Passen die WM-Teilchen noch? Löw puzzelt in Südtirol
31.05.2010, 21:07 UhrMit Heiko Westermann kommt Joachim Löw ein weiteres Teil seines WM-Puzzles abhanden. Ob der Bundestrainer noch genügend Ersatzteilchen hat oder Ersatz besorgen muss, bleibt sein Geheimnis. Sicher ist: Deutschland muss 2010 ohne festen Händedruck der Kanzlerin in die WM starten - und mindestens ein Spieler muss noch gehen.

Am 20. Tag der Vorbereitung konnte Bundestrainer Joachim Löw erstmals mit dem gesamten vorläufigen Kader trainieren. Der ist allerdings inzwischen von 27 auf 24 Akteure geschrumpft.
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Die Kanzlerin wollte dem leidgeprüften Bundestrainer neuen Mut zusprechen, doch Joachim Löw hatte schon vor der Absage von Angela Merkel wieder auf den harten Alltag umgeschaltet. Der Verletzungsfluch, der sich mit dem WM-Ausfall von Heiko Westermann bei der Fußball-Nationalmannschaft fortgesetzt hatte, war am Montag in Südtirol nur noch kurz ein Thema. "So hart es ist, trotzdem haben wir noch eine Mannschaft zusammen, die sehr stark ist und bei der WM weit kommen kann", sagte Philipp Lahm in seiner ersten "Regierungserklärung" als neuer Kapitän des DFB-Teams in Eppan.
Der angekündigte Kurzbesuch von Regierungschefin Angela Merkel im Teamhotel "Weinegg" musste ausfallen. Die Bundeskanzlerin informierte nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler Manager Oliver Bierhoff telefonisch über die Absage "aus aktuellen Gründen", telefonierte aber am Abend mit Löw und Lahm. Lahm hatte es zuvor als besondere Motivation gewertet, "wenn uns die Bundeskanzlerin einstimmt, dass das Land hinter uns steht".

Am letzten Tag vor der Nominierung des WM-Kaders widmete sich Löw intensiv dem Training.
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Der Bundestrainer schob bei strahlendem Sonnenschein in Südtirol trotz aller Ausfälle und Absagen die düsteren Gedanken zur Seite und widmete sich der intensiven Trainingsarbeit. "Wir haben jetzt auch nicht mehr so viel Zeit. Im Training muss vermehrt gearbeitet werden", erklärte der 50-Jährige mit besonderem Hinweis auf Akteure wie Miroslav Klose oder Mario Gomez, die nach einer persönlich enttäuschenden Saison noch um ihre Turnierform ringen.
Von der fast unheimlichen Verletzungsserie mit schon fünf WM- Ausfällen dürfe sich die Mannschaft nicht beeinflussen lassen, forderte Lahm: "Wichtig ist, dass andere Spieler das auffangen, damit Zweifel erst gar nicht aufkommen." Weiterhin sei das Halbfinale für das junge deutsche Team das WM-Ziel. "Klar ist auch, dass wir von mehr träumen", schloss der Kapitän erstaunlich optimistisch an. Das Amt des verletzten Michael Ballack in Südafrika will der Münchner "mit viel Stolz und Ehrgeiz" ausfüllen: "Wir können nur nach vorne schauen und wissen, dass wir gar nicht so unerfahren sind."
"Gesamtheitlich" einstudieren
Am 20. Tag der WM-Vorbereitung konnte Löw erstmals mit allen noch verfügbaren Akteuren üben und "gesamtheitlich einige Dinge" einstudieren. Lahm, der neue Mittelfeldchef Bastian Schweinsteiger, Aufsteiger Thomas Müller und der dritte Torwart Hans- Jörg Butt stiegen nach abgeschlossener Regeneration endlich voll ins Team-Training ein. Auch der Stuttgarter Sami Khedira, der beim 3:0- Sieg in Ungarn wegen einer leichten Oberschenkel-Blessur nach 45 Minuten vom Platz gegangen war, konnte wieder trainieren.
Für einen der nach dem Westermann-Ausfall noch 24 WM-Kandidaten wird der Dienstag der vorerst letzte Arbeitstag im Team des dreimaligen Weltmeisters. Bis 24.00 Uhr muss der Bundestrainer sein endgültiges 23-köpfiges Aufgebot für Südafrika dem Weltverband FIFA melden. Löw grübelt nach den Ausfällen von Ballack, Träsch und Westermann noch, welchen der Streichkandidaten er nach Hause schicken soll und reizt die Meldefrist bis zur letzten Minute aus.
WM-Kader bleibt vorerst geheim

Heiko Westermann fällt aus - bleibt trotzdem noch mindestens ein Streichplatz im vorläufigen deutschen Kader.
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Am Dienstag werde "keine Entscheidung darüber bekanntgegeben, wie die weiteren Überlegungen der sportlichen Leitung aussehen", kündigte DFB-Mediendirektor Harald Stenger überraschend an. Wann Löw mit den 23 Namen an die Öffentlichkeit geht, wollte der DFB nicht verraten.
Die Entscheidung über den "Heimfahrer" dürfte auch mit der Position Lahms auf dem Spielfeld verbunden sein. Hier lieferte der Bayern-Star zumindest einen kleinen Hinweis. Offiziell sagte Lahm zwar: "Die Entscheidung ist noch nicht gefallen." Doch trotz der mehrfach erwähnten Vorliebe für die rechte Außenbahn, die er in der ganzen Saison beim FC Bayern vorzüglich besetzt hatte, könnte Lahm doch wieder nach links ausweichen: "Ich werde mich immer in den Dienst der Mannschaft stellen."
Wer zieht die WM-Niete?

Philipp Lahm glaubt nicht, dass noch Spieler nachnominiert werden. Er ist allerdings nur Ersatz-Kapitän, nicht Bundestrainer.
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In Eppan wird weiter heftig spekuliert, welcher Spieler die wohl einzige Niete in Löws WM-Verlosung zieht. Unwahrscheinlich, aber möglich ist auch, dass der DFB-Chefcoach einen oder mehrere der verletzten Spieler auf die 23-Mann-Liste setzt. Diese könnte er dann bis 24 Stunden vor dem Anpfiff der ersten deutschen Partie gegen Australien am 13. Juni (20.30 Uhr) in Durban noch austauschen.
Für Lahm sind Nachnominierungen von Spielern, die jetzt nicht bei der Vorbereitung dabei sind, "überhaupt kein Thema". Deshalb seien schließlich mehr Spieler nominiert worden, "die hier täglich mit der Mannschaft trainieren und in einem Top-Zustand sind", sagte der 26 Jahre alte Münchner, der als Ziel das WM-Halbfinale ausgegeben hat. Auch dass sein Bayern-Kollege Klose beim Test gegen Ungarn weiter verunsichert wirkte, ist für Lahm noch kein Alarmsignal: "Bei Miro brauchen wir uns keine Gedanken zu machen. Er tut alles dafür, wieder in Form zu kommen."
Quelle: ntv.de, dpa