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Zu Besuch bei MMA Spirit Frankfurts Fighter zwischen Würgeschlangen und Philosophen

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Zwei der "schweren Jungs" des MMA Spirit: Stephan Pütz (l.) und Patrick Vespaziani.

(Foto: Michael Bauer)

Mixed-Martial-Arts zählt zu den am schnellsten wachsenden Sportarten. Das MMA Spirit in Frankfurt leistet seit Jahren Pionierarbeit und hat sich zu einem Stützpfeiler entwickelt. Dabei herrscht im Gym rund um die populärsten deutschen Käfigkämpfer eine besondere Trainingsphilosophie.

Unerwartet tierisch wird man im MMA Spirit in Frankfurt empfangen. Gleich am Eingang des Gyms erwartet Besucher eine Boa Constrictor, rund zwei Meter lang. Die beeindruckende Würgeschlange ist nicht nur Blickfang für Jung und Alt, sondern gleichzeitig ein Symbol für eine der Disziplinen, die in der Frankfurter Kampfsportschule erlernt werden können. Denn wer Kurse in Brazilian Jiu-Jitsu belegt, wird lernen, sich um seinen Kontrahenten zu winden und ihn mit bestimmten Griffen zur Aufgabe zu zwingen.

Abseits der Schlange vermittelt MMA Spirit das Bild eine High-End-Gyms für Kampfsport. Ein eigener Foyerbereich mit Merchandising, Bar, Trophäenschrank und gemütlicher Sitzecke empfängt Hobbysportler und Profikämpfer. Professionell sein in allen Bereichen, das reicht hin bis zu hohen Hygienestandards. Gleich mehrmals am Tag werden die Räumlichkeiten von einer Reinigungsfirma gesäubert. Von den Trainingsflächen, den Sandsäcken und ähnlichem Equipment bis hin zum Saunabereich ist alles "top notch" ("erstklassig"), wie der Amerikaner sagen würde. Die USA waren lange Jahre die Wunschdestination vieler europäischer Kämpfer, um ihre Kampfvorbereitung durchzuführen. Das MMA Spirit kann da in jedem Fall mithalten.

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Empfangsdame in Frankfurt - eine rund zwei Meter lange Boa Constrictor.

(Foto: Michael Bauer)

"Es ist wichtig, alles auf dem neuesten Stand zu halten", erklärt Manager Niels Schlaegel. "Wir haben mit Frankfurt einen tollen Standort und die entsprechenden Kämpfer, die den Hype um den Sport mitgenerieren können." Der Hype um Fighter wie Christian Eckerlin, Max Coga oder Stephan Pütz basiert allerdings nicht nur auf deren sportlicher Klasse. Professionell sein, das bedeutet bei den Frankfurtern auch, medial präsent und mit Medien umgehen zu können. Auf den großen Bildschirmen im Gym laufen die Eigenproduktionen des Hauses. Es wird mit Lichteffekten und Schärfewechseln gearbeitet, die Qualität geht deutlich über das 08/15-Youtube-Video hinaus. "Eine MMA-Karriere ohne die eigene Marke aufzubauen geht heute so nicht mehr", sagt Schlaegel. "Sich ausschließlich auf das Sportliche zu konzentrieren, das kann sich heutzutage eigentlich kein Athlet mehr leisten."

In gleicher Qualität präsentieren sich die Kämpfer des Gyms auf ihren eigenen Kanälen via Youtube, Instagram und Co. Ein Katalysator, der dem Sport guttut, betont Schlaegel. "Coga, Eckerlin und Pütz müssten theoretisch nicht mehr kämpfen. Youtube wirft genug ab. Um die weniger bekannten Kämpfer und unser Team ins Rampenlicht zu rücken, produzieren wir im Monat vier Videoblogs (Vlogs). Gleichzeitig lernen alle, werden alle so an die Medienarbeit gewöhnt."

