17-Jähriger schwimmt in Frauen-Domäne Der "Hahn im Korb"
28.03.2009, 11:15 UhrDie Haare mit Gelatine an den Kopf geklebt, auf der Nase eine Klammer, die Badekleidung mit Pailletten bestickt. Begleitet von klassischer Musik werden im Wasser ästhetisch perfekte, rhythmische Bewegungen ausgeführt. Im Schwimmbecken tummeln sich zahlreiche Mädchen, die zum Takt der Musik auf- und wieder abtauchen. Plötzlich recken sich behaarte Männerbeine aus dem Wasser. Es sind die von Niklas Stoepel, dem einzigen männlichen Synchronschwimmer Deutschlands. "Synchronschwimmen ist elegant, fordert körperliches Leistungsvermögen und Teamfähigkeit", erklärt er seine Leidenschaft für die typische Frauen-Sportart.
Seit zehn Jahren trainiert der 17-Jährige bei den Freien Schwimmern Bochum. Mit Erfolg: Niklas ist deutscher Meisterschafts-Zweiter im Gruppenwettbewerb. Dabei hatte alles mit einer spaßigen Idee seiner Cousine Leona angefangen, die den damals sieben Jahre alten Niklas zum Training mitnahm. Heute ist das Synchronschwimmen für ihn zum Leistungssport geworden. "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht im Schwimmbad bin", sagt der Gymnasiast. Vorurteile interessieren den 1,78 Meter großen Hardrock- und Heavy-Metal-Fan nicht: "Meine Freunde kennen mich so, wie ich bin, und finden das auch gut. Mitmachen wollte aber leider noch keiner", fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.
Bei internationalen Ereignissen verboten
In der Schwimmhalle im Sportzentrum Wattenscheid herrscht reger Betrieb. Für die Landesmeisterschaften muss die Choreographie sitzen. Obwohl die oft belächelte Sportart so leicht und spielerisch aussieht, ist jahrelanges hartes Training erforderlich. Niklas übt vor allem eine kraftraubende Unterwasserübung. "Die Bewegung ist gut so, aber was ist mit deinem Tempo?", ruft ihm die Trainerin zu. Eine Sonderbehandlung gibt es für ihn nicht, im Gegenteil: "Ich muss eher noch härter trainieren als die anderen, denn als Junge falle ich beim Wettkampf natürlich schon auf."
Dass er Hahn im Korb ist, stört Niklas und seine Mitstreiterinnen überhaupt nicht. Mit ihm sei es immer lustig, weiß Jacqueline zu berichten, die seit zehn Jahren mit Niklas in einem Team schwimmt. Was in Deutschland einzigartig ist, ist bei internationalen Ereignissen verboten: Synchronschwimmen gilt beim Weltverband FINA offiziell als Frauensport. Der Amerikaner Bill May durfte nicht an den Olympischen Spielen in Sydney teilnehmen, obwohl er sich sportlich qualifiziert hatte.
Das findet auch Niklas Stoepel nicht gut, der selbst erlebt, dass Punktrichter ihn kritisch beäugen. Trotzdem verfolgt er akribisch seine Ziele auf nationaler Ebene. Bei den deutschen Meisterschaften im April möchte er wieder auf das Treppchen. Dass Niklas es einmal so weit bringen würde, hat selbst seine frühere Trainerin Doris Walper nicht erwartet: "Ich bin beeindruckt und hätte niemals damit gerechnet, dass er sich auf dieses Niveau hoch kämpft. Das Synchronschwimmen hat sein Selbstbewusstsein unglaublich gestärkt." Auch oder gerade unter Frauen.
Quelle: ntv.de, Sebastian Fischer, dpa