Formel-1-Weltmeister fährt hinterher Vettel, verzweifelt in der Gurke
16.04.2012, 15:26 Uhr
"Wo ist der Marsmensch geblieben?" Sebastian Vettel.
(Foto: dpa)
Weltmeister Sebastian Vettel fährt hinterher. Sein Auto ist zu langsam. Klingt ein bisschen wie die Geschichte vom Bauern, der nicht schwimmen kann und dafür die Badehose verantwortlich macht. In der Formel 1 scheint das aber anders zu sein. Die Hoffnung gibt Vettel jedenfalls noch nicht auf.
Diesmal stand ihm keine Gurke im Weg, in China saß Weltmeister Sebastian Vettel selbst in einer. Auch im dritten Formel-1-Rennen des Jahres in China fuhr der Überflieger des Vorjahres nur hinterher, doch diesmal zeigte er sich als guter Verlierer. Keine Flüche, keine Beleidigungen von Kollegen, keine Ausflüchte. "Sicher hätte es auch besser sein können, aber mit solchen Gedanken sollte man sich nicht allzu lange aufhalten, sondern aufs nächste Rennen schauen", sagte der Titelverteidiger.
Vettel wusste: Er hatte außer dem verpatzten Start keine Fehler gemacht und mit einer beherzten Aufholjagd sogar seine Klasse gezeigt, das Team hatte noch die beste Strategie für ihn gewählt. Es gab im Endeffekt nur eine Schuldige: Abbey, sein Auto, das weiter zickt und "einfach nicht schnell genug" ist. Ein elfter Platz im Qualifying und ein fünfter im Rennen waren das Maximum in Shanghai, ein ernüchternderes Zwischenfazit kann es für die erfolgsverwöhnten Doppelweltmeister eigentlich nicht geben. Die Presse, vor allem die wortgewaltige italienische litt mit dem Titelverteidiger. "Wo ist der Marsmensch geblieben?", fragte die italienische Zeitung Repubblica. "Vettel wird wahnsinnig", meinte die "Gazzetta dello Sport". "Vettel leidet und leidet", hieß es bei "Tuttosport".
"Richtig Spaß gemacht, Sebastian zu überholen"
Vettel, den in Malaysia der von ihm später als Gurke bezeichnete Inder Narain Karthikeyan den vierten Platz gekostet hatte, nahm's aber gefasst auf und erklärte, er sei "eigentlich ganz zufrieden". Was ihn treffen dürfte, war der Spott der Kollegen. "Es hat richtig Spaß gemacht, Sebastian zu überholen", sagte der im Vorjahr am Deutschen fast verzweifelte Jenson Button, dessen McLaren-Mercedes deutlich schneller ist: "Das war vielleicht der beste Moment im ganzen Rennen." Vettel hatte auch seine guten Momente, vor allem die Aufholjagd von Platz 20 bis auf Rang zwei. Der schlimmste Moment jedoch war der Start. Den habe er "verschlafen", stellte der 24-Jährige fest: "Und dann hatte ich eine wirklich schlimme erste Runde." Statt das Feld wie im Vorjahr von vorne zu dominieren, musste er sich nun plötzlich im dichten Mittelfeld duellieren.
Dass die Reifen ihn in den letzten zehn Runden im Stich ließen, bedeutete jedoch nicht, dass die Zwei-Stopp-Strategie falsch war. Im Gegenteil: Das Team und Vettel hatten sie bewusst gewählt, weil jeder weitere Reifenwechsel Verkehr bedeutet hätte - und der Red-Bull-Renault aufgrund fehlenden Tempos auf den Geraden derzeit kaum in der Lage ist, andere Autos zu überholen. Daher denken die Bullen um Teamchef Christian Horner und Technik-Guru Adrian Newey jetzt ernsthaft darüber nach, das zunächst umstrittene, aber mehrfach von den Rennkommissaren abgesegnete Mercedes-Heckflügelsystem nachzubauen.
"Sie haben das optimiert und ziehen Kapital daraus, so dass jetzt jetzt unvermeidlich alle nach eigenen Lösung suchen werden", sagte Horner. Zudem schwankt das Team auch noch zwischen verschiedenen Auspufflösungen und könnte auch noch beim nächsten Rennen noch zweigleisig fahren, obwohl man so in Shanghai schon "unglaublich viele Informationen" gesammelt habe. Dieses nächste Rennen steht aber schon am kommenden Sonntag in Bahrain an, und Vettel hofft, "dass es schon ein bisschen besser aussehen wird". Horners Mannschaft sucht vor allem nach eine bessere Leistungsfähigkeit im Qualifying. Denn die 15 Pole Positionen im Vorjahr waren letztlich der Schlüssel zu Vettels souveränen Durchmarsch zum WM-Titel. Denn schließlich war auch Abbeys Vorgängerin Kinky Kylie auf den Geraden schon nicht die schnellste gewesen.
Quelle: ntv.de, Holger Schmidt, sid