Formel 1 trauert um Max Mosley Mächtig, visionär - und umstritten
25.05.2021, 18:39 Uhr
Max Mosley verstarb am Montag im Altern von 81 Jahren.
(Foto: Reuters)
Max Mosley, der langjährige Boss des Weltverbandes FIA, prägte eine wichtige Ära der Formel 1. Er setzte sich vehement für die Sicherheit der Fahrer ein und bewies schon früh Weitsicht - was ihn aber auch den Job kostete. Unumstritten war er dabei nie.
Romain Grosjean hatte im November 2020 beim Horror-Crash in Bahrain einige Schutzengel im Boliden dabei. Der Franzose überlebte im Feuerball und zweigeteilten Haas-Wrack wie durch ein Wunder mit Verbrennungen und Verletzungen an der Hand. Es waren aber nicht nur Schutzengel, sondern auch die immer wieder verschärften Sicherheitsvorkehrungen der Formel 1, die den Haas-Piloten retteten.
Diese hohen Sicherheitsstandards sind Teil des wichtigen Erbes von Max Mosley. Der langjährige FIA-Boss ist am Montag im Alter von 81 Jahren an einem Krebsleiden verstorben. In seiner 16-jährigen Amtszeit drängte der Brite unermüdlich auf Verbesserungen und ein Höchstmaß an Sicherheit für die Fahrer, nicht nur in der Formel 1, sondern auch im allgemeinen Straßenverkehr.
Mosley hatte die Macht, dieses Projekt voranzutreiben. Von 1993 bis 2009 führte er die Geschicke des Weltverbandes FIA und war in dieser Position der starke Mann neben Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone. Das Duo prägte die Rennserie enorm, machte sie zum Milliarden-Business und scheute dabei wenig bis keine Konflikte. Ecclestone war im Gespann dabei oft der Dealmaker, der Verkäufer. Mosley das anwaltliche Hirn und Strippenzieher.
Zaghafte Anfänge als Fahrer
Der promovierte Physiker und Jurist hätte wohl auch in der Politik Karriere machen können, nicht zuletzt wegen seines legendären Machtinstinkts und Intellekts. In die englische Politik verirrte sich Max Mosley aber nur kurz. Das dunkle Familienerbe war eine Last. Mosleys Vater Sir Oswald war der Gründer der faschistischen Partei Großbritanniens und ist bis heute höchst umstritten. Statt in der Politik startete Max Mosley also im Motorsport durch.
Schon in den 1960er-Jahren setzte sich selbst hinters Lenkrad, schaffte es als Fahrer aber "nur" bis in die Formel 2 und attestierte sich selbst eher weniger Talent. Nach dem Rücktritt als aktiver Fahrer gründete er kurzerhand das Formel-1-Team March. Es stand für die Namen Mosleys und seiner Freunde: Max Mosley, Alan Rees, Graham Coaker und Robin Herd. Zwei dritte Plätze in der Konstrukteurswertung erreichte das Team unter Mosley zwischen 1969 und 1977.
Dann begann die große Zeit der Verbandsämter. Erst übernahm er einen Posten bei der Teamvereinigung FOCA (Formula One Constructors' Association). Dort arbeitete er als rechtlicher Berater an der Seite von Ecclestone gegen das F1- und FISA- (damaliger Weltverband)-Establishment. Der wohl größte Erfolg: Mosley war einer der Macher und Köpfe des Concorde-Abkommens, also der "Formel-1-Verfassung", die bis heute die wichtigsten Angelegenheiten der Königsklasse zwischen FIA, Teams und FOM (F1-Management) regelt.
1991 wechselte er dann die Seite, wurde Präsident der FISA (Verband, der für das sportliche Reglement der Formel 1 verantwortlich war und lange Jahre im Clinch mit der FIA lag). 1993, als er sich nach der FISA-Auflösung gegen Jean-Marie Balestre durchsetzte, wurde er Chef der mächtigen FIA. Kumpel Ecclestone hielt in der F1 die Fäden in der Hand. Das Duo war ganz oben angekommen. Beide verband eine große Vertrautheit und Freundschaft. Die Trauer beim 90-jährigen Ecclestone ist groß. "Es ist so, als würde man ein Familienmitglied, einen Bruder verlieren", sagte er der BBC. "Er hat viele gute Dinge getan, nicht nur im Motorsport, auch in der Branche. Er war sehr gut darin, dafür zu sorgen, dass die Leute Autos bauen, die sicher sind."
