"Rein in den Käfig und genießen" Niklas Stolze peilt ersten Sieg in der UFC an
03.06.2022, 19:14 Uhr
Seinen ersten Kampf in der UFC hatte Stolze nach Punkten verloren - im dritten Anlauf soll es mit einem Sieg klappen.
(Foto: USA TODAY Sports)
Mit Niklas "Green Mask" Stolze steht am kommenden Samstag (19 Uhr/UFC Fight Pass) wieder ein Deutscher im Käfig der Ultimate Fighting Championship (UFC). Nach zwei Niederlagen will der 29-Jährige nun seinen ersten Sieg in der Eliteliga einfahren. Dafür wechselt der gebürtige Magdeburger sogar in die mit Stars gespickte Leichtgewicht-Division. Warum er diesen Schritt geht, welche Auswirkungen seine fast viermonatige Vorbereitung in den USA hatte und welche Rolle UFC-Veteran Donald "Cowboy" Cerrone dabei spielt, verrät er im Interview mit ntv.de.
ntv.de: Herr Stolze, Sie treten in Ihrem nächsten Kampf im Leichgewicht an - ein paar Kilo unter dem für Sie gewohnten Weltergewicht. In der UFC gilt das Leichtgewicht von der Leistungsdichte als größte oder schwierigstr Division. Das klingt nach einer noch größeren Herausforderung. Warum haben Sie sich für diesen Schritt entschieden?
Niklas Stolze: Das Leichgewicht ist auf jeden Fall eine große Herausforderung - körperlich und mental. Denn die 70 Kilogramm muss man erst einmal bringen. Was die Talentdichte und das Kämpfen betrifft, denke ich aber, dass ich mich im Leichtgewicht wohler fühlen werde. Vom Körpertyp her passe ich da sehr gut rein und kann da meine Größen- und Reichweitenvorteile ausspielen. Das sind Dinge, die im Weltergewicht mit 77 Kilo auch machbar sind, aber der große Plan war jetzt, ins Leichgewicht zu gehen, um die vermeintlich kleinere Leute zu kämpfen und ein bisschen Erfahrung zu sammeln. Und dann, wenn der Körper irgendwann nicht mehr in der Lage ist, die 70 Kilo zu erreichen, würde ich auch wieder hoch in ins Weltergewicht wechseln.
Und Stand jetzt ist der Körper noch dazu in der Lage, obwohl Sie die Gewichtsklasse nicht explizit kennen?
Jetzt ist gerade alles vorbereitet. Durch einen Test-Weight-Cut und den Daten der anderen Kämpfern hier im UFC Performance Institut konnte man festellen, dass ich genau im Gewichtsrahmen der UFC-Leichtgewicht-Kämpfer bin. Und ich denke, die nächsten zwei, drei Jahre wird das noch so bleiben.
Aber das Gewichtmachen bleibt doch trotz Testlauf eine große Herausforderung?
Ja, die Herausforderung an sich ist schon groß und die eigentliche Herausforderung kommt erst. Vorher war es nur ein Test, jetzt ist es ein Weight Cut und danach ein Kampf - und da muss die Leistung stimmen. Ob man alles richtig gemacht hat, weiß man erst danach. Wird der Körper nach dem Gewichtsverlust schneller müde oder übersäuern die Muskeln schneller - das wären alles Resultate von schlechten Weight Cuts. Und das wiederum kann man natürlich erst im Kampf sehen. Wir sind aber auf einem guten Weg. Ich habe mit Ernährungswissenschaftlern im Perfomance Institute einen sehr guten Plan ausgearbeitet.
Einen Kampf haben Sie im Leichtgewicht in Ihrer Karriere bereits bestritten. Im Käfig ist Ihnen die Erfahrung also nicht völlig fremd.
Das war 2017, aber das Gewicht habe ich damals mit sehr martialischen Methoden gemacht. Und die Leistung im Octagon war auch nicht gut. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie ich das Gewicht geschafft habe. Ich weiß nur, dass ich extrem dumm abgeschwitzt habe und dabei fast blind geworden bin auf meinem linken Auge. Das war alles sehr ungesund.
