Fußball

Robert Enke ist tot - und nun? Fußball ist nicht alles

Nun reden alle davon, dass sich etwas ändern muss. Robert Enke hat sich das Leben genommen, die Öffentlichkeit hat ihm dabei zugeschaut, Anteil genommen - und fordert Konsequenzen. Der Profi-Fußball muss sich ändern, lautet der Auftrag. Aber wird er sich ändern? Kann er sich ändern? Muss er sich ändern?

"Fußball darf nicht alles sein": Theo Zwanziger.

"Fußball darf nicht alles sein": Theo Zwanziger.

(Foto: REUTERS)

"Fußball darf nicht alles sein." Der Gedanke stammt nicht von Theo Zwanziger, sondern von Margot Käßmann, sie ist Bischöfin der evangelischen Kirche. Aber Theo Zwanziger hat ihn am Sonntag bei der öffentlichen Trauerfeier für Robert Enke im Stadion von Hannover zitiert. Das ist bemerkenswert, weil Theo Zwanziger Präsident des Deutschen Fußball-Bundes ist, der sich nun einmal hauptsächlich mit Fußball beschäftigt. Eine profane Erkenntnis, die Kirchenfrau und Fußballmann eint. Dennoch ist es gut und wichtig, sie auszusprechen. Beides schließt sich nicht aus, weil es bisweilen notwendig ist, dass jemand ausspricht, was selbstverständlich sein sollte, aber nicht selbstverständlich ist.

Viele, vielleicht sogar die meisten, mögen sagen: Na klar ist Fußball nicht alles. Wissen wir doch längst. Wussten wir schon immer. Eine Binsenweisheit. Und doch ist es gut, diesen Satz immer wieder auszusprechen, weil er der Schlüssel für einen vernünftigen Umgang mit dem Mikrokosmos Fußball ist. Das gilt für die Spieler und die Funktionäre ebenso wie für die Zuschauer und Fans – und nicht zuletzt für die, die darüber berichten.

Es ist eben nur Fußball

Wer jetzt davon spricht, dass das System Profi-Fußball den Menschen zur Maschine degradiert, der nur noch zu funktionieren hat, der argumentiert zu einseitig. Wer die Medien verteufelt, weil sie die Leistungen von Leistungssportlern beurteilen, urteilt zu pauschal. Ja, auf den Akteuren lastet Druck, und ja, es geht um einen fairen Umgang und eine ausgewogene Kritik. Und ja, es gibt Auswüchse. Wenn die "Bild"-Zeitung einen 19-Jährigen als Torwart-Trottel anprangert, weil er – und diese Meinung hatte das Blatt exklusiv – angeblich mit zwei Fehlern die Niederlage seiner Mannschaft verschuldet hat, ist das indiskutabel. Aber eben eher die Ausnahme als der Regelfall.

Und wer beklagt, dass die Fans in den Spielern ihrer Lieblingsmannschaft unverwundbare Heroen sehen, die sie anbeten, wenn sie erfolgreich sind, und verdammen, wenn sie den Ball nicht ins Tor schießen, der macht es sich zu einfach – weil er die Fans zu Deppen erklärt, unfähig zur inneren Distanz. "Wir steigen auf, wir steigen ab, und zwischendurch Uefa-Cup", singen die Anhänger des VfL Bochum. Ein Beispiel für den ironischen Umgang mit der Niederlage, nur eines von vielen. Und wenn die Zuschauer in Dortmund einst Jürgen Kohler als Fußballgott gefeiert haben, dann darf ihnen durchaus unterstellt werden, dass sie den Abwehrspieler zwar sehr mochten, aber keineswegs angebetet haben.

Was ist wichtig? Und was nicht?

Fans wollen ihre Helden. Und sie bekommen sie.

Fans wollen ihre Helden. Und sie bekommen sie.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Fans wollen ihre Helden - und sie bekommen sie.  Sie wollen sich aufregen, sich freuen, mitleiden, schimpfen. Sie feiern die Spieler und sie pfeifen sie aus. Doch sie wissen, es sind Helden auf Zeit. Wenn das Spiel zu Ende ist, geht das richtige Leben weiter. Es ist eben ein Spiel, ein Spiel in einer Parallelwelt, nicht mehr und nicht weniger. Und es wäre arrogant, den Zuschauern zu unterstellen, sie könnten das nicht auseinanderhalten.

Ironie und die mit ihr verbundene gesunde Distanz im Umgang mit einer Sache, die einem am Herzen liegt, ist nicht immer einfach. Jeder, der sich für etwas engagiert, sei es im Beruf, sei es ehrenamtlich, weiß das. Und doch ist sie notwendig, um das richtige Maß zu wahren. Um bisweilen innezuhalten und zu sagen: "Es ist doch nur …. " Das ist kein Aufruf zur Beliebigkeit, kein Argument dafür, nichts und niemanden mehr ernst zu nehmen. Sondern ein Plädoyer dafür, dass Ironie hilft, die Dinge einzuordnen und zu unterscheiden, was wichtig ist und was nicht. Das gilt für das richtige Leben und mehr noch für den Leistungssport. Es ist eben nur Fußball.

Wir wissen nicht, woran Robert Enke zerbrochen ist, warum er keinen Sinn mehr in seinem Leben sah. Wir wissen nicht, was ihm geholfen hätte. Wir können es nur ahnen. Deshalb verbietet es sich, darüber zu spekulieren. Aber wir können darüber reden, ob sich etwas ändern muss. Und wir können etwas ändern, indem wir immer wieder sagen: Fußball ist nicht alles.

Quelle: ntv.de

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