Und Gomez träumt von der Ukraine Schewtschenko, der König von Kiew

Schewtschenko freut sich nach dem 1:1.

Schewtschenko freut sich nach dem 1:1.

(Foto: dpa)

Erst ist nicht einmal sicher, ob er überhaupt mit zum Turnier darf, dann rechnet niemand mit ihm in der Startelf. Am Ende köpft Andrej Schewtschenko die Ukraine im ersten Gruppenspiel zum Sieg gegen Schweden. Und die Fußballfans in Kiew feiern, als hätte der Altmeister dem Gastgeber damit bereits den Titel des Europameisters beschert.

Wenn das gesehen hat, dürfte er davon geträumt haben, wie schön es doch wäre, für die Ukraine zu spielen. Denn während in Deutschland die Kritiker des Nationalspielers bemängeln, ein Stürmer dürfe in Zeiten des modernen Fußballs nicht nur im gegnerischen Strafraum herumlungern und auf seine Chance warten, liegt die Ukraine einem Mann zu Füßen, der genau das tut. Andrej Schewtschenko, Ikone und Altstar, hat mit zwei Toren die Partie nach der Führung von Zlatan Ibrahimovic gedreht, seine Mannschaft gegen Schweden zum Sieg geköpft und damit dem Gastgeber der Europameisterschaft im ersten Spiel einen Auftakt nach Maß beschert.

Ukraine - Schweden 2:1 (0:0)

Tore:0:1 Ibrahimovic (52.), 1:1 Schewtschenko (55.), 2:1 Schewtschenko (61.)
Ukraine: Pjatow - Gusiev, Michalik, Chatscheridi,Selin - Nasarenko, Timoschtschuk - Konopljanka (90.+3 Devic), Jarmolenko - Schewtschenko(82. Milewski) - Woronin (85. Rotan)
Schweden: Isaksson - Lustig, Mellberg,Granqvist, Olsson - Elm, Källström - Larsson (68. Wilhelmsson), Toivonen (62. Svensson)- Ibrahimovic - Rosenberg (71. Elmander)
Schiedsrichter: Cüneyt Cakir (Türkei
Zuschauer: 64.219 in Kiew

Und er hat gezeigt, dass ein Mittelstürmer im modernen Fußball auch mal treffen darf. Zumindest in der Ukraine. Oder um mit Otto Rehhagel zu sprechen: "Modern ist, wer gewinnt." Der würde da also prima hinpassen. Gut 50.000 der insgesamt 64.219 Zuschauer im renovierten Olympiastadion, das an diesem Montagabend in den Nationalfarben Blau und Gelb leuchtete, waren aus dem Häuschen und feierten den König von Kiew. Und der Triumphator versteht es durchaus, sich feiern zu lassen. Nach seinen Toren sowieso. Vor allem aber, als Trainer Oleg Blochin ihn nach 81 Minuten auswechselte und seinen Vereinskollegen Artem Milewski auf den Rasen schickte. Die wirksamste Art im Fußball, einem Helden die Bühne zu bereiten. Das ohnehin schon enthusiasmierte Publikum tobte und ließ seinen Helden hochleben, als habe die Ukraine die Europameisterschaft gewonnen und nicht nur ihr Auftaktspiel in der Gruppe D. Andrej Schewtschenko winkte huldvoll, schritt zur Ersatzbank, umarmte seinen Trainer und klatschte jeden der Mitspieler ab. Danach fieberte er am Spielfeldrand mit, Arm in Arm mit dem ebenfalls ausgewechselten Ex-Bundesligaprofi Andrej Woronin.

Lieber beim Golf als mit der Mannschaft zum Spiel

Danach sagte er brav: "Wir haben alle zusammen gewonnen." Aber das stimmt nicht, zumindest ist das nicht die ganze Wahrheit. Er wird es wissen. Er hat ja die "Schewa, Schewa"-Sprechchöre gehört, die Freude in den Gesichtern der Menschen auf den Rängen gesehen und die Begeisterung seiner Mitspieler beim Jubel gespürt. Er hat sich hinterher feiern lassen, ist alleine in jede Ecke des Stadions gerannt, hat die Fäuste geballt - und es genossen. Denn er wird wissen, dass er - anders als Mario Gomez - eigentlich einer ist, der seine beste Zeit auf dem Fußballplatz bereits hinter sich hat. 35 Jahre ist Andrej Mikolajowitsch Schewtschenko alt, 2004 war Europas Fußballer des Jahres. Er hat für den AC Mailand in Italien und den FC Chelsea in England gespielt, nun ist er wieder bei seinem Heimatverein Dynamo Kiew.

Ibrahimovic, der die schwedische Führung geschossen hatte, im Zweikampf mit Jewhen Chatscheridi.

Ibrahimovic, der die schwedische Führung geschossen hatte, im Zweikampf mit Jewhen Chatscheridi.

(Foto: dapd)

109 Spiele hat er in den vergangenen 16 Jahren für die Nationalmannschaft seines Landes bestritten, er ist mit 48 Treffern der Rekordtorschütze, er hat die Ukraine bei der Weltmeisterschaft 2006 ins Viertelfinale geführt, wo das Team am späteren Titelträger aus Italien scheiterte. Er ist ein Idol, immer noch. Doch zuletzt lief es nicht mehr rund. Ganze sechs Tore erzielte er in der abgelaufenen Saison und belegte mit Dynamo in der Liga wieder nur den zweiten Platz hinter Meister und Pokalsieger Schachtjar Donezk. Und fehlte in der Hinrunde unentschuldigt bei einer Partie, weil er lieber an den Landesmeisterschaften im Golfen teilnahm - und dort ebenfalls Zweiter wurde.

Neben Slavek und Slavko das dritte Maskottchen

Zuletzt plagten ihn Rückenprobleme, es war nicht einmal sicher, dass er fit genug ist, um bei der EM mitzuspielen. Sein Trainer hatte ihm für den Fall der Fälle schon einen Posten als Teambotschafter in Aussicht gestellt, damit er auf jeden Fall dabei ist. Als er dann doch als Spieler nominiert wurde, spottete die "Süddeutsche Zeitung", das Turnier habe nun neben Slavek und Slavko ein drittes Maskottchen. Und dass er gegen Schweden in der Startelf stand, war eine echte Überraschung. Doch wenn Andrej Schewtschenko dabei ist, dann selbstverständlich als Kapitän. So musste Anatoli Timoschtschuk, der für den FC Bayern in der Bundesliga spielt, die Binde an diesem denkwürdigen Abend abgeben.

"Ich habe davon geträumt, dass Andrej heute zwei Tore macht", sagte sein Trainer Oleg Blochin hinterher. Und Andrej Schewtschenko gab zu Protokoll: "Ich fühle mich auch nicht wie 35, sondern wie 20. Ich hatte vor dem EM-Turnier viele Verletzungsprobleme. Aber davon spüre ich jetzt nichts. Ich glaube, dass wir noch viel mit unserer Mannschaft erreichen können." In der Ukraine lieben sie ihn dafür.

Quelle: ntv.de

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