Fußball

Dritter DFB-Sieg im Schnellcheck Endlich wieder eine eingeschworene Truppe

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Hansi Flicks Plan geht auf. Er fährt nicht nur neun Punkte in seinen ersten drei Spielen ein, der Bundestrainer formt auch ein Team, das füreinander kämpft und furios nach vorne spielt. Die Flick'sche Spielweise macht Lust auf mehr - und sogar ein Standardtor gelingt.

Hansi Flicks Plan geht auf. Er fährt nicht nur neun Punkte in seinen ersten drei Spielen ein, der Bundestrainer formt auch ein Team, das füreinander kämpft und furios nach vorne spielt. Die Flick'sche Spielweise macht Lust auf mehr - und sogar ein Standardtor gelingt.

Was ist passiert in Reykjavik?

Dritte Partie, dritter Sieg: So lautete Hansi Flicks klarer Plan für das WM-Qualifikationsspiel (das 100. in der DFB-Geschichte) in Island, um den perfekten Abschluss seiner ersten Länderspiele einzufahren. Nach dem mauen 2:0-Stotterstart gegen Liechtenstein, sollte es diesmal wieder mehr vom Spielwitz und von der Dominanz aus dem 6:0-Kantersieg gegen Armenien geben. "Die Spielidee - man hat das Gefühl, die Mannschaft hat das Ganze verinnerlicht", lobte der Bundestrainer am Dienstag.

Mit einem kleinen, eher ungewollten Seitenhieb auf Vorgänger Joachim Löw fügte Flick hinzu, der deutlich aktivere Ansatz "tut uns gut". Dass die Fans so richtig Spaß beim Zugucken eines DFB-Spiels hatten, dass sie ein Fußballfest vorgesetzt bekamen, war unter Löw nur äußerst selten der Fall. "Wir wollen unter Beweis stellen, dass das keine Eintagsfliege war", sagte auch Leon Goretzka nach dem Armenien-Spiel.

Die erste Partie der Nationalmannschaft in Island seit dem legendären 0:0 vor 18 Jahren (inklusive Rudi-Völler-Weißbier-Interview: "Scheißdreck!") musste der neue Bundestrainer ohne den starken Marco Reus (Knieprobleme) angehen. Ilkay Gündogan ersetzte den BVB-Kapitän auf der Zehn, ansonsten nahm Flick keine Änderungen vor. Es ist unser Job, alles zu geben und jeder will mit einem guten Gefühl in die Vereine zurück", sagte Flick kurz vor der Partie. "Alle sind bereit für dieses Spiel."

Bei acht Grad Celsius und Regenwind, der durchs offene Stadion pfiff, setzte sich die DFB-Elf 250 Kilometer südlich des nördlichen Polarkreises verdient mit 4:0 durch und festigte damit die Tabellenspitze in der Gruppe J. Die perfekte erste Länderspielphase, sie gelang Hansi Flick also. Die Spielweise und Spielfreude seiner Nationalmannschaft könnte auf Dauer eine Begeisterung in Deutschland auslösen, die es lange nicht gab.

Schema

Island: Halldorsson/Valur Reykjavik (37 Jahre/75 Länderspiele) - Saevarsson/Valur Reykjavik (36/97), Brynjar Ingi Bjarnason/US Lecce (21/6), Fjoluson/Hammarby IF (32/17), Skulason/IFK Norrköping (34/81) - Birkir Bjarnason/Adana Demirspor (33/101), Palsson/Schalke 04 (30/28) ab 89. Baldursson/FC Kopenhagen (19/6), Johannesson/FC Kopenhagen (18/7) ab 71. Sigurdsson/FC Venedig (22/16)- Johann Gudmundsson/FC Burnley (30/81), Albert Gudmundsson/AZ Alkmaar (24/23) ab 80. Gudjohnsen/Real Madrid (19/3), Helgason/US Lecce (20/3). - Trainer: Vidarsson

Ein Team: Die DFB-Elf überzeugte auch gegen Island.

Ein Team: Die DFB-Elf überzeugte auch gegen Island.

(Foto: picture alliance/dpa)

Deutschland: Neuer/Bayern München (35 Jahre/106 Länderspiele) - Hofmann/Borussia Mönchengladbach (29/6) ab 46. Klostermann/RB Leipzig (25/14), Süle/Bayern München (26/35) ab 59. Gosens/Atalanta Bergamo (27/13), Rüdiger/FC Chelsea (28/47), Kehrer/Paris St. Germain (24/12) - Kimmich/Bayern München (26/62), Goretzka/Bayern München (26/38) ab 80. Wirtz/Bayer Leverkusen (18/3) - Gnabry/Bayern München (26/29) ab 46. Havertz/FC Chelsea (22/20), Gündogan/Manchester City (30/52), Sane/Bayern München (25/37) ab 60. Musiala/Bayern München (18/8) - Werner/FC Chelsea (25/45). - Trainer: Flick

