Drei Tage schulfrei für die WM Der irre Darts-Sprint von Fabian Schmutzler
17.12.2021, 06:06 Uhr
Erst kommt die Schule, dann Darts: Fabian Schmutzler hat die Prioritäten gesetzt.
(Foto: dpa)
Vor drei Jahren schenken ihm seine Eltern eine Dartscheibe zu Weihnachten, am Donnerstagabend spielt Fabian Schmutzler bei der Weltmeisterschaft in London. Die 0:3-Niederlage des 16-jährigen Deutschen schmälert seinen märchenhaften Aufstieg kein bisschen.
Knapp 9000 Euro Preisgeld, unzählige eroberte Fanherzen, einen Walk-On im Sprintmodus, drei schulfreie Tage für die Darts-WM in London. Das ist die beeindruckende Bilanz des 16-jährigen Deutschen Fabian Schmutzler, dem zweitjüngsten Darts-WM-Teilnehmer aller Zeiten, nach seinem Abenteuer im "Ally Pally" - die klare 0:3-Niederlage gegen den etablierten Profispieler Ryan Meikle schmälert Schmutzlers Darts-Märchen kein bisschen.
Es ist kurz vor halb neun Ortszeit, als "Fabulous Fab" am Donnerstag die größte Bühne des Dartsports im Londoner Alexandra Palace betritt. Eilig hastet Schmutzler an seinen Eltern und etlichen Darts-Fans vorbei. Während die Superstars ihre Walk-Ons teils minutenlang zelebrieren, legt Schmutzler einen regelrechten Sprint zum Dartboard hin.
Das passt zum 16-jährigen Riesentalent aus Frankfurt am Main. Seine Darts-Karriere ist bislang ein einziger Sprint. Von Null auf Hundert in weniger als drei Jahren. Weihnachten 2018 schenken ihm seine Eltern eine E-Dartscheibe. Und treffen damit ins Schwarze. Schmutzler hat Talent, tauscht kurze Zeit später das elektronische Dartboard gegen eine Steeldartscheibe, geht in einen Verein.
"Fast angefangen zu weinen"
Er lernt viel. Er lernt schnell. Und nutzt die Corona-Pandemie für die Teilnahme an Online-Dart-Events, wo er plötzlich mit gestandenen deutschen Topspielern mithalten kann. Der nächste Meilenstein folgt am 19. Oktober, Schmutzler feiert 16. Geburtstag, gleichbedeutend mit der nominellen Berechtigung für die Teilnahme an Turnieren der Professional Darts Corporation (PDC). 16 ist das Mindestalter für die Teilnahme an den Junioren-Events der PDC.
Tag 2 - Ergebnisse (Weltranglistenplatz in Klammern)
Runde 1
(52) Steve Lennon 3-1 Madars Razma (49)
(81) Scott Mitchell 0-3 Chris Landman (nicht platziert)
(101) Chas Barstow 3-1 John Norman Jnr (nicht platziert)
(42) William O'Connor 3-2 Danny Lauby Jr. (nicht platziert)
(71) Ryan Meikle 3-0 Fabian Schmutzler (nicht platziert)
(55) Ron Meulenkamp 3-0 Lisa Ashton (83)
Runde 2
(22) Daryl Gurney 3-1 Ricky Evans (40)
(6) Gary Anderson 3-1 Adrian Lewis (35)
Vom 5. bis 7. November nutzt der Frankfurter die neu gewonnen Freiheiten, nimmt an der zweiten Phase der Nachwuchs-Turnierserie teil. Die findet passenderweise in seiner hessischen Nachbarschaft statt. Und der Lokalmatador sorgt für Verwunderung bei Fans, Experten und Gegnern. Schmutzler zieht bei drei der sechs Events an dem Wochenende ins Endspiel ein, zwei Titel springen am Ende heraus. Im Abschlussranking bedeutet das Platz zwei hinter dem 20-jährigen Österreicher Rusty-Jake Rodriguez. Obwohl Schmutzler wegen seiner späten Geburt nur an einem der beiden Turnierwochenenden teilnehmen konnte.
Was Schmutzler zunächst nicht realisieren kann: Platz zwei reicht dem Nachwuchstalent für die Qualifikation zur Darts-Weltmeisterschaft, da sich der Erstplatzierte bereits über einen anderen Quali-Weg den Startplatz gesichert hatte. "Das war unfassbar, ich habe fast angefangen zu weinen", sagte Schmutzler damals im "Checkout"-Podcast nach seinem Sensations-Triumph.
