"All you need ist Löw" in der Sauna Gomez und die grinsenden Glückskekse

(Foto: REUTERS)

Philipp Lahm fühlt sich wie in der Sauna, Mario Gomez fallen die Bälle auf den Schädel und bei Bastian Schweinsteiger reicht's höchstens zum Chefchen. Die deutschen Fußballer gewinnen zwar bei der Europameisterschaft gegen Portugal, doch Glanz verbreiten sie nicht. Ist aber egal, sagen sie. Motto: Hauptsache gewonnen.

Joachim Löw scheint ein Faible für den Rennsport zu haben. Zumindest bedient er sich in jüngster Zeit auffallend häufig der Sprache der Automobilisten. Vor dem Auftaktspiel der deutschen Fußballer bei der Europameisterschaft in der Ukraine hatte er davon gesprochen, den Tank zu füllen und durchstarten zu wollen. Nach dem glücklichen 1:0-Sieg gegen Portugal durch ein Tor des glücklichen Mario Gomez vor 32.990 Zuschauern im nicht ganz ausverkauften Stadion zu Lemberg sagte er: "Der Start in eine EM ist wie ein Formel-1-Rennen, aber ohne Warm-up-Runde. Es geht sofort in die Vollen."

Ansonsten lautete das Fazit: Hauptsache gewonnen. Die mit im Schnitt 25,3 Jahren jüngste DFB-Elf der EM-Geschichte liegt nach dem Start gut im Rennen. Oder wie Mesut Özil sagte: "Wir wissen, dass wir uns steigern müssen." Und das, versprach der Mittelfeldspieler, hätten er und seine Kollegen sich auch ganz fest vorgenommen. Aber: "Wichtig sind die drei Punkte." Und so taten die deutschen Anhänger auf dem Prospekt Svobody, dem Freiheitsboulevard in Lembergs Innenstadt, noch nachts um halb drei kund, was sie umtrieb. Sie sangen, nein, sie grölten es: "All you need ist Löw." Die deutschen Spieler in der Einzelkritik:

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Manuel Neuer: Mit das Beste, was man über einen Torhüter sagen kann, ist, dass er seiner Mannschaft den Sieg gerettet hat. Manuel Neuer, einer von sieben Spielern des FC Bayern München in der Startelf der DFB-Elf, hat seiner Mannschaft den Sieg gerettet, nicht zuletzt mit seiner Parade zwei Minuten vor dem Ende der Partie, als er einen Schuss der Portugiesen Silvestre Varela abwehrte. Faustete ansonsten weg, was wegzufausten war. Das 27. Länderspiel des 26 Jahre alten Ex-Schalkers war eines seiner besseren. Dementsprechend stolz stolzierte er nach dem Abpfiff in seinem weißen Unterhemd über den Rasen und nahm die Glückwünsche seiner Mitspieler entgegen. Und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd. Was ist eigentlich ein Honigkuchenpferd?

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Jérome Boateng: Vorher war die Frage, wie der Münchner sich auf der rechten Abwehrseite gegen Portugals Superstar Cristiano Ronaldo schlägt. Hinterher lautete die Antwort, dass er das durchaus gut gemacht hat. Nur einmal, gleich nach 18 Minuten, düpierte ihn der Portugiese mit einem vierfachen Übersteiger. Jérome Boateng gab sich bescheiden: "Jeder weiß, was Cristiano Ronaldo für eine Klasse hat. Ganz ausschalten kann man ihn nicht, aber wir haben es als Mannschaft gut hinbekommen." Wenn vorher die Frage war, ob Jerome Boateng, 23 Jahre alt, die richtige Wahl für den Problemposten in der deutschen Viererabwehrkette ist, dann lautet die Antwort nach seinem 22. Einsatz im DFB-Trikot: Ja. Zumindest für dieses Turnier.