Schiedsrichter: Andreas Ekberg (Schweden)

Tore: 0:1 Gnabry (4., nach Videobeweis), 0:2 Rüdiger (24.), 0:3 Sane (56.), 0:4 Werner (89., nach Videobeweis)

Die Flick-Spiele im Spielfilm

4. Minute: Toooooooooor für Deutschland, 1:0 Serge Gnabry.

Der Jubel fällt zunächst aus, weil Schiedsrichter Ekberg direkt auf Abseits entscheidet. Kimmich hatte am Strafraum einen langen Ball von Süle stark festgemacht und auf Sané nach außen gepasst. Dessen direkte Hereingabe drückte Gnabry in der Mitte über die Linie. Am Ende aber zählt der 19. Länderspieltreffer des Bayern-Angreifers doch. Traumstart für die DFB-Elf - ähnlich wie gegen Armenien.

12. Minute: Von Island kommt bisher wenig. Dafür machen die Fans mit einigen Trommeln, viel Gesang und dem legendären "Huh" lautstark auf sich aufmerksam.

17. Minute: Erster Abschluss der Isländer. Schön kombinieren die Männer in den blauen Trikots sich von hinten heraus, verlagern clever die Seite, sodass am Schluss Helgasson Neuer mit einem satten Linksschuss prüft. Der DFB-Kapitän kann die Kugel nur wegfausten.

24. Minute: Tooooooooooor für Deutschland, 2:0 Antonio Rüdiger.

Die DFB-Elf trifft nach einem Standard, das hatte seit 2018 Seltenheitswert unter Löw: Kimmich chipt einen Freistoß von halbrechts in den Strafraum, dort löst sich ganz hinten Rüdiger clever vom Pulk in der Mitte. Der Abwehrhüne steigt hoch und köpft fulminant in die lange Ecke. Das sah einstudiert aus!

28. Minute: Goretzkas Schuss aus zwölf Metern kann Keeper Halldorsson zur Ecke lenken, Werners Kopfball fängt er sicher. Deutschland hat die Sache hier im Griff und macht langsam mehr Druck, obwohl die Isländer gut verteidigen.

43. Minute: Seltene Szene: Neuer muss eingreifen. Der Torwart pariert nach einem isländischen Konter locker gegen Gudmundsson. Seine Vordermänner lassen hinten quasi nichts mehr zu. Aus dieser Szene hätte Island aber mehr machen können.

Halbzeit

49. Minute: Toooooooor für Island - aber Abseits. Nach Johann Gudmundssons wunderschön an den Pfosten gezirkeltem Schuss, an den auch Neuer nicht mehr herankommt, schiebt Albert Gudmundsson ins leere Tor ein. Allein, er bewegt sich dadurch aus dem passiven ins aktive Abseits. Die Isländer drücken jetzt, wie reagiert die DFB-Elf diesmal?

55. Minute: Mega-Chance für Havertz, der sie aber liegen lässt. Gündoğan spielt einen tollen langen Pass auf Werner und leitet damit einen Gegenstoß ein. Der Mann von FC Chelsea setzt sich gut durch und auf einmal hat Deutschland eine Drei-gegen-eins-Situation. Werner spielt klug auf Havertz, der aber allein vor dem Torwart neben das Tor schießt.

56. Minute: Tooooooooooooooor für Deutschland, 3:0 Leroy Sané.

Jetzt aber. Gündoğan spielt auf Goretzka, der Werner auf die Reise schickt. Keeper Halldorsson ist kurz vor dem Stürmer am Ball, kann aber nicht richtig klären. Goretzka pflügt durch den Strafraum und passt auf Sané, der mit Vollspann hoch in die Maschen vollendet. Ein toller Treffer!

61. Minute. Timo Werner schießt den Ball aus fünf Metern über das leere Tor.

63. Minute: Goretzka jubelt schon über sein 4:0, allerdings springt der eingewechselte Musiala durch die Flugbahn des Balles und steht dabei im Abseits. Der Treffer zählt berechtigterweise nicht.

65. Minute: Die DFB-Elf lässt jetzt zu viele Chancen liegen. Erst scheitert Werner am Keeper, dann Havertz im Nachsetzen.

72. Minute: Rüdiger klärt hinten im Zentrum, dann macht Gündoğan das Spiel schnell. Den Konter schließt er nach Zusammenspiel mit Havertz selbst ab, doch Halldorsson pariert.

82. Minute: Hansi Flicks Team hat jetzt hier alles im Griff, drängt weiter nach vorne, aber lässt weitere gute Chancen aus.

89. Minute: Tooooooooooooooooor für Deutschland, 4:0 Timo Werner.

Der Mann vom FC Chelsea macht doch noch sein Tor. Einen vertikalen Ball in die Spitze leitet Musiala mit dem Rücken zum Tor zuckersüß per Hacke auf Havertz, der direkt auf seinen Londoner Teamkollegen ablegt. Werner schießt den Ball an den Innenpfosten, von dort trudelt er über die Linie.