Schmutzler will Lehrer werden
In weniger als drei Jahren vom Dartboard zum Darts-WM-Teilnehmer: Fabian Schmutzler hat es geschafft, als er am zweiten Turniertag des größten Dartevents die Bühne betritt. Sein erster Dart landet stilecht in der "Triple Twenty". Beim Wurf auf die spielentscheidenden Doppelfelder will es im gesamten Matchverlauf zwar nicht so recht klappen - sein englischer Gegner Ryan Meikle gewinnt die Partie souverän mit 3:0 - doch die Herzen der deutschen Darts-Fans hat Schmutzler ohnehin schon gewonnen.
Das Internet ist voll mit Sympathiebekundungen für "Faboulous Fab". Zuschauer loben seine Coolness vor Tausenden bierseligen Fans im "Ally Pally", feiern ihn als "Sieger der Herzen". Schmutzler selbst sagt nach dem Match im TV-Interview bei "DAZN", dass er das Erlebnis "gegen nichts tauschen würde", was er "bisher erlebt habe".
Doch eine Karriere als Dartprofi bleibt weiter "nur" Plan B. Nach seinem "Ally-Pally"-Abenteuer inklusive drei Tagen schulfrei liegt der Fokus des glühenden Eintracht-Frankfurt-Fans jetzt wieder auf dem Schulalltag. Einser-Schüler Schmutzler will nach dem Abitur Lehrer für Latein und Chemie werden. Das passt zu einem der untypischsten Darts-WM-Teilnehmer, der in der deutschen Szene, respektvoll gemeint, mitunter als "ältester 16-Jähriger der Welt" bezeichnet wird.
Was war sonst noch los im "Ally Pally"?
Im gehypten Ex-Weltmeister-Duell zwischen dem zweifachen Champion Gary Anderson und dem ehemaligen Doppel-Weltmeister Adrian Lewis setzte sich Anderson überraschend glatt mit 3:1 durch. Zwar hatte Lewis den ersten Satz 3:2 gewonnen, doch in der Folge diktierte der "Flying Scotsman" das Spiel nach Belieben. Anderson gewann neun der nächsten zehn Legs, zeigte eine kämpferische und kompromisslose Leistung.
Die Nummer sechs der Welt darf sich mit dem Auftritt Hoffnungen auf einen ähnlichen Turnierverlauf wie bei der vergangenen WM machen. Damals wurde der 50-jährige Schotte erst im Finale von Gerwyn Price gestoppt. "Ich habe keine großen Hoffnungen, aber die hatte ich letztes Jahr auch nicht", äußerte sich Anderson nach seinem Auftaktsieg gewohnt trocken. Es war das dritte Duell zwischen Anderson und Lewis auf der WM-Bühne. 2011 siegte Lewis im WM-Finale, 2016 holte sich Anderson im Endspiel den Titel. Vielleicht ein gutes Omen für "Ando", auch wenn er wieder einmal nichts erwartet.
Genau wie Anderson zog mit Daryl Gurney ein weiterer gesetzter Akteur bereits in Runde drei ein. "Superchin" besiegte den pfeilschnellen Werfer Ricky Evans mit 3:1 und gab nach dem Erfolg gemeinsam mit den Fans seinen Walk-On-Song "Sweet Caroline" zum Besten.
Das dramatischste Spiel des zweiten Turniertags lieferten sich aber der Ire William O'Connor und Danny Lauby aus den USA. Beim Stand von 2:1 in den Sätzen und 2:0 in den Legs sah O'Connor schon wie der souveräne Sieger aus, doch Lauby bog die Partie fast noch um, erspielte sich im entscheidenden Leg des entscheidenden Satzes sogar einen Matchdart. Weil der Pfeil jedoch nicht im Doppel-18-Feld landete, konnte O'Connor durchatmen und in die zweite Runde einziehen.
Wie geht's heute weiter?
Nach Schmutzler, dem jüngsten WM-Teilnehmer, greift am heutigen Freitagabend mit Paul Lim der älteste Qualifikant ins Turnier ein. Die 67-jährige Darts-Legende aus Singapur kann sich gegen den Engländer Joe Murnan berechtigte Hoffnungen auf den Einzug in Runde zwei machen. Formsache sollte ein Auftaktsieg für Peter Wright sein. Der Ex-Weltmeister spielt zum Abschluss des Abends gegen Ryan Meikle, den Bezwinger des "ältesten 16-Jährigen der Welt".
Quelle: ntv.de