Einst Weinheim, jetzt Windeck? Einmal die Bayern schlagen
13.08.2010, 16:33 UhrWenn der FC Bayern in der 1. Pokal-Runde bei den Germanen aus Windeck antritt, dann hofft – abgesehen von den Anhängern der Münchner – ganz Fußball-Deutschland auf eine Sensation. Denn diese Überraschungen machen den Reiz des Wettbewerbs aus. Und die gibt es immer wieder.
Weinheim, Vestenbergsgreuth, Geislingen – das sind Namen, die klingen. Namen, die klingen? Allerdings! Zumindest für die, die sich für Fußball interessieren. Denn diese Vereine haben in der ersten Runde des DFB-Pokals für eine Sensation und bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Drittligist FV Weinheim warf 1990 den FC Bayern München aus dem DFB-Pokal. Dem TSV Vestenbergsgreuth gelang das Kunststück vier Jahre später. Und der SC Geislingen besiegte 1984 den Hamburger SV.
Amateure schlagen die Profis – das ist das, woraus der Pokal seinen Reiz bezieht. Und wer den FC Bayern zu Gast hat, zieht das große Los. Schließlich sind die Münchner die Mannschaft mit der größten Fallhöhe. Gewinner in diesem Jahr: der TSV Germania Windeck. Für das Spiel gegen den deutschen Meister am kommenden Montag ab 18 Uhr hat der Fünftligist aus dem Rhein-Sieg-Kreis bereits mehr als 32.000 Karten verkauft. Weil so viele Zuschauer nicht in den Germania-Sportpark im Ortsteil Dattenfeld passen, findet das Spiel im Kölner WM-Stadion statt.
Und wenn die Germanen tatsächlich die Bayern schlagen, dann heißt es: Weinheim, Vestenbergsgreuth, Geislingen, Windeck – das sind Namen die klingen. Wahrscheinlich ist das nicht. Aber was ist an einer Überraschung schon wahrscheinlich? Ach ja: Der Hamburger SV spielt übrigens am Sonntag ab 17.30 Uhr beim Oberligisten Torgelower SV Greif. Wir aber blicken nicht voraus, sondern zurück: Sieben große Sensationen in der ersten Runde:
Das "Wunder von Geislingen"
1984: SC Geislingen – Hamburger SV 2:0. Der Hamburger SV, das zur Erinnerung, war damals nicht irgendwer. Sondern hatte 1983 den Europapokalsieger der Landesmeister gewonnen. So viel zur Fallhöhe. Die Stars wie Torhüter Uli Stein, Manfred Kaltz, Felix Magath, Wolfram Wuttke und Thomas von Heesen in der Mannschaft von Trainerlegende Ernst Happel blamierten sich beim Amateur-Oberligisten aus Baden-Württemberg vor 7000 Zuschauern so gut sie konnten.
Wolfgang Haug und der spätere Stuttgarter Bundesligaspieler Klaus Perfetto erzielten die Tore für den Dorfverein. Und auf der schwäbischen Alb sprechen sie heute noch vom "Wunder von Geislingen". In der zweiten Runde schaltete Geislingen noch den Zweitligisten Kickers Offenbach aus, ehe der spätere Pokalsieger Bayer Uerdingen den Höhenflug beendete.
Wenn Weltmeister baden gehen
1990: FV Weinheim - FC Bayern 1:0. Sechs Jahre später war es wieder ein baden-württembergischer Oberligist, der zum Pokalauftakt für eine große Überraschung sorgte. Und der FC Bayern war auch damals schon nicht irgendwer. Die Münchner und ihr Trainer Jupp Heynckes gastierten als amtierender Deutscher Meister im Sepp-Herberger-Stadion an der Bergstraße.
Aber irgendwie schafften es die Münchner, in deren Kader mit Klaus Augenthaler, Stefan Reuter, Olaf Thon, Jürgen Kohler, Hansi Pflügler und Raimond Aumann sechs frischgebackene Weltmeister standen, gegen den Drittligisten sang- und klanglos auszuscheiden. Held des Tages war Thomas Schwechheimer, der nach 28 Minuten einen Elfmeter zum 1:0-Endstand verwandelte. Zwar war für Weinheim in Runde zwei gegen den Zweitligisten Rot-Weiß Essen schon Schluss. Seinen Platz in der Fußballgeschichte hat sich der kleine Klub aber gesichert.
"Club di dilettanti elimina Trapattoni"
1994: TSV Vestenbergsgreuth - FC Bayern 1:0. Schon wieder die Bayern. Schon wieder als amtierender Deutscher Meister. Allerdings mit neuem Trainer. Und als Giovanni Trapattoni sein Amt beim FC Bayern antrat, hatte er vermutlich noch nie etwas von Vestenbergsgreuth gehört, der 1.500 Einwohner großen Gemeinde in Mittelfranken. Als der umtriebige Regionalligist gegen den FC Bayern im DFB-Pokal gelost wurde, verlegten die euphorischen Greuther das Match kurzerhand ins Nürnberger Frankenstadion. Der Industriemechaniker Roland Stein schoss vor 26.000 Zuschauern das Tor des Tages gegen Oliver Kahn, Lothar Matthäus, Mehmet Scholl und Co.
