Trainerlegende Udo Lattek Der Sprücheklopfer mit Erfolgs-Abo
16.01.2015, 09:26 Uhr
"Der Trainer muss immer das letzte Wort haben": Udo Lattek, hier 1972.
Wer wissen will, wie es sich anfühlt, einen Diego Armando Maradona auf dem Parkplatz stehen zu lassen oder einem Max Merkel ein freundliches "Leck mich doch am Arsch!" zuzuraunen, der sollte sich heute an den Fußballtrainer Udo Lattek erinnern.
"Der Rasen wird brennen" (Peter Neururer), "Richtigen Druck spüre ich nur beim Stau auf der B1" (Rolf Schafstall), "Wenn sich jemand dehnen will, soll er nach Dänemark fahren. Bei mir wird gelaufen" (Eduard Geyer): Viele Fußballtrainer haben immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Das war schon immer so. Allerdings lassen nur wenige Übungsleiter ihren zahllosen vollmundigen Witzeleien auch Taten folgen. Udo Lattek ist einer der wenigen, der dahingehend guten Gewissens in den Spiegel schauen kann. Der ehemalige Cheftrainer von Borussia Dortmund, Bayern München, Borussia Mönchengladbach, Schalke 04 und dem FC Barcelona hat während seiner aktiven Zeit an der Seitenlinie auch immer mal gerne einen Lacher rausgehauen. Doch im Gegensatz zu Peter Neururer, Rolf Schafstall und Co hat man einen Udo Lattek nie belächelt. Der Grund dafür war Latteks ausgewogene Balance zwischen seinen zahlreichen humoristischen Fingerzeigen und seinen sportlichen Erfolgen.
Wer Pokale und Auszeichnungen sammelt wie andere Leute Briefmarken, der kann auch mal den Mund aufmachen. Und Udo Lattek hat gesammelt. Und zwar wie kein Zweiter hierzulande. Als der Sohn ostpreußischer Eltern, der in einfachen Verhältnissen auf einem Bauernhof groß wurde, im Mai des Jahres 2000 im Berliner Olympiastadion als Trainer der Dortmunder Borussia zum letzten Mal Profifußball-Luft einatmete, hatte er bereits nahezu alles erreicht. Acht Meisterschalen, drei Europa- und drei DFB-Pokale standen am Ende von Latteks drei Dekaden umfassender Trainerlaufbahn in der Bilanz. Sein Erfolgsrezept: Leidenschaft, Ehrgeiz und Willensstärke. Und natürlich Mut, auch mal die Ellenbogen auszufahren: "Der Trainer muss immer das letzte Wort haben. Ich habe mir nie reinreden lassen. Wer es dennoch versucht hat, den habe ich aus der Kabine geworfen", erinnert sich der studierte Sportlehrer.
"Mit so einem Gott war ich fertig"
Lattek wusste wie kein Zweiter, wie man aus einem zusammengewürfelten Kollektiv aus erfahrenen Starspielern, hungrigen jungen Emporkömmlingen und mitlaufenden Schattenmännern ein reibungslos funktionierendes Team formt. Franz Beckenbauer, Jupp Heynckes, Uli Hoeneß, Paul Breitner und Bernd Schuster sowie ausländische Ballkünstler wie die spanische Stürmerlegende Quini oder Dänemarks Superstar Allan Simonsen: Sie alle folgten bedingungslos den Anweisungen des kantigen Rundleder-Regisseurs aus dem Rheinland und sicherten sich so ihre eigenen Kapitel in den Fußball-Geschichtsbüchern. Nur mit einem hatte Udo Lattek seine Probleme: Diego Armando Maradona.
Der argentinische Ballzauberer, der im Sommer 1982 zum FC Barcelona wechselte, nahm gerne mal ein paar Auszeiten, ließ vereinbarte Termine platzen oder kochte auf dem Spielfeld sein eigenes Süppchen. Udo Lattek nahm den Machtkampf jedoch an, ließ den exzentrischen Techniker sogar mal allein auf einem Parkplatz stehen, zog am Ende aber den Kürzeren. Noch heute ist Udo Lattek davon überzeugt, dass seine Entlassung beim FC Barcelona von Maradona forciert wurde - ein kleiner Fleck auf einer ansonsten blütenweißen Weste, die dem Erfolgscoach auch Jahre nach seiner aktiven Laufbahn noch wie angegossen passte. Sowohl als Kolumnist, Fernsehexperte und "Doppelpass"-Kult-Kommentator sammelte Udo Lattek jede Menge Lorbeeren ein. Beruflich hätte es für Udo Lattek kaum besser laufen können.
Privat hingegen hat der mittlerweile seit über 50 Jahren verheiratete Vater zweier Töchter jede Menge Schattenzeiten durchleben müssen. Vor allem der Verlust seines Sohnes, der im Jahr 1981 mit 15 Jahren an Leukämie verstarb, machte dem nach außen hin stets gefassten und kantigen Menschen Udo Lattek jahrelang zu schaffen: "Es gibt nichts Schlimmeres, als sein eigenes Kind zu Grabe zu tragen. Noch im selben Jahr bin ich aus der Kirche ausgetreten. Mit so einem Gott war ich fertig", sagt Udo Lattek. Auch der eigene Körper ließ den Ex-Trainer mit den Jahren immer öfter im Stich. Zwei Gehirntumore und ein Schlaganfall hinterließen tiefe seelische Narben. Im Oktober 2013 dann die Schock-Diagnose: Parkinson. Aber auch das werde man gemeinsam überstehen, sagte Latteks Ehefrau Hildegard. Sie pflegt ihren Mann, der im Rollstuhl sitzt und in einer Betreuungseinrichtung in Köln lebt. Heute zündet sie für ihren Mann 80 Geburtstagskerzen an; fast genauso viele, wie Pokale in der heimischen Vitrine stehen.
Quelle: ntv.de