Die Zweite Liga naht HSV taumelt überheblich Richtung Abstieg
16.05.2014, 08:04 Uhr
Flach auf den Boden legen und warten: Pierre-Michel Lasogga hofft auf das Rückspiel.
(Foto: imago/Philipp Szyza)
Der Hamburger SV spielt im ersten Relegationsspiel gegen Greuther Fürth zu Hause nur Unentschieden. Trotz des drohenden Abstiegs sind Mannschaft und Trainer weiterhin von sich überzeugt. Genau das ist das Problem.
Da war sie wieder, die verhängnisvolle Überheblichkeit beim Hamburger SV. Direkt nach dem 0:0 im Relegationsspiel gegen Greuther Fürth blitzte sie wieder auf, in der Mixed Zone der Hamburger Imtech-Arena. Dort stand der HSV-Stürmer Pierre-Michel Lasogga und sagte: "Wenn man die Spieler durchgeht, stellt sich die Frage gar nicht." Wir sind besser als die, sollte das heißen.
Doch die Frage nach dem Abstieg stellt sich für die Hamburger sehr wohl, und das stärker denn je. Das Unentschieden der Hamburger im Heimspiel der Relegation gegen die Fürther aus der 2. Liga war für den Bundesligisten ernüchternd. Da hilft es auch nicht, dass der HSV nicht nur nach Meinung seines Stürmers die besseren Einzelspieler hat. Womöglich ist genau das sogar das Problem des Vereins.
Tricks an der Eckfahne
Denn mit Greuther Fürth trafen die guten, aber verunsicherten Hamburger Einzelspieler auf ihren genauen Gegenentwurf: ein selbstsicheres Kollektiv aus guten Mannschaftsspielern. Das Team von Trainer Frank Kramer agierte taktisch flexibel, in der Abwehr mal zu viert, mal zu sechst, um bei Ballgewinnen rasant umzuschalten und mit schnellen Pässen auf die ballsicheren Stürmer Ilir Azemi und Nikola Djurdjic vor das Hamburger Tor zu gelangen. Gegen die auch ohne Heiko Westermann absurd desorientiert wirkende Hamburger Abwehr um Johan Djourou und Michael Mancienne gelang dies relativ häufig - doch die Fürther scheiterten entweder an der eigenen Ungenauigkeit, an dem für den kurzfristig ausgefallenen René Adler im Tor stehenden Jaroslav Drobny oder an beidem. Hätten die Fürther ihre Konter etwas konsequenter zu Ende gespielt, der altehrwürdige HSV stünde heute bereits bis zur Hüfte in der zweiten Liga.
Die Hamburger hingegen spielten wie eine Mannschaft, die immer noch nicht verstanden hat, worum es für den Verein in der Relegation eigentlich geht. Mehrfach verloren Hamburger Spieler den Ball nach Tricks an der eigenen Eckfahne, regelmäßig nahmen ihnen die gierigen Fürther Spieler den Ball im Mittelfeld einfach ab. Die drei Offensivstars des HSV, Rafael van der Vaart, Hakan Calhanoglu und Pierre-Michel Lasogga, beteiligten sich kaum einmal an der Defensivarbeit. Meistens blieben sie einfach vorne stehen.
Der Kapitän taucht ab
Zwar kamen auch die Hamburger zu Chancen, Lasogga köpfte den Ball nach einem Calhanoglu-Freistoß in der 67. Minute sogar ins Fürther Tor, stand dabei allerdings im Abseits. Doch gefährlich für die Fürther wurde es meist nur nach solchen Standardsituationen oder wenn sie den Ball beim Aufbauspiel verloren. Die Hamburger spielten ohne Plan, eigene herausgespielte Chancen hatten sie keine.
Für van der Vaart, Calhanoglu und Lasogga - von den Namen her eine der besten Offensivreihen der Bundesliga - war das eine beschämende Leistung. Während der junge Calhanoglu immerhin noch bei Freistößen auftauchte und Lasogga sich mit seinem Gladiatoren-Körper vergeblich in die wenigen Bälle warf, die den Strafraum erreichten, verschwand Kapitän van der Vaart wieder einmal über die vollen neunzig Minuten nahezu spurlos. "Die können Fußball spielen", bemerkte der Kapitän immerhin hinterher über die Fürther, als wäre dies eine Überraschung. "Wir müssen zufrieden sein mit dem 0:0". Nun müsse der HSV eben am Sonntag in Fürth ein Tor schießen, schlussfolgerte van der Vaart zuversichtlich. "1:1 reicht auch."
Kein Spaß, keine Chancen
Ohnehin war die Stimmung der HSV-Spieler nach der Partie erstaunlich optimistisch. Man sei auswärts immer für ein Tor gut, hieß es unisono - keine Rede davon, dass die Hamburger die letzten neun Auswärtspartien verloren haben. "Wir haben uns sehr kämpferisch gegeben in der Kabine", sagte Trainer Mirko Slomka. Und dass Fürth wegen des Heimspiels "ein kleines bisschen nervöser" sein werde beim Rückspiel am Sonntag, "und das werden wir ausnutzen."
Nachdem die Fürther mit einem Spieleretat von 7,2 Millionen Euro den Hamburgern mit einem Etat von 43 Millionen im ersten Spiel über 90 Minuten mindestens ebenbürtig waren, wirkte diese Vorhersage ein wenig hilflos - und unangemessen. Doch damit reiht sich Slomka nahtlos ein in die Außendarstellung der letzten Zeit. Seit Wochen schon tun die Verantwortlichen in Hamburg so, als ginge sie der Abstieg überhaupt nichts an. Schon vor dem 34. Spieltag, als der Verein theoretisch noch direkt hätte absteigen können, beschäftigten sie sich mit möglichen Relegationsgegnern. Und vor dem Spiel gegen die Fürther ließ sich Trainer Slomka von der "Hamburger Morgenpost" mit dem Satz zitieren: "Wir müssen Spaß daran haben, den Gegner auseinanderzunehmen". Dieser Plan ging nicht auf. "Die offensive Gefahr hat uns gefehlt", gab Pierre-Michel Lasogga zu.
Am Sonntag treten die Hamburger zum entscheidenden zweiten Relegationsspiel in Fürth an. "Auswärtssieg, Auswärtssieg", brüllten die Fans der Nordkurve nach dem Schlusspfiff am Donnerstag. An Überzeugung in die eigene Stärke fehlt es dem HSV nicht. Dabei gäbe es allen Grund dazu.
Quelle: ntv.de