2015 die interessanteste Stadt Österreichs sein, ist sein Ziel.

"Wenn es eine Sache gibt, die ich Linz gerne im Kulturhauptstadtjahr mitgeben würde, ist das mehr Internationalität", sagt der stellvertretende Intendant von Linz 09, Ulrich Fuchs. Das Programm versuche, möglichst viele Linzer an Kunst und Kultur heranzuführen, um einer gewissen Provinzialität und Spießigkeit entgegenzuwirken. Dafür wird im 287-Seiten-starken Programmbuch auf publikumswirksame "Kracher" verzichtet, es gibt vielmehr zahlreiche kleinere Projekte, die unerwartete Ansätze verfolgen und sich auf die Stadt beziehen.

"Beschallungsfreie Zonen"

Unter dem Themenkomplex "Linz Gedächtnis" finden sich beispielsweise die Hitler-Ausstellung "Kulturhauptstadt des Führers" oder das Projekt "In Situ", das Orte des NS-Terrors in Linz mit Sprühfarbe markiert. Denn Hitler, der hier zur Schule ging, plante für eine seiner Lieblingsstädte zahlreiche Prunkbauten, Prachtstraßen und Kulturprojekte, die aber größtenteils Illusion blieben.

Bei "Hörstadt" gibt es unter anderem verschiedene Ruhepole in Linz, und die Bürger können sich für "beschallungsfreie Zonen" stark machen. Im "Kepler Salon" sollen Experten mit bürgernahen Vorträgen zu Themen wie "Hat der Mensch einen freien Willen" neugierig auf die Wissenschaft machen. Mit mehrsprachigen Ortstafeln will Linz Weltoffenheit demonstrieren - und spielt damit auf den jahrelangen Streit um zweisprachige Ortstafeln im lange von Jörg Haider regierten Kärnten an.

Doch die Bewohner der Arbeiterstadt sind bisher noch etwas skeptisch, was ihnen die "zugereisten" Linz-09-Macher da vor die Nase setzen. "In der Bevölkerung ist schon die Stimmung da, dass da was drübergestülpt wird", sagt die Stadtführerin Birgit Paltinger. Die Idee der Organisatoren, in diesem Jahr eine fünfte Adventskerze zur Einstimmung auf das Kulturhauptstadtjahr zu verteilen, sorgte beispielsweise kurzzeitig für Entrüstung und wurde an jedem Linzer Würstlstand diskutiert. Linz sei eben schon immer etwas kleinstädtisch geprägt gewesen, meinen viele. "Linz - man lächelt immer in Österreich, wenn jemand diesen Stadtnamen nennt, er reimt sich so unwillkürlich auf Provinz", spottete schon der Dichter Stefan Zweig.

Quelle: ntv.de

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