Squadra Azzurra wechselt Torwart Italien marschiert, Wales jubelt, die Schweiz bangt
20.06.2021, 20:00 UhrItalien bleibt bei der EM weiter ohne Gegentreffer. Wales verliert einen Spieler und unterliegt in Rom, zittert sich jedoch ins Achtelfinale. Die Schweiz schlägt im Parallelspiel die erneut enttäuschende Türkei. Die "Nati" muss noch bangen.
Rekordjäger Italien hat die EM-Euphorie der Tifosi weiter befeuert. Die Squadra Azzurra stürmte durch ein 1:0 (1:0) gegen Wales mit drei Siegen locker durch die Gruppe A und untermauerte mit einer historischen Bestmarke ihre Ambitionen auf den ersten EM-Titel nach 53 Jahren vor dem Achtelfinale eindrucksvoll. Auch acht Wechsel konnten die Seriensieger von Trainer Roberto Mancini nicht stoppen, die nicht nur den elften Erfolg nacheinander feierten. Mit 30 Spielen in Folge ohne Niederlage stellte der viermalige Weltmeister auch seinen Rekord aus den 30er-Jahren unter der Trainer-Legende Vittorio Pozzo ein.
Die Waliser um Superstar Gareth Bale, der seit 20 Monaten oder 1005 Minuten ohne Länderspieltor ist, zogen trotz der Niederlage als Tabellenzweiter ebenfalls in die K.o.-Runde ein. Bei der EM 2016 waren die "Drachen" sensationell ins Halbfinale vorgestoßen. Die Italiener treffen im Achtelfinale im Wembley-Stadion auf Österreich oder die Ukraine. Matteo Pessina (39.) erzielte in Rom das Tor für den Europameister von 1968. Italien ist seit 1055 Minuten ohne Gegentor - und damit nur noch 88 Minuten vom Rekord der Torwartlegende Dino Zoff zwischen 1972 und 1974 entfernt. Der Waliser Ethan Ampadu erhielt wegen groben Foulspiels (55.) die Rote Karte."Besser hätte es gar nicht laufen können", sagte Mancini, "wir hätten nur noch ein Tor mehr machen können." Seine Wechsel hätten nicht viel geändert, "die sind alle gut und wissen, was sie machen müssen". Bale freute sich: "Wir sind müde, aber stolz. Wir sind Zweiter, das ist richtig klasse."
Veratti ist zurück
Sein Comeback in der fast komplett umgekrempelten Squadra Azzurra gab Mittelfeldchef Marco Verratti nach nach seiner Bänderverletzung im Knie, die er sich Anfang Mai zugezogen hatte. Nach der Pause übernahm er nach der Auswechslung von Leonardo Bonucci die Kapitänsbinde. Vom 3:0 gegen die Schweiz standen nur noch Torwart Gianluigi Donnarumma, Abwehrchef Bonucci und Mittelfeldspieler Jorginho in der Startelf. Trotz der zahlreichen Umstellungen dominierten die Gastgeber von Beginn an mit langen Ballstafetten, Verratti übernahm neben Jorginho gleich die Chefrolle im Mittelfeld. Die Briten konzentrierten sich zunächst auf die Defensive. Erste Annäherungen an das Tor der Waliser blieben aber noch eher harmlos. Die Hereingabe von Andrea Belotti etwa fand keinen Abnehmer (24.).
Die Offensivbemühungen von Bale und Co. waren sehr überschaubar, meist verloren sie schon im Aufbauspiel den Ball. "Safety first" hieß die Devise, ein Punkt war das klar erkennbare Ziel. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Neco Williams mit einem Kopfball nach einer Ecke erstmals das italienische Tor in Gefahr brachte (27.). Auf der Gegenseite sorgte Federico Chiesa für erste Aufregung im Strafraum (29.). Zehn Minuten später lenkte Pessina den Ball nach einem Freistoß von Verratti zur verdienten Führung ins Tor.
Zur Halbzeit nahm Mancini auch noch Kapitän Bonucci aus, um ihn für die K.o.-Runde zu schonen. Ein weiterer Freistoß brachte beinahe das 2:0. Federico Bernadeschi traf aus 20 Metern den Pfosten (53.). Im Gegenzug vertändelte Aaron Ramsey am italienischen Fünfmeterraum leichtfertig den Ball (54.). Nach einer Attacke gegen Bernadeschi sah Ampadu Rot - eine harte Entscheidung von Schiedsrichter Ovidiu Hategan (Rumänien). Den Ausgleich verpasste Bale, der den Ball freistehend über das Tor drosch (75.) Am Ende wechselte Mancini noch Torhüter Gianluigi Donnarumma aus und bringt den 34-Jährigen Sirigu Salvatore.
