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Iranerin bricht in Tränen ausDer bewegendste Moment der Handball-WM

07.12.2021, 11:37 Uhr
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Der Freudentanz. (Foto: picture alliance / NTB)

Erstmals ist der Iran für die Handball-WM der Frauen qualifiziert. In bisher zwei Spielen kassieren sie 80 Gegentreffer. Aber trotzdem glänzt eine Spielerin besonders: Die Torhüterin Fatemeh Khalili, die in einer Halbzeit gegen Norwegen sieben Würfe pariert.

Die Frauen-Nationalmannschaft des Iran nimmt zum ersten Mal an der Handball-WM teil. Im ersten Spiel verlieren sie mit 11:39 gegen Rumänien, gegen die dreimaligen Weltmeisterinnen aus Norwegen gibt es im zweiten Spiel noch weniger zu holen. Das Spiel geht mit 9:41 verloren, es ist einer der höchsten Siege für Norwegen überhaupt bei einer Frauen-WM. Dabei war der Iran nach vier Minuten sogar mit 2:1 in Führung gegangen - die erste Führung überhaupt bei einer WM. Okay. Es war auch erst das zweite Spiel, und in den verbleibenden 26 Minuten der ersten Halbzeit trafen sie nur noch einmal, Norwegen hingegen antworte mit 21 Treffern.

Doch die Schlagzeilen gehören nach dem Spiel nicht Marit Jacobsen, die mit sieben Treffern erfolgreichste Werferin, und sie gehören auch nicht ihrer Mitspielerin Veronica Kristiansen, die in dem einseitigen Spiel als einzige Norwegerin eine Zweiminutenstrafe kassiert. Nein. Die Augen der Welt blicken auf die iranische Torhüterin Fatemeh Khalili. Die beinahe zusammenbricht, als sie ihren Namen über die Lautsprecheranlage der Halle im spanischen Castello hört. Sie wird zur Spielerin des Spiels ausgerufen. Nach sieben Paraden in der ersten Halbzeit. Danach durften ihre Vertreterinnen ins Tor. WM-Luft schnuppern. Es war vielleicht auch als Anerkennung für ihre 18 Glanztaten im Spiel gegen Rumänien, dem ersten WM-Spiel der Iranerinnen, gemeint.

Ein Augenblick für die Ewigkeit

Begleitet vom Jubel ihrer Mitspielerinnen tritt die 25-Jährige, die zuhause im Iran für Foolad Sepahan Isfahan spielt, nach vorne, kann kaum an sich halten, verbirgt ihr Gesicht hinter dem ihr überreichten WM-Maskottchen. Es sind wunderbare Momente. Die Begeisterung der Mitspielerinnen, der Applaus der norwegischen Gegnerinnen, die vor Stolz platzende Khalili, der Freudentanz des Teams, das Erinnerungsfoto im Tor. Sie sagen: Das sind wir. Und wir sind hier. Egal, ob wir verlieren und egal, was noch passieren wird. Augenblicke, die in der Erinnerung zu einer ganzen Ewigkeit werden, das Leben verdichten. Augenblicke, in denen das Leben am schönsten ist, die nie enden sollten. Oft besungen, selten erlebt. Das hier ist so ein Augenblick.

"Ich wünschte, jeder im Iran könnte diese einzigartigen Momente nach dem Spiel sehen", twittert der Journalist Reza Mohaddes, der für den in London ansässigen Sender Iran International TV berichtet. Aber dem war nicht so: Handball spielt im Iran nur eine Nebenrolle. Und Frauensport. Die Situation ist so bekannt wie komplex. Zwar verhüllen die Iranerinnen ihr Haar, doch die Gegner nicht. Von den Spielen der WM gibt es im Iran maximal Standbilder, erzählt Mohaddes bereits im Vorfeld der WM dem dänischen Sender TV2.

Die Sache mit Stine

Auch die Übergabe eines Trikots der norwegischen Mannschaft durch eine Reporterin des norwegischen Senders Viaplay findet nur über die sozialen Medien den Weg in den Iran. Khalili ist immer noch den Tränen nahe, erschöpft von all der Aufmerksamkeit. Das Trikot bedeute ihr die Welt, lässt sie durch einen Übersetzer mitteilen. Ihre Lieblingsspielerin sei die mit der Nummer 10, aber der Name sei ihr jetzt entfallen. "Stine", sagt die Reporterin. "Ja, Stine."

Stine heißt mit vollem Namen Stine Bredal Oftedal und ist eine der besten Handballerinnen der Welt: 2019 wird sie zur Welthandballerin gewählt. Sie steht in zahlreichen All-Star-Teams großer Turniere, ist MVP bei der WM 2017. Ein ganz großer Name des Weltsports. Stine Bredal Oftedal, die der Torhüterin im Moment vor dem Interview applaudierte. Ende des kurzen Gesprächs. Sie sei viel zu glücklich, um überhaupt noch etwas zu sagen, lässt Khalili sich übersetzen. Eine Verbeugung, ein schüchternes "Thank You" und Abgang.

Noch ein Spiel. Gegen Kasachstan. Ein Sieg muss her. Dann geht es in die Hauptrunde der WM. Ansonsten zurück in den Iran. In die Anonymität. Doch für einen Augenblick haben Fatemeh Khalili und das Team der iranischen Handballfrauen die Welt bewegt.

Quelle: ntv.de, sue

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