Farblos, aber erfolgreich DFB-Elf kämpft Portugal nieder
09.06.2012, 22:52 Uhr
Gomez köpft und trifft.
(Foto: REUTERS)
Die deutsche Nationalelf hat gegen Portugal Glück. Erst zirkelt Pepe den Ball kurz vor der Pause an die Unterkante der Latte. Dann trifft Mario Gomez, als er schon von Miroslav Klose ersetzt werden soll. Kurz vor dem Ende behält Torwart Manuel Neuer gegen Varela die Oberhand. Die DFB-Elf spielt im ersten ihrer EM-Gruppenspiele nicht kreativ und schön, aber erfolgreich.
Mario Gomez war eigentlich schon ausgewechselt. Miroslav Klose stand an der Seitenlinie bereit, als noch einmal eine Flanke in den portugiesischen Strafraum segelte. Der Torjäger vom FC Bayern, der zuvor wie die gesamte deutsche Offensive glücklos agiert hatte, stieg noch einmal hoch. Diesmal schaffte er, was an diesem Fußballabend schon aussichtslos erschienen war. Er traf - und schickte Klose zurück auf die Bank. Gegen die Laufrichtung von Keeper Rui Patricio wuchtete Gomez den Ball ins lange Eck. Nach 72 Minuten war es die Führung für das DFB-Team im verkrampften EM-Auftaktspiel gegen Portugal.
Nach 90 Minuten war es auch der 1:0-Endstand in Lemberg, weil Portugal durch Pepe und Nani nur die Ober- und Unterkante der Latte traf. In der hektischen Schlussphase, in der die Portugiesen stürmisch den Ausgleich erzwingen wollten, avancierte Torhüter Manuel Neuer mit einer Glanzparade in der 88. Minute gegen den freistehenden Varela zum zweiten Sieggaranten neben Gomez.
Der für Routinier Klose in die Startelf gerückte Stürmer bescherte dem Team von Bundestrainer Joachim Löw mit seinem Treffer einen perfekten EM-Start. Aufgewertet wurde der 1:0-Zittersieg durch die sensationelle 0:1-Niederlage der Niederlande gegen Dänemark. Bei optimalem Verlauf hat das DFB-Team nun die Chance, sich schon im zweiten Gruppenspiel am Mittwoch gegen Oranje vorzeitig für das EM-Viertelfinale zu qualifizieren.
Allerdings: Überzeugen und die hohen Erwartungen bestätigen konnte die deutsche Mannschaft gegen die Portugiesen in Lemberg nur selten. Dem Team von Bundestrainer Joachim Löw fehlte die spielerische Leichtigkeit, mit der man in der EM-Qualifikation zu zehn Siegen in zehn Spielen spaziert war. Vom Vertrauen in die eigene Stärke war wenig zu sehen. Die DFB-Elf agierte lange Zeit gehemmt, zu statisch. Die Automatismen im Angriff griffen ohne die etatmäßige Sturmspitze Klose nicht.
Zwei Überraschungen in der Startelf
Das Geburtstagskind war von Löw ebenso wie der etatmäßige Abwehrchef Per Mertesacker auf die Bank beordert worden. Stattdessen agierte der stark aufspielende Mats Hummels neben Holger Badstuber in der Innenverteidigung, während Mario Gomez die Rolle als einzige Sturmspitze ausfüllte.
Der Münchner hatte bereits nach 120 Sekunden die erste Chance für Deutschland. Nach Ballgewinn von Bastian Schweinsteiger kam der Ball über Mesut Özil zu Jerome Boateng, dem Löw trotz seines nächtlichen Barbesuchs das Vertrauen geschenkt hatte. Die Flanke des Rechtsverteidigers brachte Gomez scharf aufs Tor, doch Portugals Keeper Rui Patricio war zur Stelle. Danach gewann bei beiden Mannschaften das Sicherheitsdenken die Oberhand. Die deutsche Abwehr hatte Portugal mit dem blassen Superstar Cristiano Ronaldo gut im Griff, der deutsche Angriff keine zündenden Ideen. Auch einen Außenristschuss von Podolski (9.) konnte Patricio sicher entschärfen.
Mit Urgewalt in die Mauer
Erst in der 24. Minute lag der Ball endlich im portugiesischen Tor. Sami Khedira hatte trotz Fouls am Strafraum auf Mario Gomez durchgesteckt, der verwandelte flach unten links, wie es Torjäger tun. Doch statt zu jubeln, lamentierte Gomez nur wütend in Richtung des Schiedsrichters Stephane Lannoy. Der Franzose hatte dem deutschen Team den Vorteil einfach abgepfiffen. Statt Tor gab es nur Freistoß, für den sich Lukas Podolski eine besonders originelle Variante ausdachte: Mit Urgewalt wollte er einfach durch Portugals Mauer schießen – und scheiterte. Es war die auffälligste Szene des künftigen Arsenal-Profis, der keine Bindung zum Spiel fand.
Gleichzeitig war sie symptomatisch für das deutsche Offensivspiel in der ersten Halbzeit, dem es gegen die kompakte portugiesische Abwehr an Ideen und Handlungsschnelligkeit sowie Genauigkeit im Abschluss (Podolski, 30.) und Übersicht beim letzten Pass (Müller, 45.) fehlte. Die Statistik wies zwar mit 62 Prozent Ballbesitz für das DFB-Team und 58 Prozent gewonnenen Zweikämpfen eine deutliche Überlegenheit aus. Auf dem Platz auszumachen war sie nicht. Auch das Torschussverhältnis von 8:3 manifestierte sich nicht in einem klaren Chancenplus. Die größte Torgelegenheit im ersten Durchgang hatte vielmehr Portugal. Nach einer Ecke traf Pepe in der 45. Minute aus elf Metern nur die Unterkante der Latte.
Viele Defizite, keine Wechsel
Löw verzichtete trotz der offensichtlichen Defizite in der Halbzeitpause auf Wechsel. Sein Vertrauen zahlte sich zunächst nicht aus. Das deutsche Team hatte zwar optisch weiter mehr vom Spiel, agierte vor dem Tor aber nicht zwingend genug. Ein abgeblockter Podolski-Schuss (46.) und eine Kopfballchance von Gomez (57.), mehr war an Torgelegenheiten nicht zu vermerken. Erst als der Bundestrainer in der 72. Minute Jubilar Klose an seinem 34. Geburtstag zur Einwechslung schickte, traf Gomez nach einem abgefälschten Flankenball von Khedira zur DFB-Führung.
Nach dem Rückstand drängten die zuvor primär auf die Defensive bedachten Portugiesen plötzlich mit Wucht auf den Ausgleich. In der 84. Minute senkte sich ein Nani-Schuss über Neuer hinweg auf die Oberkante der Latte. Die größte Chance hatte zwei Minuten vor Schluss Varela freistehend aus sechs Metern, doch er konnte den bravourös haltenden Manuel Neuer nicht überwinden. Näher sollten die Portugiesen dem Ausgleich in Lemberg nicht mehr kommen.
Quelle: ntv.de