Die Präsentation des Gyms sticht in Deutschland heraus, die Arbeit auf der Matte aber ebenso. BJJ, Ringen, Thai-/Kickboxen und Boxen gibt es für Anfänger, Fortgeschrittene und auf Profiniveau. Wer sich die Trainingseinheiten anschaut, merkt: Die Intensität ist hoch, aber der Respekt steht an oberster Stelle. Zu Beginn der BJJ-Einheit reihen sie die Sportler auf und begrüßen den Trainer. Mehdi Meziri leitet die Übungen. Der Franzose coacht auf Englisch, wirkt dabei tiefenentspannt und stressbefreit - Eigenschaften, die im Bodenkampf gefragt sind. Meziri ist zudem quasi ein Eigengewächs des Gyms, hat seine Kampfsportqualifikation unter Bellator-Kämpfer Daniel Weichel in Frankfurt erlangt. Jetzt gibt der Schwarzgurt seine Philosophie weiter, die er als Trainer bereits in Barcelona, New York und Hongkong vermitteln konnte.

"MMA-Kämpfer sind ein besonderer Typ Athlet"

Die Rückkehr nach Frankfurt sei eine leichte Entscheidung gewesen, erklärt Meziri. "Weil ich schon einige Kämpfer und deren Trainingseinstellung kannte, dachte ich, dass meine Philosophie hier funktionieren würde - und ich denke, das war bislang erfolgreich." Meziri schätzt die Voraussetzungen im MMA Spirit. "Die Infrastruktur ist erstklassig, das kann man sehen. Der innere Kreis der Athleten ist zudem zutiefst vernünftig. Die führenden Kämpfer versuchen, die jungen Athleten anzuleiten, die jungen respektieren die älteren. Jeder ist begierig darauf, besser zu werden. Das macht die Arbeit für den Trainer einfacher und ist ein zusätzlicher Anreiz. Ansonsten kommt man an Punkte, an denen man stagniert und es langweilig wird."

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Das MMA Spirit will seinen Kunden und Kämpfern die besten Trainingsmöglichkeiten bieten.

(Foto: Michael Bauer)

Entsprechend abwechslungsreich gestaltet er das Training, immer wieder mischen sich MMA-Elemente in die Jiu-Jitsu-Einheit. Im anschließenden Gespräch wird es psychologisch, fast schon philosophisch. Ein Aspekt, der zwar zur Mainmetropole mit seiner Frankfurter Schule passt, dem oft fälschlicherweise als rau präsentierten MMA-Sport wahrscheinlich niemand zuordnen würde."MMA-Kämpfer sind ein besonderer Typ Athlet. Sie können sehr schlau und trotzdem irrational sein. Gefühlsausbrüche gehören dann dazu." Grenzen aufzeigen, um zu emotionalisieren und einen Lerneffekt zu erzielen - "das ist Teil des Jobs", sagt der Franzose. "Ich bin kein Psychologe, aber bestimmte psychologische Muster muss man dem Kämpfer aufzeigen. Das Kanalisieren von Energie und Emotionen ist ein wichtiger Teil des Sports."

Die am Tag folgende MMA Striking Session ist fast schon ein Kontrast zu BJJ-Einheit. 90 Minuten motiviert und dirigiert Mohamed Ouali die Nachwuchskämpfer und die arrivierten Profis. Es geht deutlich lauter zur Sache, wenn Schläge und Tritte auf Pratzen und Schutzausrüstung treffen. Detailarbeit steht aber auch hier im Vordergrund. Ouali unterbricht regelmäßig einzelne Kämpfer während der Übungen. Balance, Deckung, Fußstellung - der ehemalige Thaibox-Profi scheint alles im Blick zu haben, und hat stets Verbesserungsvorschläge.

"Viele haben einen verrückten Kern"

Als "weltklasse" bezeichnet Max Coga das Trainerteam. "Jeder der hier ist, kann aus der besten Quelle schöpfen, was MMA betrifft." Das Vorzeige-Gym in Frankfurt sei nötig, um MMA auf das nächste Level zu heben. Mittlerweile sei es ein Sport für Menschen aus allen Schichten, sagt der 33-Jährige. "Man darf nicht die Annahme haben, dass die meisten Leute, die kämpfen wollen, Holzköpfe sind. Viele haben einen verrückten Kern, aber das bedeutet nicht, dass sie primitiver sind", räumt der ehemalige NFC-Champion im Federgewicht mit einem Vorurteil auf.

Dieses Vorurteil verfliegt eigentlich schon, sobald man im Gym ankommt. Bereits in der Sitzecke wird jeder per Handschlag begrüßt, selbst wenn man sich nicht kennt. In Gesprächen mit den Kämpfern, Personal und Besuchern fällt immer wieder der gleiche Begriff: familiär. "Familiär, das steht für bestimmte Eigenschaften: Vertrauen, Nähe und ein gemeinsames Ziel zu haben. Das sind für unser Team entscheidende Punkte und ich glaube, so ist man erfolgreicher", erläutert Manager Schlaegel.