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Mats Hummels: Dass Bundestrainer Joachim Löw dem Dortmunder zum Auftakt einen der beiden Plätze in der Innenverteidigung anvertraut, war vor der Partie keine Frage. Denn alle sind davon ausgegangen, dass Per Mertesacker spielt. Nur der Bundestrainer nicht. Der verriet hinterher, dass er diese Entscheidung bereits zwei, drei Tage vor dem Turnierstart getroffen habe. Damit ist Mats Hummels, 23 Jahre alt, bereits jetzt der Gewinner dieser EM. Denn nach seiner starken Leistung, defensiv wie in der Spieleröffnung, und seinem mit zunehmender Spieldauer selbstbewussteren Auftreten gibt es keinen Grund, ihn im zweiten Gruppenspiel gegen die Niederlande auf die Bank zu setzen. Er kann sich auf sein 16. Länderspiel am kommenden Mittwoch in Charkow freuen.

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Holger Badstuber: Es war vorher keine Frage, dass der dritte Bayer im Bunde seines Platzes in der Defensivzentrale sicher sein kann. Und nach seinem 22. Länderspiel ist es das auch nicht. Seine Arbeit gegen Portugal verrichtete der 23-Jährige gewohnt zuverlässig, wenn er sich auch weniger häufig als gewohnt am Spielaufbau beteiligte, aber dafür war der Kollege Hummels ja etwas offensiver ausgerichtet. Konnte sich ansonsten über sein Wunschergebnis freuen. Ein 1:0, hatte er jüngst der "Stuttgarter Zeitung" verraten, sei ihm allemal lieber als ein 4:3. Für einen Abwehrspieler eine total abgefahrene Aussage. Abgesehen davon ist Holger Badstuber der Auffassung, es sei es gerade in der Innenverteidigung "von Vorteil, einen festen Partner zu haben, mit dem man eingespielt ist und dem man vertraut". Er sollte sich auf Mats Hummels einspielen. Damit ist Per Mertesacker schon jetzt der Verlierer dieser EM.

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Philipp Lahm: Beim Kapitän ist die einzige Frage, warum er eigentlich nicht an beiden Enden der Viererkette gleichzeitig spielen kann. Das 87. Länderspiel des Münchners war nicht sein bestes, vor allem wenn es darum ging, in der Offensive Akzente zu setzen. Also eigentlich war es eher eines der schlechteren. Vielleicht lag's am feucht-schwülen Wetter in Galizien. Aber das Gute an Philipp Lahm ist, mit 28 Jahren ältester Spieler in der Startelf, dass er nie richtig schlecht ist. Mit seinem Gegenspieler Nani von Manchester United hatte er meist keine Probleme, und wenn, kam Holger Badstuber und half. Und bekam dabei zwei Minuten vor der Pause zu Recht die Gelbe Karte. Ansonsten gilt: "Wichtig ist, dass wir gewonnen haben. Es gehört harte Arbeit dazu. Es war wie in der Sauna." Hier spricht der Kapitän.

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Sami Khedira: Im defensiven Mittelfeld neben Bastian Schweinsteiger der stärkere Teil der stabilen Doppelsechs vor der Abwehr. Nutzte es in seiner 28. Partie für Deutschland schamlos aus, dass Mesut Özil, sein Vereinskollege bei Real Madrid, auf der Position vor ihm arg unauffällig spielte. Denn Sami Khedira, 25 Jahre alt, schaltete sich oft und gewinnbringend in der Offensive ein. Bereitete nämlich das Tor des Abends vor. Er tritt auf wie einer, der zeigen will: Ich bin eine Führungskraft. Und sagte hinterher: "Es war das erste Spiel, deshalb war der Sieg besonders wichtig. Es war ein sehr kampfbetontes und laufintensives Spiel. Am Ende haben uns etwas die Kräfte verlassen."

