Sport

Chinas Paralympics-Fete Einsicht oder Heuchelei?

Es scheint, als würde Peking es ernst meinen mit den Paralympics. In derselben Dimension wie die Olympischen Spiele werden auch die der Behinderten zelebriert. Ganz nach dem chinesischen Motto "Zwei Spiele, ein Glanz" ist die Stadt zugepflastert mit Bannern und Plakaten. Die Fernsehsender bringen den ganzen Tag Sondersendungen, die Volunteers sind wuselig und freundlich, und für die Stimmung in den Stadien wurden eigens Cheerleader engagiert.

Beim Blick hinter die Kulissen wirkt das alles jedoch paradox, es stellt sich die Frage: Einsicht oder Heuchelei? Feiert China die behinderten Sportler oder nicht doch eher sich selbst? Zu fremd und aufgesetzt wirkt die Feierlaune in einem Land, das Paaren mit genetischen Erblasten die Hochzeit verbietet oder sie zumindest zu Sterilisierung oder Abtreibung verpflichtet.

Vork ämpfer Deng Pufang

In einem Land, in dem trotz offiziell 83 Millionen Behinderten kaum öffentliche Einrichtungen behindertengerecht ausgebaut sind. In dem Schulen sich oft weigern, Behinderte aufzunehmen, und in dem Eltern ihre Kinder schon bei kleinsten Missbildungen ins Heim geben, weil sie sich schämen. Im Reich der Mitte, wo der Nachwuchs getreu den überlieferten Werten im Alter für die Eltern sorgt, wird ein behindertes Kind oft immer noch als großes Unglück gesehen.

Und alles wäre wahrscheinlich noch viel schlimmer, gäbe es nicht Deng Pufang. Der Sohn des früheren Staatsführers Deng Xiaoping wurde während der Kulturrevolution 1968 gefoltert und zu einem Sprung aus dem vierten Stock genötigt. Jegliche Behandlung wurde ihm verweigert, bis sein Vater rehabilitiert wurde und den gelähmten Sohn demonstrativ der Öffentlichkeit präsentierte.

Vor 20 Jahren gründete Deng Pufang den Behindertenverband in China. Mit seinen politischen Verbindungen bekam er ungeahnte Mittel zugestanden, und so profitierte der Behindertensport ebenfalls vom Boom der Vergabe der Spiele an Peking.

China wird erneut dominieren

Bei den Paralympics 2004 in Athen waren die Chinesen schon das klar dominierende Team, holten mit 64 Goldmedaillen fast doppelt so viele wie das zweitplatzierte Großbritannien (35). Bei den heute beginnenden Spielen in Peking rechnet der deutsche Chef de Mission Karl Quade mit einer noch größeren Dominanz und "deutlich über 100 Goldmedaillen" des Gastgebers.

Die chinesischen Zuschauer werden bei jeder einzelnen ausgelassen jubeln, so wie sie es auch bei Olympia getan haben. Dennoch bleibt die Frage, ob das Ansehen der sportlichen Aushängeschilder im Behindertensport die Spiele überdauert. Und noch viel mehr, ob ihre Erfolge für den Behinderten im Alltag irgendeinen Nutzen haben.

Mehr Schein als Sein

Dabei will China genau das vermitteln und schickte deshalb am Dienstag eine gewisse Li Nan, "eine repräsentative Person mit Schädigung", zu einer Pressekonferenz. Li verkündete, sie sei "sehr stolz, allen mitteilen zu können, dass sie niemals irgendwelche Vorurteile oder Diskriminierungen gespürt habe". Im Gegenteil, sie habe "eine viel größere Unterstützung und Fürsorge erfahren".

Nachfragen hielt der Pathos nicht stand. Natürlich könne das Zusammenleben verbessert werden, beiden Seiten würde das Verständnis füreinander fehlen, es kämen ja nicht einmal Fragen, um es zu fördern. Am Ende war Lis Auftritt bezeichnend, auch sie fürchtet wohl, dass der Glanz der Paralympics mehr Schein als Sein ist.

Aber, so ihr beeindruckendes Schlusswort: "Die meisten Paralympics-Teilnehmer sind starke Personen, die keine Hilfe brauchen." Dennoch sei diese willkommen, "denn wer uns helfen will, schadet uns wenigstens nicht".

Holger Schmidt, sid

Quelle: ntv.de

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