Am nächsten Tag schaffte es Vestenbergsgreuth so sogar auf die Titelseite der "Gazetta dello Sport" - mit der denkwürdigen Zeile "Club di dilettanti elimina Trapattoni". Übrigens schaltete die TSV danach noch den FC Homburg mit 5:1 aus. Das Aus kam erst in der dritten Runde äußerst unglücklich gegen den Zweitligisten und späteren Pokalfinalisten VfL Wolfsburg im Elfmeterschießen. Ein Jahr nach dem Triumph fusionierte Vestenbergsgreuth mit der SpVgg Fürth zur SpVgg Greuther Fürth, die seitdem fester Bestandteil der zweiten Bundesliga ist.
Als Felix Magath die Seiten wechselte
2000: VfB Stuttgart II - Eintracht Frankfurt 6:1. Die höchste Pleite, die je ein Bundesligist bei einem Drittligisten erlitt, erfuhr Eintracht Frankfurt im Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadion. Trainer der Frankfurter war übrigens Felix Magath, der ja auch schon 1984 mit dem HSV in Geislingen verloren hatte. Die Stuttgarter Torschützen hießen Angelo Vaccaro, Jörn Schmiedel, Alexander Hleb, Robert Vujevic und zwei Mal Ioannis Amanatidis, für Frankfurt traf Jan Aage Fjörtoft. Felix Magath machte das Beste aus dem Frankfurter Desaster. Wenige Monate später wurde er Trainer in Stuttgart.

Empört: Hamburgs Sergej Barbarez zeigt auf Schiedsrichter Robert Hoyzer.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
In der zweiten Runde war dann Schluss mit lustig für die Stuttgarter Amateure – weil dort die Profis des VfB auf sie warteten. Das Spiel geriet zur Farce, da die besten Spieler der Zweitvertretung zu den Profis abkommandiert wurden. Der Bundesligist siegte mit 3:0. Woraufhin der DFB die Regeln änderte und interne Begegnungen eines Vereins fortan ausschloss.
Für einen schäbigen Plasmafernseher
2004: SC Paderborn - Hamburger SV 4:2. Wieder eine Pleite des HSV, an der die Norddeutschen und ihr Trainer Klaus Toppmöller allerdings, wie sich hinterher herausstellte, nur einen Teil der Schuld trugen. Wie sagte doch Toppmöller nach der Partie: "Wir sind verdient in Führung gegangen. Der Elfmeter und der Platzverweis aber waren spielentscheidend." Wie Recht er doch hatte.
Denn der Schiedsrichter hieß Robert Hoyzer. Und der war, wie mittlerweile alle wissen, bestochen. Nachdem der HSV nach einer halben Stunde vor 7000 Zuschauern im Hermann-Löns-Stadion mit 2:0 führte, wurde Hoyzer offenbar nervös – und verhängte völlig aus der Luft heraus einen Strafstoß für Paderborn und gegen den fassungslosen Hamburger Emile Mpenza die Rote Karte wegen Schiedsrichterbeleidigung. Nach der Pause gab Hoyzer, um sicher zu gehen, noch einen Elfmeter für Paderborn. Seine unglaubliche Leistung in Kombination mit auffällig hohen Wetteinsätzen brachte den DFB auf die Spur des Betrügers - allerdings zu spät. Die zweite Runde war bereits gespielt. Zu spät kam die Aufdeckung des Skandals auch für den zwischenzeitlich entlassenen Toppmöller. Er behauptete später, Hoyzer habe ihn seinen Job gekostet. Der soll übrigens unter anderem einen Plasmafernseher für seine Dienste erhalten haben.
Hamburger Blamage an der Waldau
2006: Stuttgarter Kickers - Hamburger SV 4:3 n.V. Nachdem die Hamburger im Jahr zuvor bei den Kickers in der ersten Runde mit 5:1 gewonnen hatten, lief es diesmal für Trainer Thomas Doll und seine Mannschaft nicht so rund. Dabei glichen die Hamburger vier Tage vor dem Champions League-Auftakt gegen Arsenal einen frühen 2:0-Rückstand noch vor der Pause aus. Mit dem Pausenpfiff brachte Guy Demel den Bundesligisten sogar in Führung. Nach der Pause wollte Hamburg den Vorsprung verwalten, was bis zur Schlussminute gelang - dann köpfte erneut Yildiz zum vielumjubelten 3:3 ein.
In der Verlängerung gab es Chancen auf beiden Seiten, und die 10.000 Fans auf der Waldau peitschten ihre Kickers nach vorne. In der 96. Minute verschuldete der erst im Sommer nach Hamburg gekommene Joris Mathijsen einen Foulelfmeter an Kickers-Stürmer Mirnes Mesic. Okpala überwand Sascha Kirschstein. Am Ende jubelten die Kickers und ihr Erfolgscoach Robin Dutt - heute in Freiburg - über eine Pokalsensation.
Jörn Andersen musste dann gehen
2009: VfB Lübeck – Mainz 05 2:1 n.V. Im vergangen Jahr blamierte sich Bundesliga-Aufsteiger FSV Mainz 05 in der ersten DFB-Pokalrunde bis auf die Knochen. Die Mannschaft von Trainer Jörn Andersen unterlag beim Viertligisten VfB Lübeck vor 7898 Zuschauern in der Lohmühle trotz einer 1:0-Führung nach Verlängerung mit 1:2 (1:1, 1:0). Danach wechselten die Mainzer noch vor dem ersten Bundesligaspiel den Trainer aus. Andersen musste gehen, Thomas Tuchel kam – und belegte mit dem FSV Platz neun.
Quelle: ntv.de