Interview mit Mario Gomez "Das war für mich kein Weltuntergang"

Auf der Bank statt vor dem Tor: Mario Gomez.

Auf der Bank statt vor dem Tor: Mario Gomez.

(Foto: dpa)

Dreimal steht Mario Gomez in der EM-Vorrunde in der Startelf, dreimal trifft er und widerlegt seine Kritiker. Trotzdem muss er im Viertelfinale gegen Griechenland zurück auf die Bank. Eine Enttäuschung für ihn, aber "persönlich kein Rückschritt", sagt Gomez - und für Bundestrainer Joachim Löw eine „wunderschöne Situation“, wie der sensible Bayern-Stürmer findet: "Er kann aus 23 Spielern genau das Team aufstellen, das er für das Spiel braucht." Mit n-tv.de und dem „Mannheimer Morgen“ spricht Gomez über seine Halbfinal-Chancen gegen überraschend offensive Italiener, Sturmkonkurrent Miroslav Klose, den außergewöhnlichen Teamgeist im DFB-Team – und sein Frisurenduell mit Marco Reus.

n-tv.de: Herr Gomez, Sie schießen drei entscheidende Tore in der EM-Vorrunde und im Viertelfinale sagt der Trainer: Du spielst nicht. Wie haben Sie da reagiert?

Mario Gomez: Klar ist man als Spieler enttäuscht, keine Frage. Aber nach ein, zwei Stunden ist das vorbei. Es war in den vergangenen Jahren immer so, dass Miroslav Klose in der Nationalmannschaft die erste Rolle gespielt hat, und ich bin froh, bisher einen wichtigen Teil bei einem Turnier gespielt zu haben. Zwischen Miro und mir gibt es wirklich keine Rivalität, sondern nur einen Konkurrenzkampf. Der Bundestrainer hat bisher alles richtig gemacht und das Wichtigste ist ohnehin, dass wir nach Kiew zum Finale fahren - und es gewinnen.

Wie hat Ihnen Joachim Löw denn Ihr Fehlen in der Startformation gegen Griechenland begründet?

Er wollte nach den drei kräftezehrenden Spielen in der Vorrunde neuen Schwung in die Offensive bringen. Deshalb sind drei Spieler reingekommen, die den Akku noch voll hatten.

Versucht man in diesem Moment auch in eigener Sache zu argumentieren und sagt: Ich fühle mich doch auch fit und habe einen Lauf?

Das wusste der Trainer ja. Er hat mir auch gesagt, dass ihm die Entscheidung schwergefallen ist. Als Spieler hat man das zu akzeptieren. Das war für mich persönlich kein Rückschritt und kein Weltuntergang. Ich habe mich wie alle anderen gefreut, dass wir ins Halbfinale eingezogen sind.

Wie sehen Sie Ihre Chancen, gegen Italien im Halbfinale wieder in die Startelf zu rücken?

Das weiß ich nicht. Da müssen Sie den Trainer fragen. Es ist sicher so, dass wir uns in den kommenden Tagen mit Italien beschäftigen werden und besprechen, wie wir gegen sie spielen wollen. Dann wird man sehen. Ich glaube nicht, dass schon eine Entscheidung gefallen ist.

Länderspielbilanz gegen Italien
  • 01.01.1923 in Mailand .............. 1:3
  • 23.11.1924 in Duisburg ............ 0:1
  • 28.04.1929 in Turin .................. 2:1
  • 02.03.1930 in Frankfurt/Main ... 0:2
  • 01.01.1933 in Bologna ............. 1:3
  • 15.11.1936 in Berlin ................. 2:2
  • 26.03.1939 in Florenz .............. 2:3
  • 26.11.1939 in Berlin ................. 5:2
  • 05.05.1940 in Mailand .............. 2:3
  • 30.03.1955 in Stuttgart ............ 1:2
  • 18.12.1955 in Rom .................. 1:2
  • 31.05.1962 in Santiago ............ 0:0 (WM)
  • 13.03.1965 in Hamburg ........... 1:1
  • 17.06.1970 in Mexiko-Stadt ..... 3:4 n.V. (WM)
  • 26.02.1974 in Rom ................... 0:0
  • 08.10.1977 in Berlin ................. 2:1
  • 14.06.1978 in Buenos Aires ..... 0:0 (WM)
  • 11.07.1982 in Madrid ............... 1:3 (WM)
  • 22.05.1984 in Zürich ................ 1:0
  • 05.02.1986 in Avellino .............. 2:1
  • 18.04.1987 in Köln ................... 0:0
  • 10.06.1988 in Düsseldorf ......... 1:1 (EM)
  • 25.03.1992 in Turin .................. 0:1
  • 23.03.1994 in Stuttgart ........... 2:1
  • 21.06.1995 in Zürich ................ 2:0
  • 19.06.1996 in Manchester ....... 0:0 (EM)
  • 20.08.2003 in Stuttgart ............ 0:1
  • 01.03.2006 in Florenz .............. 1:4
  • 04.07.2006 in Dortmund .......... 0:2 n.V. (WM)
  • 09.02.2011 in Dortmund .......... 1:1

Wie schätzen Sie die Italiener ein?