Und das funktioniert jetzt besser, weil Sie mit so vielen Spezialisten von der UFC zusammenarbeiten?
Ja, auf jeden Fall. Das Performance Institut in Las Vegas, das von der UFC gebaut wurde, um die Leistung der Sportler nach oben zu treiben, ist ein großes Diagnostik-Center rund um MMA. Da arbeiten die besten auf ihrem Gebiet, die besten der Welt. Und ich denke, deswegen ist das Gewichtmachen auch einfacher.
Sie sind seit vier Monaten in den USA. So eine Vorbereitung haben Sie demnach bislang noch nicht gemacht. Wovon haben Sie am meisten profitiert?
Von dem Wissen der ganzen Experten, der Trainer und der Trainingspartner. Ich habe einfach so viel über das Kämpfen und die UFC-Szene gelernt. Ich war auf so vielen Veranstaltungen und konnte gute Kontakte knüpfen.
Es hätte auch die Möglichkeit gegeben, in Deutschland zu trainieren oder in Europa. War der Schritt, für längere Zeit in die USA zu gehen, eine Entscheidung, die Sie unbegingt machen wollten?
Grundsätzlich gibt es einfach keine Möglichkeit, dass man in Deutschland überhaupt ansatzweise auf dem Niveau trainieren könnte, wie ich jetzt trainiert habe. Ein weiterer Grund ist, dass ich einfach den Abstand brauchte von unserer deutschen MMA-Szene und unserer deutsche Bubble. Dort finden zwar immer mehr schöne Veranstaltungen statt, aber viele denken, sie wissen schon, wie das Spiel gespielt wird. Das was ich jetzt in den USA gesehen habe, daran merke ich, dass die Leute in Deutschland einfach leider noch nicht so weit sind. Und deswegen war dieser Schritt nach Amerika für mich so wichtig. Das brauchte ich für mich, weil ich einfach die letzten Jahre zu sehr auf andere Leute geguckt habe und mich davon habe ablenken lassen. Als der der ganze Youtube-Hype losging und jeder Kämpfer auf einmal auch Youtuber oder Streamer sein musste - da haben wir uns zu Litfaßsäulen gemacht, was Sponsoren angeht. Und das ist so eine Sache, bei der ich in den letzten zwei Jahre extrem angefressen war und die mir im Mentalen nicht gutgetan hat. Die vier Monate in Amerika waren wie Detox - plus Traumleben. Ich durfte unter anderem UFC-Legende Donald Cerrone kennenlernen und hatte eine geile Vorbereitung und jetzt den Kampf. Das ist fast nicht in Geld aufzuwiegen.
Sie haben eben schon die Selbstvermarktung über Soziale Medien angesprochen, aber zu einem gewissen Grad kommt man da doch nicht drum herum?!
Ich bin in den Neunzigern groß geworden ist, mit dem eigenen Handy hat das erst mit 13 oder 14 Jahren angefangen. Ich bin eher der Naturbursche und Social Media wird für mich immer schwer sein, das so intensiv in dieser Form zu machen. Aber ich habe eine Freundin, die sehr viel Spaß an Instagram hat und in der nächsten Zeit werde ich sie da einfach ein bisschen mehr machen lassen - als Social Media Managerin, wenn man das so nennen will. Ich brauch das für mich nicht. Ich könnte mein Instagram heute löschen und wäre der glücklichste Mensch der Welt, weil ich für mich wachse, jeden Tag lerne und einfach enorm Spaß habe. Ich zeige auf Instagram das, was ich zeigen möchte und es wird auch auf jeden Fall Youtube Channel geben von mir, weil man einfach - wie schon gesagt - nicht drum herum kommst. Das werden dann aber keine drei Videos die Woche. Ich brauche keine krassen Klicks, ich verdiene mein Geld durchs Kämpfen und bin damit auch super glücklich.