"Auf Funktionärsebene wie Schumacher auf der Fahrerseite"
Eben das war Mosleys großer Verdienst. Katalysiert wurde diese Entwicklung durch den tiefen Schock im Jahr 1994. Nach den tödlichen Unfällen von F1-Legende Ayrton Senna und Roland Ratzenberger beim schwarzen Wochenende von Imola im Mai 1994 trieb er das Projekt Sicherheit unablässig voran. Strecken wurden angepasst, die Leistung der Autos gedrosselt, neue Reifen führten zu langsamerem Tempo in den Kurven - auch gegen Widerstände aus der F1.
Die Einführung des HANS-Systems (Head and Neck Support) für den Schutz von Hals und Nacken geht ebenfalls auf Mosley zurück. Der Motorsport-Funktionär setzte sich auch abseits der F1 für mehr Sicherheit in Autos ein. Beispielsweise bei der Entwicklung von Crashtests und dem "Euro NCAP", einem Programm zur Bewertung der Sicherheit im Auto.
"Für mich war er auf Funktionärsebene wie Michael Schumacher auf der Fahrerseite", sagte RTL-Reporter und F1-Urgestein Peter Reichert im RTL Insta-Talk "Letzte Runde" zum Schaffen Mosleys. "Die Sicherheit in der Formel 1, im Motorsport und der Autoindustrie war etwas, was ihm ganz, ganz wichtig war. Da war er wie ein Duracell-Häschen. Er hat nie aufgehört, neue Systeme zu entwickeln."
An Ideen und Projekten mangelte es bei dem umtriebigen Motorsport-Chef nicht. Und es hat etwas von Ironie, dass die Formel 1 nun eine Kernidee von Mosley mit deutlicher Verzögerung umgesetzt hat. Schon vor etlichen Jahren hatte Mosley den Kostendeckel für die F1-Teams gefordert (damals 45 Millionen Euro). Der Brite hatte immer wieder betont: Die F1 ist viel zu teuer. Gerade mit Blick auf die Mittelfeldteams. Seine Befürchtung: Zu wenig Wettbewerb bedroht die Formel 1 auf Dauer.
Ein Skandal und die Folgen
Und ausgerechnet jener Vorstoß kostete Mosley 2009 eine weitere Amtszeit. Er trat nicht mehr an. Der Streit mit den Teams um einen Kostendeckel brachte die Rennställe endgültig gegen Mosley auf. Die Teams waren außer sich, drohten gar mit einer eigenen Rennserie, wenn man so will, dem Pendant zur "Super League" im europäischen Fußball. Zwölf Jahre später ist der Budgetdeckel (145 Millionen Dollar) fester Bestandteil der Formel 1.
Zur eindrucksvollen und bunten Lebensgeschichte von Mosley gehört allerdings auch ein unrühmlicher Skandal. Die britische Boulevardzeitung "News of the world" veröffentlichte ein Jahr vor seinem FIA-Aus (2008) ein pikantes Sexvideo, das weltweit Schlagzeilen machte. Mosley überstand die Affäre - die große Mehrheit der FIA stimmte im Misstrauensvotum für ihn. Mosley wehrte sich zudem juristisch erfolgreich gegen die Berichterstattung, die von einer "Nazi-Orgie" gesprochen hatte - durch die familiäre Vorgeschichte Mosleys erregte der Skandal noch mehr Aufmerksamkeit.
Mosley hatte ein neues Projekt, für das er brannte: der Kampf für das Recht auf Privatsphäre. Erst 2015 endete Mosleys juristische Auseinandersetzung mit dem Suchmaschinen-Giganten Google. Er wollte den Tech-Riesen zwingen, entsprechendes Video und die Bilder nicht mehr zu zeigen. "Ich habe mir gedacht, wenn ich es nicht mache, dann werden sie sich mindestens zehn Jahre weiter so benehmen und Leute bloßstellen, die sich nicht verteidigen können. Ich denke, ich habe das Richtige getan und bin sehr zufrieden damit", sagte Mosley einst in einem Interview mit der "Deutschen Presse-Agentur".
Anschließend zog er sich mehr und mehr ins Privatleben zurück. Schlagzeilen um Mosley hatten Seltenheitswert. Ab und an meldete er sich aber zu Wort, meist mit kritischen Tönen gegenüber der neuen F1-Führung Liberty Media. Sein Einsatz für mehr Sicherheit im Motorsport, von der nicht zuletzt auch Romain Grosjean profitierte, wird nicht in Vergessenheit geraten.
Quelle: ntv.de