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Max Coga über Tainer Ouali: "Er schleift, wo er nur kann."

(Foto: Michael Bauer)

Und auch wenn der Kreis der Top-Athleten sehr eng wirkt, ist die Tür für Neuzugänge immer offen. "Alles eine Frage von Engagement und Geduld", sagt Max Coga. "Die Trainer der Anfängerkurse stehen in Kontakt mit dem Profiteam und dem Management. Wenn man Leute hat, die herausstechen, sich gut entwickeln und den Teamspirit mitbringen, dann kommen die Wettkampfeinheiten. Wer sie sich da bewährt, kann Teil des Wettkämpferteams werden."

Populärer ist MMA in letzten Jahren sicherlich geworden, der ganz große Durchbruch lässt noch auf sich warten. "Es gibt bereits viel Interesse. Die Leute, die MMA ausüben sind ultra interessant", sagt Coga, der nebenbei noch einen Nachtclub in Frankfurt führt. "Dahinter stecken krasse Storys." Gesellschaftlich und medial müsse der Sport so platziert werden, "dass Deutschland stolz auf seine Athleten sein kann. Vor allem auch Frankfurt hat diese Athleten." Da brauche es Local Heroes und Charaktere, die bindend sind. "Wenn das Publikum Sympathie empfindet, dann wird es auch mitfiebern."

Oktagon 36 in Frankfurter Festhalle ausverkauft

Der wohl bekannteste Fighter des Gyms ist Christian Eckerlin. Bei der MMA-Veranstaltung Oktagon 36 (Samstag, 15. Oktober) wird der 35-Jährige vor 10.000 Zuschauern in der Frankfurter Festhalle in den Käfig steigen. Der ehemalige Fußballer ist einer dieser Local Heros in der Mainmetropole, die seiner Meinung nach ein gutes Pflaster für den Sport ist. "Wir Frankfurter sind ja speziell", sagt Eckerlin. "Speziell gut", ergänzt er noch lachend. Er erklärt, dass es für ihn beim Kämpfen mehr um das große Ganze geht. Der US-Veranstalter UFC sei daher auch nicht das Non-Plus-Ultra. "Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann kämpfe ich natürlich da, wo ich mich wohlfühle. Und was kann es da besseres geben als in meiner Stadt vor 10.000 Leuten?!".

Werbung für den Sport in Deutschland macht im Fall von Oktagon 36 ein tschechischer Veranstalter. Laut Schlaegel lohnt der Blick auf andere Veranstalter abseits der UFC. "Viele glauben, dass eine Organisation einen bestimmten Namen haben muss, um von den Gagen leben zu können. Ich weiß, dass viele extrem überrascht wären, wie viel Geld sich auch woanders verdienen lässt. Den Raum für Spekulationen lasse ich aber offen, weil viele gar nicht hören wollen, was es für andere Möglichkeiten gibt."

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Verbeugung vor dem BJJ-Training.

(Foto: Michael Bauer)

Bereits zum zweiten Mal ist die Veranstaltung von Oktagon in Frankfurt ausverkauft. Tolle Kämpfe und eine packende Atmosphäre hatte das Event bereits beim letzten Mal transportiert. Veranstaltungen dieser Größenordnung könnten für MMA in Deutschland laut Schlaegel den nächsten Schritt bedeuten. "Mehr als ausverkaufen kann man nicht. Die Stimmung vom letztem Mal zu übertreffen, wird schwer. Aber damit wurde ein Standard geschaffen, der zeigt, wo wir in Deutschland mit solchen Veranstaltungen hinkommen können."

Schlaegel und sein Team wollen daran in Zukunft weiter mitarbeiten und eines der Zentren für die deutsche MMA-Landschaft bilden. Den hohen Standard, die Philosophie in Training, Außendarstellung und Gemeinschaftssinn soll das MMA Spirit natürlich beibehalten. Und auch die Boa Constrictor wird Ankömmlinge im Gym noch einige Jahre begrüßen. Deren Lebenserwartung liegt schließlich bei bis zu zwanzig Jahren.

Quelle: ntv.de

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