Von Donald "Cowboy" Cerrone wurden Sie ja anscheinend ein bisschen unter die Fittiche genommen. In Ihren Instagram-Stories hat das alles sehr vertraut gewirkt. Was konnten Sie von dem wohl größten noch aktiven UFC-Veteran mitnehmen?
Er hat einfach irgendwie einen Narren an mir gefressen und meiner Person. Auf dem höchsten Level des Sports siehst du, wo gewisse Athleten ihre Prioritäten haben. Und das habe ich hier gesehen. Manchen ist wichtig, dass die Fotos richtig sind und dass einfach alles so perfekt wirkt. Und ich bin überhaupt nicht so. Ich muss nicht fünf mal mein Telefon rausholen und zehn Storys mit anderen UFC-Fightern machen, nur weil sie Millionen Follower haben und mir das vielleicht helfen könnte. Das ist nicht meins. Und das hat "Cowboy" gesehen. Und das hat der extrem gefeiert und ihn vielleicht auch ein bisschen an sich erinnert. Das hat dann einfach geklickt. Durch die Vorbereitung auf unsere Kämpfe hat man sich immer im Performance Institut gesehen - und dann ist es eigentlich eine richtige Freundschaft geworden. Und was ich aus dieser Erfahrung mitgenommen habe, ist zu sehen, dass es alles auch nur Menschen sind. Viele Kämpfer haben schon Rekorde aufgestellt und die verrücktesten Knockouts hingelegt, aber am Ende auch die gleichen kleinen Macken. Die gleichen Gedanken im Kopf. Jeder hat Angst vorm Verlieren. Jeder hat Angst davor, nicht das abrufen zu können, was er eigentlich trainiert hat. Und das interessiert uns Kämpfer in den Momenten gar nicht, weil wir die Vorbereitung genießen sollen. "Enjoy The Journey", das hat "Cowboy" immer zu mir gesagt. Und daran habe ich dieses Mal wirklich gehalten. Es war zwar wie ein doppelte Vorbereitung mit 16 Wochen, aber es hat einfach Spaß gemacht.
Abgesehen von Donald Cerrone - wen schätzen Sie denn am meisten in der neuen Gewichtsklasse? Gibt es jemanden, zu dem Sie aufschauen?
Wer ebenfalls für mich in diese Gewichtsklasse mit reinfällt, ist Max Holloway. Er ist mein absoluter Lieblingskämpfer. Aber wenn man zu jemanden aufblicken kann, dann ist es aktuell eigentlich nur Charles Oliveira. Der Typ hat so viel krasse Siege in seiner Karriere. Das ist einfach unfassbar. Ich habe mit ihm zweimal im Performance Institut trainiert. Der Typ ist so auf dem Boden geblieben und wenn man das auf dem Level noch in dieser Form kann, dann hat man verdient, dass jeder zu ihm schaut und ist zurecht der beste Leichtgewicht-Kämpfer der Welt ist.
Sie werden am Samstag Ihren dritten Kampf in der UFC bestreiten gegen Benoit Saint-Denis. Der Franzose hat sein UFC-Debüt vor einigen Wochen verloren. Sie haben die beiden letzten Kämpfe ebenfalls verloren und stecken beide somit in einer ähnlichen Situation. Was können wir da für einen Kampf erwarten?
Ich habe gesehen, was in seinem Debüt passiert ist, aber ich denke, er ist ein super taffer Gegner. Den musst du wahrscheinlich erschießen, damit er liegen bleibt. Er hat ein richtig gutes Kinn, hat ein gutes Grappling und ist Linksausleger. Das sollte mir aber liegen. Ich erwarte eigentlich eine ziemlich saubere Performance von mir. Ich suche mir meine Schläge, versuche punktuell und akkurat zu treffen und kann es damit auch beenden. Wenn's auf den Boden geht, bin ich super gespannt. Eigentlich würde ich mich gerne mit ihm direkt auf den Boden hauen und mit grappeln, weil ich einfach hier so viel Jiu-Jitsu trainiert habe. Das würde ich natürlich gerne zeigen, aber der Plan ist sehr solides und schönes Boxen. Ich möchte wirklich rein in den Käfig und Zeit aufsaugen. Das ist mir sehr wichtig.
