Lewandowskis letzte Chance sitzt Am Ende wird Müllers Rekord doch gelöscht
22.05.2021, 17:23 Uhr
Robert Lewandowski, 41-facher Torschütze in der zu Ende gegangenen Bundesligasaison.
(Foto: picture alliance/dpa/AP-Pool)
Robert Lewandowski löscht Gerd Müllers Jahrzehnte lang für "ewig" gehaltenen Torrekord aus den Geschichtsbüchern der Bundesliga. Der Pole trifft auch gegen den FC Augsburg und setzt damit eine neue, alleinige Bestmarke. Diesmal wirklich für die Ewigkeit?
Er hat es getan, natürlich hat er es getan: Robert Lewandowski trifft auch am 34. Spieltag gegen den FC Augsburg - und macht sich mit seinem 41. Saisontreffer zum alleinigen Rekordtorschützen. Der uralte, für Jahrzehnte als ewig angesehene Rekord von Gerd Müllers 40 Treffern aus der Saison 1971/72 ist damit Geschichte. Nun werden sich künftige Torjäger-Generationen also an der Marke von Lewandowski abarbeiten müssen.
Gerd Müllers Freund Karl-Heinz Rummenigge war ohnehin schon vor dem letzten Saisonspiel sicher: "Ich bin überzeugt, dass Robert am Samstag das Tor Nummer 41 erzielen wird. Seine Teamkollegen werden ihm sicherlich helfen, wir werden Zeuge eines historischen Ereignisses."
Es dauerte dann tatsächlich bis in die Nachspielzeit Minuten, bis der Rekord fiel. Alle Fragen nach Lewandowskis Bereitschaft, den Rekord ganz an sich zu reißen, waren schon vorher geklärt: Chance um Chance ließ der Pole liegen, schnappte sich aussichtsreiche Freistöße und hielt noch in jeden Abschluss der Kollegen seinen Fuß mit rein, wenn sich die Gelegenheit bot. Am Ende war es ein "Müller"-Tor, das dem Polen die Bestmarke brachte: In der Nachspielzeit lauerte Lewandowski wenige Meter vor dem Tor auf einen Abpraller, Augsburgs Torwart Rafal Gikiewicz ließ einen Schuss tatsächlich vor die Füße seines Landsmannes prallen - und der machte den Nachmittag historisch.
Keine Lust auf Verzicht
Nach Lewandowskis 40. Tor beim 2:2 des alten und neuen deutschen Meisters in Freiburg hatte es tatsächlich noch Stimmen gegeben, die ihn zum Verzicht auf eine neue Bestmarke aufforderten. "Was wäre das für ein Zeichen, wenn die Bayern sagen, wenn Lewandowski sagt nächsten Samstag: Ich spiele nicht. Ich bleibe weg", formulierte etwa Dietmar Hamann als Experte bei Sky die gewagte These.
Auch vom gegnerischen Trainer Markus Weinzierl ließ sich Lewandowski nicht erweichen - und schon gar nicht von der angedachten Sonderbehandlung aufhalten. Der Coach des FC Augsburg verriet vor dem Spiel: "Gerd Müller war in der Jugend mein Idol. Und er war mein Co-Trainer bei den Bayern-Amateuren. Ich kenne ihn gut und schätze ihn unheimlich, deshalb würde ich mir wünschen, dass der Rekord zweigeteilt bleibt." Eine besondere Beziehung also zum einstigen "Bomber der Nation", die Weinzierl pflegt. "Wir müssen Lewandowski in Manndeckung nehmen, um den Rekord von Gerd Müller zu schützen. Lewandowski wäre mir noch sympathischer, wenn er den Rekord nicht brechen würde."
Lewandowski hielt davon aber nur wenig. Zu groß war der Ehrgeiz, der die Einstellung des Rekordes außerdem ja überhaupt erst möglich gemacht hatte. "Ich würde in dieser Situation zum Elfmeter antreten", antwortete Lewandowski jüngst der "Bild" -Zeitung auf die Frage, ob er denn dafür in der letzten dieser 90 Minuten einen Strafstoß schießen würde. Um den vermeintlich ewigen Rekord von Gerd Müller aus der Saison 1971/72 nicht nur einzustellen, sondern zu verbessern.
