Kunststoffplatten um Gedächtniskirche Berliner Wahrzeichen wird saniert
15.10.2010, 08:14 UhrIhr angegriffenes Aussehen ist Programm, doch selbst eine Ruine muss einmal überholt werden - die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche folgt daher einem anderen Berliner Wahrzeichen, der Siegessäule: sie wird eingerüstet und saniert. Berlin-Besucher müssen sich bis 2012 gedulden, dann sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.
Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, das Wahrzeichen des Berliner Westteils, wird zurzeit eingerüstet, damit Restauratoren den Bau überarbeiten können. Rund 4,2 Millionen Euro wird die Sanierung schätzungsweise kosten, bis weit in das Jahr 2012 hinein soll sie dauern.
Ende des 19. Jahrhunderts ließ Kaiser Wilhelm II. die Kirche zu Ehren seines Großvaters, Kaiser Wilhelms I., errichten. 1895 wurde sie eingeweiht. In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg wurde sie von den Berlinern als "Kino-Kirche" verspottet, weil sie umringt war von Lichtspielhäusern. 1943 beschädigten Bomben das Gotteshaus schwer, doch nach dem Krieg ließen die Behörden die Kirche nicht abreißen, sondern nutzten den zerstückelten Bau als Mahnmal gegen den Krieg und für den erfolgreichen Wiederaufbau der Mauerstadt. So fand die Gedächtniskirche Einzug in die Reiseführer.
Ihre Höhe wurde stets mit 68 Metern angegeben - ein Fehler, wie sich jetzt herausstellte. "Der Turm ist 71 Meter hoch, das haben Messungen ergeben", sagt Pfarrer Martin Germer, einer der Geistlichen aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und Mitorganisator der Sanierung. In zweieinhalb Jahren haben es die Kirchenleute geschafft, mit Benefizkonzerten, Kabarett, Theater und anderen Veranstaltungen 1,2 Millionen Euro zusammenzutrommeln.
Rund tausend Personen übernahmen Patenschaften für jeweils eine Fuge im Turm. Sie zahlten zwischen 100 und 5000 Euro und erhielten eine Urkunde mit dem Planquadrat, das mit ihrem Geld saniert wird. "Wir haben noch 6000 Meter Fugen ringsum den Turm zu vergeben", sagt Germer. Sie sind Teil der Tuffstein-Verkleidung, die rund um die Konstruktion angelegt wurde.
Durchsichtige Kunststoffplatten
Weil der Turm oben offen ist, rechnet der Gemeindepfarrer auch mit Schädigungen im Innern. Wie groß diese sind, sehen die Fachleute, wenn das Gerüst steht. Dann werden die Experten Gesteinsproben entnehmen und analysieren, um die Sanierung im Detail planen zu können. Im Frühjahr werden die Arbeiten beginnen.
Damit der Breitscheidplatz, auf dem die Gedächtniskirche steht, zugänglich bleibt, wird das Gerüst eingeschalt, so dass keine Teile herunterstürzen können. Durchsichtige Kunststoffplatten werden den Bau nach derzeitiger Planung zumindest als Silhouette dem Stadtbild erhalten. "Ich bin gespannt darauf, wie die Kirche dann aussieht", sagt Germer.
Die Gedächtniskirche ist nur ein Gebäude in der Berliner City-West, das überholt wird. Das gesamte Areal zwischen Wittenbergplatz und Bahnhof Zoologischer Garten wird sich in den kommenden Jahren verändern. "In den 20 Jahren nach Mauerfall hatte die historische Mitte Vorfahrt", sagt der Baustadtrat des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, Klaus-Dieter Gröhler . Der "Rückstau", der sich deshalb in der City-West gebildet habe, werde nun "schlagartig" abgebaut.
Neue Hotels geplant
Sichtbares Zeichen für die Neugestaltung ist der Bau des Waldorf Astoria-Hotels, das den Anspruch hat, "das erste Haus am Platz in Berlin" zu werden, wie Gröhler berichtet. Der 118 Meter hohe Neubau feiert am 22. Oktober Richtfest und soll im November 2011 eröffnet werden. Die Hilton-Gruppe plant ein Luxus-Hotel, das noch das Hotel Adlon am Brandenburger Tor übertrifft. Zudem wird ein am Breitscheidplatz liegender Flachbau, das sogenannte Bikinihaus, ab Ende dieses Jahres saniert. Als erstes wird der blaue Kugelbau, in dem Sabine Christiansen ihre Talkshows abhielt, abgerissen.

Sonnenuntergang über der westlichen City Berlins: Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Kranzlerpassage, Kantdreieck und Siegessäule (v.l.), im Vordergrund das Dach des Hauses der Kulturen der Welt.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
Auch der Vorplatz vor dem Bahnhof Zoo wird neu gestaltet, und die Tauentzienstraße, die den Kurfüstendamm bis zum Wittenbergplatz verlängert, erhält eine Mittelpromenade. Baustadtrat Gröhler setzt darauf, dass ein "Umnutzungsdruck" für Gebäude in dem Areal entsteht, die beim Lifting der City-West bisher nicht mitmachen. Das trifft besonders auf den Betonriegel gegenüber des Waldorf Astoria zu, in dem zurzeit noch ein Erotikmuseum und ein Jugendhostel untergebracht sind.
Quelle: ntv.de, Mechthild Henneke, AFP