Die Schweiz muss noch bangen
Im Parallelspiel hat Doppeltorschütze Xherdan Shaqiri die Hoffnungen der Schweiz auf einen Einzug ins Achtelfinale bei der Fußball-EM genährt und der Türkei endgültig den Turnier-K.o. versetzt. Der frühere Münchner besiegte mit den Eidgenossen die von rund 20.000 Fans frenetisch angefeuerten Türken in Baku verdient mit 3:1 (2:0). Der Ex-Frankfurter Haris Seferovic brachte die stark verbesserte Schweiz in der 6. Minute in Führung, ehe Shaqiri (26./68.) zweimal sehenswert traf. Irfan Can Kahveci (62.) gelang zwar das erste Tor für die Türkei bei dieser EM, konnte das blamable Aus des Halbfinalisten von 2008 als punktloser Gruppenletzter aber nicht verhindern. Die Schweizer haben vier Punkte auf dem Konto und können noch als einer der vier besten Gruppendritten weiterkommen. "Es war wichtig, dass wir heute eine Reaktion als Mannschaft gezeigt haben. Ich bin stolz darauf. Jetzt schauen wir, was der Sieg Wert ist", sagte Shaqiri und Seferovic ergänzte: "Heute haben wir ein starkes Spiel gemacht. Wir können uns höchstens vorwerfen, nicht noch mehr Tore erzielt zu haben."
Die Türken starteten offensiv in das Gruppenfinale. Anders als in den Partien gegen Italien (0:3) und Wales (0:2) wurde von Beginn an konsquent der Weg zum Tor gesucht. Bereits nach vier Minuten zwang Kaan Ayhan den Schweizer Torwart Yann Sommer, der am vergangenen Mittwoch zum zweiten Mal Vater geworden war, zu einer ersten Glanzparade. "Es war für mich sehr emotional und natürlich auch sehr stressig", hatte der Keeper vom Bundesligisten Borussia Mönchengladbach nach der Geburt seiner Tochter berichtet. Mitten in die erste Drangphase des Teams von Trainer Senol Günes platzte dann das Führungstor der Eidgenossen hinein. Seferovic überwand Ugurcan Çakir mit einem platzierten Flachschuss und bejubelte danach ausgelassen sein erstes EM-Tor überhaupt.
Die Türkei ist der große Verlierer
Die Türkei ließ sich davon aber nicht aus dem Rhythmus bringen und blieb das aktivere Team. Bei einem Schrägschuss von Mert Müldür (15.) musste sich Sommer erneut mächtig strecken, um ein Gegentor zu verhindern. Die Schweizer waren da wesentlich effektiver, denn auch der zweite Torschuss saß. Shaqiri traf mit einem herrlichen Schlenzer aus rund 20 Metern in den Winkel. Nur 120 Sekunden später hatte der frühere Bayern-Profi die Entscheidung auf dem Fuß, scheiterte nach feiner Vorarbeit von Seferovic aber am glänzend parierenden Cakir. Danach zog sich die Mannschaft von Trainer Vladimir Petkovic noch weiter zurück und überließ dem Gegner weitgehend die Initiative. Das hätte sich fast gerächt, doch Müldür scheiterte vor der Pause gleich dreimal am erstklassigen Sommer. Nach dem Wechsel wurden die Eidgenossen wieder etwas agiler und ließen sich nicht mehr so weit in die eigene Hälfte zurückdrängen. Breel Embolo, Shaqiri und Seferovic vergaben gute Möglichkeiten zum 3:0. Und plötzlich schlugen die Türken zu: Kahveci nahm aus etwa 20 Metern Maß und ließ Sommer keine Chance.
Nun war richtig Feuer in der Partie, deren Ausgang aber nur kurz ungewiss blieb. Nur sechs Minuten nach dem Anschluss war es erneut Shaqiri, der den alten Abstand wieder herstellte. Erneut war die türkische Abwehr, die in den zehn Qualifikationsspielen zur EURO nur drei Gegentore kassiert und achtmal zu Null gespielt hatte, nicht auf der Höhe. Beflügelt vom dritten Streich kontrollierte die Schweiz in der Schlussphase das Spiel. Granit Xhaka traf mit einem Freistoß nur den Pfosten. Die Türken fügten sich in die Niederlage und treten als große Turnier-Verlierer vorzeitig die Heimreise an.
Quelle: ntv.de, sue/sid/dpa