Außerdem, sagte Lewandowski: "Gerd Müller hat so viele Rekorde. Zudem ist er selbst ein ehrgeiziger Torjäger gewesen - ich glaube, er würde es verstehen, dass ich den Ball nehme und mir den Rekord sichere." Das deckt sich mit der Aussage von Uschi Müller, die sich stellvertretend für ihren an Demenz erkrankten und in einem Heim friedlich in seiner eigenen Welt lebenden Mann so geäußert hatte: "Er wäre der Erste, der gratulieren würde, der sagen würde: 'Gut gemacht, Junge. Du bist super.'" Lewandowski schaffte schnell Fakten.
"Robert ist wie ein Diamant"
Die erfolgreiche Rekordjagd ist auch deswegen besonders hoch zu bewerten, weil der Weltklasse-Angreifer nach einer Knieverletzung Ende März vier Bundesliga-Partien verpasst hatte, in der Hinrunde war er beim mühsamen 2:1 gegen den 1. FC Köln geschont worden. Lewandowski fehlte den Bayern auch schmerzlich beim Champions-League-Aus gegen Paris Saint-Germain. Bei der Münchner 1:2-Niederlage in Mainz kehrte er vor drei Wochen auf den Platz zurück und erzielte sein 36. Saisontor. Gerd Müller erzielte seine 40 Tore in 34 Spielen, Lewandowski erzielte seinen 41. Treffer im 29. Saisonspiel. Eine überragende Quote.
Zu Müllers 75. Geburtstag im November hatte Lewandowski den einstigen "Bomber der Nation" gewürdigt: "Ich möchte meine Tore der wahren Legende Gerd Müller widmen, er feiert heute seinen 75. Geburtstag", schrieb Lewandowski auf Instagram. "Das, was du erreicht ist, ist für mich der Maßstab, jeden Tag hart dafür zu arbeiten, deiner Größe wenigstens ein bisschen näherzukommen. Bleibe stark, König Gerd!" Nach seinem 40. Treffer in Freiburg präsentierte Lewandowski noch ein schwarzes T-Shirt mit dem Konterfei Müllers und der weißen Aufschrift "4EVER GERD" unter seinem Trikot.
Nun ist Lewandowski selbst der Größte. Müller selbst habe "von dem Moment an, als die Raumdeckung eingeführt wurde" darauf gewartet, "dass die 40 Tore jemand knackt", sagte seine Frau. Der frühere Torjäger selbst bekam die Rekordjagd von Lewandowski in einem Pflegeheim nicht mehr mit. "Er ist ruhig und friedlich. Er schläft fast den ganzen Tag. Ruhig jedoch. Er sieht nicht gestresst aus. Es geht ihm gerade gut."
"Wird den Rekord sicher lange haben"
"In den vergangenen Jahrzehnten hätte man nie daran geglaubt, dass dieser Rekord eingestellt wird", sagte Bayern-Trainer Hansi Flick in Freiburg: "Er wird diesen Rekord sicher eine Zeit lang haben." Nun hat er ihn allein und es scheint nur vorstellbar, dass nun vor allem Lewandowski selbst fortan und noch für einige Jahre seinen eigenen "ewigen" Rekord jagen wird. Oder sogar die nächste Rekordmarke von Müller? Bayern-Boss Rummenigge ließ jüngst durchblicken, dass er durchaus nicht abgeneigt wäre, Lewandowskis Vertrag vorzeitig zu verlängern: "Lewandowski, der in erstaunlicher körperlicher Verfassung ist, kann noch 4-5 Jahre auf höchstem Niveau spielen. Warum nicht beim FC Bayern? Robert ist wie ein Diamant", lobte Rummenigge. Und versicherte: "Lewandowski wird nicht verkauft."
Die Erklärung dafür lieferte der scheidende Boss des FC Bayern gleich mit: "Wer würde einen Spieler verkaufen, der 60 Tore pro Jahr erzielen kann, der mit 32 der beste Spieler der Welt ist?", fragte Rummenigge rhetorisch. Lewandowskis aktueller Vertrag läuft noch bis zum 30. Juni 2023, Verlängerung nicht ausgeschlossen. Mit nun 277 Bundesliga-Toren liegt der ehemalige Spieler von Borussia Dortmund hinter dem ehemaligen Bayern-Stürmer Müller (365 Tore) auf Platz zwei der ewigen Torschützenliste. Noch ein ganzes Stück entfernt, ja. Aber wenn es jemandem zuzutrauen, dann doch wohl diesem Robert Lewandowski.
Quelle: ntv.de, ter/tsi