Wunschkonzert

WM-Wunschkonzert auf n-tv.de Warum Argentinien es schaffen kann

River Plate Stadion 1978. Argentinien ist Weltmeister. So soll es wieder sein. Vamos Argentina!

River Plate Stadion 1978. Argentinien ist Weltmeister. So soll es wieder sein. Vamos Argentina!

Sie besitzen die Kraft und die Disziplin der Deutschen, das Taktikverständnis der Italiener, die Schlitzohrigkeit und Härte der Uruguayer und das Ballgefühl und den Spielwitz der Brasilianer. Insofern erstaunt es, dass es den Argentiniern erst zwei Mal gelang, den Weltmeistertitel zu erringen. Der Versuch einer Prognose und die Geschichte einer Liebe.

Begonnen hat meine Schwärmerei für die argentinische Nationalelf 1978. Beim Kräftemessen der damals noch 16 besten Mannschaften der Welt in Argentinien traf mich die Begeisterung mit voller Wucht. Ursprünglich war ich als noch kleiner Fan durch die Vorgabe meines wenig fußballaffinen Vaters auf Brasilien fixiert. Das änderte sich schlagartig mit dem ersten Spiel der Gastgeber gegen Ungarn.

Noch nie hatte ich ein solches Inferno aus Fanatismus, Konfetti, Toilettenpapier, Fahnen und tosender, überschäumender Fankultur erlebt, wie es sich mir und der ganzen Welt am 2. Juni 1978 auf den Rängen des mit 76.609 ausverkauften River Plate Stadions in Buenos Aires zeigte. Ein unübertroffenes Spektakel für die Ewigkeit - zusätzlich befeuert durch den kraftvollen Offensivfußball der Gastgeber, die mit ihrem wilden, langmähnigen Aussehen in ihren wunderschönen hellblau-weiß gestreiften Trikots und den schwarzen Hosen diese Fußball-Rock'n'Roll-Show perfekt machten. Von nun an wollte ich Argentinier sein.

Die Dominanz eines Diego Armando Maradona

Argentinien wurde damals Weltmeister. Dass 1978 am Rio de la Plata eine Militärdiktatur herrschte, die vor, während und nach der Weltmeisterschaft die eigene Bevölkerung mordete und missbrauchte, ist eine traurige Tatsache. Der dagegen harmlos anmutende Vorwurf, dieses Regime hätte in Zusammenarbeit mit dem Weltverband Fifa nicht unwesentlich auf den positiven Verlauf des Turniers Einfluss genommen, ist nicht bewiesen, aber denkbar. An meiner Begeisterung für das Team und die Fans hat dies im Nachhinein nichts geändert, es rundet eher das Bild von manipulativer Politik ab, die den Sport im Sinne von "Brot und Spielen" seit jeher zu instrumentalisieren versucht.

Mit dem Gewinn der zweiten Weltmeisterschaft 1986 wurde meine Leidenschaft weiter geschürt. Dieses Mal nicht vor dem Hintergrund zweifelhafter Schiedsrichterentscheidungen und heimischer Kulisse, sondern vielmehr durch die einmaligen Fähigkeiten, den Willen und die Dominanz eines Diego Armando Maradona. Nie zuvor und auch bis dato hat ein einzelner Spieler ein Turnier derart geprägt.

Und 2010? Ein mal mehr Superlative!

Danach wurde das Argentinier-Sein qualvoll. 1990 mogelten sie sich unter Führung Maradonas noch einmal ins Finale. 1994 kam das frühe Aus im Achtelfinale. 1998 im Viertelfinale. 2002 gar in der Vorrunde. 2006 erneut im Viertelfinale. Bei all diesen Turnieren hätte Argentinien ob ihres überragenden Spielerpotenzials Weltmeister werden können. Aber Fußballspiele werden bekanntermaßen nicht nur mit großen Namen gewonnen, sondern auch mit der Kombination der richtigen Spielertypen, Taktik, Disziplin, Willen, Fitness und ausbleibendem Verletzungspech, Tagesform und vor allem dem Glück, welches bereits bei der Auslosung beginnt und sich in den Spielen fortsetzen muss. Von dem einem oder anderen hatte Argentinien in den vergangenen 24 Jahren zu meinem Leidwesen zu wenig.

Und 2010? Einmal mehr Superlative! Maradona als Trainer auf der Bank und eine Offensivabteilung, die einem die Tränen in die Augen treibt. Je nach Betrachter aus Furcht oder Freude. Mit Carlos Tevez (Manchester City), Gonzalo Higuaín (Real Madrid), Sergio Agüero (Atlético Madrid), Diego Milito (Inter Mailand), Lionel Messi (FC Barcelona) und Martin Palermo (Boca Juniors) werden die Topligen der Welt durch weiß-blaue Himmelsstürmer dominiert. Dem Trainer bleibt die Qual der Wahl. Gefüttert und angetrieben wird dieser Märchensturm durch Ballvirtuosen wie Ángel Di María (Benfica Lissabon), Juan Sebastián Verón (Estudiantes de La Plata), Javier Mascherano und Maxi Rodriguez (beide FC Liverpool). Verteidigt werden die Früchte der Offensivarbeit unter anderem durch Martin Demichelis (Bayern München), Walter Samuel (Inter Mailand) und Gabriel Heinze (Olympique Marseille). Sollte dann doch noch ein Ball aufs Tor kommen, steht vermutlich Sergio Germán Romero (AZ Alkmaar) bereit.

Lionel Messi und zehn andere

Bisher hat dieses Who is Who des zeitgenössischen Fußballs nicht so recht überzeugen können. Maradona fiel einmal mehr durch exaltierte Selbstdarstellung als durch Sach– und Taktikverstand auf. Sollte er sich ein wenig zurücknehmen und sich weniger beratungsresistent gegenüber seinem Trainerstab zeigen, läge hier auch eine Chance. Durch die Fokussierung auf den großen Star an der Seitenlinie könnten sich die Akteure ganz auf ihr Spiel konzentrieren und so dem großen Druck ihrer Namen entgehen.

Nur einem wird dies wohl nicht gelingen: Lionel Messi. Was dieser in den letzten Jahren und besonders in dieser Saison zeigte, ist beinahe unübertroffen. Es bleibt eigentlich nur der Vergleich mit Maradona, um seine Klasse zu beschreiben. Aber Messi ist kein Anführer. Zu bescheiden, zu wenig extrovertiert ist seine Persönlichkeit. So wage ich zu bezweifeln, dass Messi allein die Argentinier zum Titel führt. Aber auch darin könnte eine Chance liegen. Während sich die gesamte Fußballwelt auf ihn konzentriert, werden zehn andere Argentinier die Möglichkeit bekommen, Gegner und Spiel zu dominieren.

Diesmal muss es einfach klappen

Ohnehin habe ich in meiner persönlichen WM-Historie die Erfahrung gemacht, dass selten den Spielern oder Mannschaften, die im Vorfeld einer WM alles und jeden an die Wand gespielt haben, dies auch im Turnier gelang. So bleibt auch im Falle Messi zu befürchten, dass dieser sein Pulver bereits verschossen haben könnte und vollkommen überspielt oder verletzt nach Südafrika kommt. Im Falle Argentiniens könnte dies aber den dritten Titel bedeuten.

Insofern wage ich zu hoffen: Argentinien wird Weltmeister. Diesmal muss es einfach klappen.

Quelle: ntv.de

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