Schlusspfiff

Was war gut?

Bundestrainer Hansi Flick hatte vor dem Spiel gefordert: "Wir wollen den Gegner unter Druck setzen, zu Fehlern zwingen und unser Spiel durchbringen." Seine Mannschaft begann auch engagiert von Anfang an, wenngleich das ganz große Spektakel trotz des frühen Gnabry-Tores diesmal ausblieb. Aber die Nationalelf überzeugte in der ersten Hälfte mit kontrollierter Offensive und in der zweiten mit herausgespielten Hochkarätern. Zwar ging es diesmal nicht gegen einen Weltklasse-Gegner, aber in der Regel werden mit dieser Spielweise große Spiele gewonnen.

Beim ersten Treffer zeigten Kimmich, Sané, Gnabry wieder ihr Kombinationstalent. Später wirbelte auch Musiala ein ums andere Mal herausragend. Die Läufe der Offensivakteure in die Tiefe wurde diesmal nicht immer gefunden wie gegen Armenien, aber sie waren oft da. Jonas Hofmann platzierte Flick wieder sehr weit vorne, sodass im Spielaufbau die Viererkette zur Dreierkette und vorne dadurch Überzahl geschaffen wurde. In der zweiten Hälfte erbrachte die Spielfreude der Nationalelf einen wahren Chancenwucher. Vor allem aber ist DFB-Elf wieder eine eingeschworene Truppe, bei der jeder für den anderen läuft und gemeinsam gewuselt, gekämpft und gejubelt wird. Italien wurde unter anderem deshalb im Sommer Europameister.

Hat Deutschland tatsächlich ein Standardtor erzielt?

Unglaublich, aber wahr: Diese Frage kann mit ja beantwortet werden. Unter der Regie von Joachim Löw waren zuletzt die Standards - offensiv wie defensiv - in den vergangenen Jahren zu einer Art Dauerproblematik geworden. Nichts wollte gelingen. Seit der WM 2018 schaffte die Nationalmannschaft nur ein mickriges Standardtor.

Nun aber zeigte die einstudierte Variante zum 2:0 durch Rüdiger, dass Flicks Engagement des Standardtrainers Mads Buttgereit sich bereits gelohnt hat. "Er hat einen großen Anteil daran gehabt", lobte Rüdiger nach dem Spiel. Der simple Chip Kimmichs ein ganz klein wenig in den Rücken der Abwehr und auf den langen Pfosten war zwar nur mäßig kreativ, dafür erfolgreich, weil Rüdiger genau wusste, was kommen sollte und wie er sich zu bewegen hatte. Das sollte der DFB-Elf erstmal genügen.

Was läuft unter Flick jetzt besser?

Kontrolliert, variabel, ballsicher und dazu eine gute Balance zwischen Offensive und Defensive: Flicks Team ließ sich auch nach der guten Chance der Isländer in der 17. Minute nicht beirren. Noch wichtiger: Die Mannschaft geriet nicht ins Schwimmen, wie es in den vergangenen Jahren so oft der Fall war nach einer eigenen Führung. Stattdessen erhöhte sie den Druck und machte prompt das 2:0. Genauso reagierte die Nationalelf auf die Druckphase der Isländer kurz nach der Pause mit einem Chancenfeuerwerk und dem 3:0 durch Sané. Wie eine eingeschworene Truppe eben.

Vor allem zeigte die DFB-Elf endlich wieder eine Geschlossenheit, Leidenschaft und Spielfreude, die Lust auf weitere Spiele dieser Mannschaft macht. Die fluide und selbstbewusste Offensive, die sich stets in Bewegung befand, konnte kaum gestoppt werden. Auch nach einer klaren Führung und in den letzten Minuten machte Nationalelf immer weiter, drängte stets aufs nächste Tor. 22:8 Torschüsse standen am Ende zu Buche. Das war durchaus ein Unterschied zu den letzten Länderspieljahren. 12:0 Tore und neun Punkte aus den ersten drei Spielen sprechen eine Sprache für sich.

Was war schlecht?

Die Chancenverwertung. Besonders in der zweiten Hälfte ließ Flicks Team einige Hochkaräter liegen. Auch das Aufbauspiel war teilweise etwas leichtsinnig, deshalb kam Island zu einigen guten Chancen. Bei der ein oder anderen Kontersituation fehlte entweder der letzte, entscheidende Pass oder die notwendige Überzeugung und Konsequenz.

Und Leroy Sanés "Krise"?

Sané zeigte wie schon gegen Armenien, dass ihn die sogenannte "Krise" so gar nicht (mehr) kümmert. Der Mann vom FC Bayern wirbelte vorne die Defensivreihe wieder ordentlich durcheinander und war dank eines Assists und einem Tor einer der Matchwinner. Vor allem jagte er aber verlorenen Bällen bis weit in die eigene Hälfte hinterher. Das dürfte Hansi Flick am meisten gefallen haben.

Quelle: ntv.de

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