Der Sieg gegen England war hochverdient, sie hätten das Spiel eigentlich schon in der regulären Spielzeit entscheiden müssen. Das wird für uns auf jeden Fall eine sehr schwere Aufgabe. Ich habe schon vor dem Turnier gesagt, dass ich Italien gut einschätze. Das ist nicht mehr das typische, nur auf Verteidigen angelegte Italien. Man hat gesehen, sie erarbeiten sich viele Chancen und haben mit Pirlo einen überragenden Spieler in ihren Reihen, der nach wie vor den Takt vorgibt. Und sie haben mit Cassano und Balotelli zwei gefährliche Stürmer.

Eine schwere Aufgabe für Mats Hummels und Holger Badstuber.

Ja, aber die beiden spielen ein klasse Turnier, und ich hoffe, sie werden die italienischen Stürmer schon in Schach halten.

Wie wichtig ist die starke deutsche Bank für den Erfolg im Turnier?

Sehr wichtig. Man sieht das zum Beispiel bei Marco Reus, der die ganze Vorrunde nicht gespielt und dann gegen Griechenland eine überragende Partie abgeliefert hat. Es ist für den Trainer eine wunderschöne Situation. Er kann aus 23 Spielern genau das Team aufstellen, das er für das Spiel braucht.

Bei Frankreich oder den Niederlanden gab es mehr Ärger bei Spielern die auf die Bank mussten.

Bei den Auswechslungen im Spiel Spanien gegen Frankreich hat man im Gesicht der Franzosen ablesen können, was bei denen im Team gerade abgeht. Das gibt es bei uns nicht. Darauf können wir Spieler und die Fans daheim stolz sein.

Wie kommt es, dass sich dieser Teamgeist so gut entwickelt hat?

Der Kern der Mannschaft ist über Jahre zusammen. Wir haben unglaublich viele junge, talentierte Spieler, die ihr Ego zurückstellen können. Die Trainer haben bei der Nominierung auch auf die Typen geachtet. Im Moment greift das alles sehr gut. Jeder freut sich für den anderen. Das ist schon außergewöhnlich.

Und im Sturm?

Miro und ich sind für den funktionierenden Teamgeist das beste Beispiel. Wir wollen beide unbedingt spielen, wir haben beide unsere Qualitäten, der Trainer hat die freie Wahl. Trotzdem ist es bei uns so, dass wir uns gut verstehen. Letztendlich haben wir beide schon so viel erlebt, dass wir einschätzen können, was wichtig ist. Ich habe mein Ego noch nie über die Ziele der Mannschaft gestellt, Miro auch nicht. Und so ist es bei allen 23 Spielern, die hier sind.

Haben Sie aus den Rückschlägen in Ihrer Karriere gelernt? Sind Sie gelassener geworden?

Ich hätte auf diese Phasen gerne verzichtet, aber ich kann die Dinge jetzt besser einschätzen. Im Fußball musst du immer dran bleiben, dann wirst du deine Chance wieder bekommen. Das ist Leistungssport. Du musst dich jeden Tag neu beweisen. Das Geleistete zählt wenig.

Haben es die Stürmer eigentlich bei dieser EM aufgrund der weit verbreiteten defensiven Spielweise schwerer als sonst?

Bei diesem Turnier spielen die besten Verteidiger der Welt, und als Mittelstürmer spielst du bei den meisten Systemen meistens immer gegen zwei Innenverteidiger. Das ist schon nicht einfach. Auch weil ich in der Champions League oft getroffen habe und eine gute Saison hinter mir habe, sind alle noch motivierter, mich auszuschalten.

Joachim Löw hat ja schon einmal davon gesprochen, auch mit zwei Stürmern zu spielen. Halten Sie das für denkbar?

Es gab bisher keinen Grund, etwas am System zu ändern. Wir haben im 4-2-3-1 eine außerordentlich gute taktische Ausrichtung, die Laufwege und die Abstimmung passen. Da gibt es momentan keinen Bedarf.

Was sagen Sie eigentlich zur Maulwurf-Affäre?

Das Lustige daran ist ja, dass genau die Zeitungen, die die Aufstellung immer vorher veröffentlichen, jetzt nach dem Maulwurf suchen.

Hat sich Mehmet Scholl nach seiner harschen Kritik noch einmal bei Ihnen gemeldet?

Wer hat die bessere Frisur? Mario Gomez und Marco Reus.

Wer hat die bessere Frisur? Mario Gomez und Marco Reus.

(Foto: dapd)

Nein. Die Sache ist für mich längst vorbei. Ich glaube, für ihn auch.

Und was haben Sie auf die Kampfansage von Marco Reus geantwortet, der behauptet hat, er habe die schönere Frisur?

Gelacht habe ich, als ich es gehört habe. Er strotzt derzeit wirklich vor Selbstbewusstsein.

Mit Mario Gomez sprach Alexander Müller

 

Quelle: ntv.de

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