Wenn es auf dem Boden geht gegen so einen starken Jiu-Jitsu-Kämpfer, kann es mit einem Fehler - der im Striking vielleicht noch verziehen wird - vorbei sein. In den Bodenkampf zu gehen, klingt dann zwar wie ein interessanter aber auch riskanter Plan, oder nicht?
Als ich früher meine Kampfbilanz aufgebaut habe, haben wir immer geguckt in welchem Bereich der Gegner spezialisiert ist. Dann hat man versucht, diesen Bereich zu meiden. In der UFC triffst du in jedem Kampf auf einen Schwarzgurt in Karate, Judo, Jiu-Jitsu oder einen Profiboxer. Da ist fast gar nicht zu vermeiden, dass jemand seine Stärken ausspielt. Man muss sich so gut vorbereiten, dass man in allen Bereichen einfach zu 1000 Prozent fit ist. In Deutschland hatte ich zwar auch gute Sparringspartner, aber der Gegner im Kampf war der Gipfel, den ich erklimmen musste. Und deswegen habe ich mich jetzt in den USA auch in die tiefen Gewässer begeben und mit den richtig guten Jungs gerollt. Ich habe mir gedacht, wenn Jiu-Jitsu-Weltmeister mich nicht zum Abklopfen und zur Aufgabe bringen können, dann schafft mein Gegner im Käfig das sowieso nicht. Da kommt dann wieder das Mindset in Spiel. Man hat mit Leuten trainiert, die einfach besser sind als der Gegner im Käfig. Wenn ich gegen die Jungs bestehen kann, dann kann ich das auf jeden Fall gegen Benoit Saint-Denis.
Visualisieren Sie, wenn Sie in den Käfig steigen, wie der Kampf eventuell ablaufen und ausgehen könnte?
Man hat schon einen gewissen Ablauf und man möchte seinen Game Plan irgendwo durchzusetzen. Aber was ich zum Beispiel jetzt hier gelernt habe, ist das, dass man immer versuchen muss, sich anzupassen. Das können auch kleinere Verletzungen sein, die dich einschränken. Im Kampf kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren und man muss ein bisschen vom Plan abweichen. Und wer sich besser ans Kampfgeschehen anpasst, gewinnt in der Regel. Von daher versuche ich auf der einen Seite im Kopf einen Plan zu haben, aber die andere Seite komplett leer zu lassen. Das heißt, wenn ich einfach merke, es geht nicht so, wie ich es jetzt wollte, muss ich etwas anderes probieren.
Jetzt sind Sie in der Situation, mit zwei Niederlagen in den Kampf zu gehen. Ist das ein besonderer Druck?
Den Druck hast du immer. Verlierst du den Kampf vor der UFC, kommst du nicht in die UFC. Dominieren in deiner Bilanz nicht die Siege, dann nehmen sie dich auch nicht. Vor dem letzten Kampf habe ich mir sehr viel Druck gemacht und jetzt ist es eher wieder weniger, weil ich das einfach genießen werde und den bestmöglichen Kampf abliefern will. Die UFC kann dann danach entscheiden, was sie mit mir machen.
Die UFC kommt auch wieder nach Europa. Im Juli ist eine Veranstaltung in London, eine weitere im September in Paris. Das wären doch ein tolle Möglichkeiten für einen weiteren Kampf.
London habe ich nicht auf dem Schirm, das würde meinem Körper absolut nicht guttun. Paris wäre mega. Das hat noch mal einen speziellen Reiz, weil europäische Fans anders drauf sind. Wir haben einfach eine andere Fankultur, die man aus Fußballstadien kennt: Grölen, euphorisch sein, Fangesänge und so. Sollte ich mit Knockout oder Submission gegen Benoit Saint-Denis gewinnen, würde ich da auch einen Kampf bekommen - da bin ich mir ziemlich sicher.
Mit Niklas Stolze sprach Michael Bauer
Quelle: ntv.de