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Bastian Schweinsteiger: Spielte solide, aber diesmal insgesamt mehr Chefchen als Chef neben einem starken Sami Khedira. Einige Fehlpässe in Halbzeit eins, nach der Pause kam er besser in Tritt. Und das mit der Offensive überließ er zu großen Teilen seiner besseren Hälfte. Machte das Spiel, wenn er es machte, eher langsamer als schneller. Wirkt, als müsse er sich nach seiner Verletzung immer noch quälen. Joachim Löw lobte ihn hinterher dennoch ausdrücklich für seine Präsenz und betonte, wie gut es für die Mannschaft gewesen sei, "dass er auf dem Platz war". Mit jetzt 91 Länderspielen hat Bastian Schweinsteiger, 27 Jahre alt, Rudi Völler überholt.

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Thomas Müller: Taugt ein wenig zur Symbolfigur des deutschen Spiels. Ihm geht einfach momentan das Unbekümmerte und Freche ab. Und das Glück, vor allem, wenn er versucht, ein Tor zu schießen. Doch dafür ackerte Thomas Müller, 22 Jahre alt, in seinem 28. Länderspiel unermüdlich auf dem rechten Flügel, lief wie immer viel und hinterließ einen stärkeren Eindruck als sein Pendant Podolski auf der linken Seite. In der Nachspielzeit kam für ihn der Leverkusener Lars Bender zu seinem achten Spiel für die Nationalmannschaft.

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Mesut Özil: Die Uefa schenkte ihm einen albernen, von einer Brauerei gesponserten Silberpokal. Weil er des beste Spieler der Partie gewesen sein soll. Mesut Özil, 23 Jahre alt, schaute nach seinem 34. Länderspiel auch ein wenig irritiert. Und sagte mit Blick auf die Auszeichnung: "Ich sehe so etwas zum ersten Mal." Ansonsten war der beste Spieler der Partie der Auffassung, dass er nicht sein bestes Spiel gemacht habe. "Ich weiß, dass ich besser spielen kann." Dieser Einschätzung schließen wir uns gerne an, zu zweikampfschwach und uninspiriert sein Auftritt in der Mittelfeldzentrale. Vielleicht reicht er den Pott ja an Mats Hummels weiter, der freut sich bestimmt. An Özils Stelle durfte Toni Kroos als achter Münchner noch fünf Minuten mitspielen. Länderspiel Nummer 28.

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Lukas Podolski: Nun hat er endlich Michael Ballack eingeholt und jetzt ebenfalls 98 Länderspiele. Dennoch droht dem 27 Jahre und damit überdurchschnittlich alten Noch-Kölner nicht der Rausschmiss. Schoss sichtlich motiviert sehr oft den Ball in Richtung portugiesisches Tor, traf aber nicht ins Ziel. Übertrieb es irgendwann mit seiner Bolzerei. Und als Vorbereiter fiel er auf dem linken Flügel an diesem Abend nahezu komplett aus. Und Lukas Podolski weiß: Leverkusens André Schürrle lauert auf seine Chance.

Mario Gomez: Als die deutschen Zuschauer schon nach Miroslav Klose riefen, der an diesem Tag seinen 34. Geburtstag feierte, kam der Ball, von Sami Khedira getreten und einem Portugiesen abgefälscht, in der 72. Minute angeflogen und Mario Gomez, 26 Jahre alt, erzielte in seinem 53. Länderspiel sein 23.Tor. Er macht halt das, was er kann und beim FC Bayern auch ständig macht. Und das macht er gut. "Ich habe gedacht, eine Chance kriegst du noch. Und genau so ist es gekommen. Der Ball war abgefälscht bei der Flanke und kam mir genau auf den Schädel, da war es nicht mehr so schwierig." Strahlte nach dem Tor, das den Sieg bedeutete, wie ein Glückskeks. Was ist eigentlich ein Glückskeks? Zehn Minuten vor dem Ende der Partie kam Miroslav Klose für ihn aufs Feld und zu seinem 117. Einsatz. Gegen die Niederlande aber wird wohl wieder Mario Gomez beginnen.

Quelle: ntv.de

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