Fußball

Posse um den Sportdirektor-Posten Sammer tritt nach, der HSV zurück

Beim Hamburger SV geht das Chaos nach der geplatzten Verpflichtung von Matthias Sammer weiter. Der schiebt den Schwarzen Peter dem Verein zu. Dessen Aufsichtsrat tritt verbal zurück und versucht, interne Brandherde zu löschen. Gezündelt hat Trainer Armin Veh.

Matthias Sammers Image ist nach seinem Rückzieher beim Hamburger SV ebenso ramponiert wie das des Bundesliga-Dinosauriers.

Matthias Sammers Image ist nach seinem Rückzieher beim Hamburger SV ebenso ramponiert wie das des Bundesliga-Dinosauriers.

(Foto: dpa)

Erklärungsversuche, Rechtfertigungen, Vorwürfe: Nach der Posse um den geplatzten Wechsel von Matthias Sammer zum Fußball-Bundesligisten Hamburger SV kämpfen beide Seiten um ihren Ruf. Mittendrin müht sich der ebenfalls schwer beschädigte HSV-Sportchef Bastian Reinhardt verzweifelt, sein Profil zu schärfen. Doch eine vielleicht sogar gut gemeinte Aussage von Trainer Armin Veh schwächt ihn weiter. Die Chaostage an der Elbe nehmen kein Ende. Das 1:0 (0:0) am Freitagabend gegen Eintracht Frankfurt, der zweite Sieg im zweiten Rückrundenspiel, verkommt zur Randnotiz.

Sammer und der HSV breiten nun öffentlich aus, wer was wann mit wem besprochen hat. Oder eben auch nicht. "Plötzlich hat der Aufsichtsrats-Chef des HSV - mit dem ich übrigens nie ein persönliches Vertragsgespräch geführt habe - durch seine Äußerungen einen öffentlichen Druck in die Gespräche gebracht. Es entstand der Eindruck, alles sei bereits beschlossene Sache, dem war aber nicht so", mokierte sich Sammer in der "Bild am Sonntag". Via "Welt am Sonntag" ließ er wissen: "Ich bin mit mir im Reinen." Aufgrund der "gesamten Entwicklung" habe es für ihn keine andere Entscheidung geben können.

Rechtfertigung im Bezahlfernsehen

Höhepunkt der Sammer'schen Medienoffensive war schließlich ein Auftritt beim Bezahlsender Sky, bei dem er seine Entscheidung noch einmal wortreich, aber trotzdem wenig überzeugend zu rechtfertigen suchte. Auch dort machte er die Voreiligkeit der HSV-Vorderen für das Scheitern verantwortlich, nachdem er zuvor "inhaltlich gute, konstruktive Gespräche geführt" haben wollte. Ein wenig bedauerte Sammer das Scheitern seines "Flirts" deshalb auch: "Mir tut es auch ein bisschen leid, weil es eine gute Chance gewesen wäre."

DFB-Präsident Theo Zwanziger ist der einzige Gewinner in der Angelegenheit. Sein Ultimatum erzwang Sammers Absage an den HSV.

DFB-Präsident Theo Zwanziger ist der einzige Gewinner in der Angelegenheit. Sein Ultimatum erzwang Sammers Absage an den HSV.

(Foto: dpa)

Ein unterschriftsreifes Vertragsangebot des HSV habe er aber, anders als von den Hamburgern verkündet, nicht erhalten: "Fakt ist, dass die Situation bis zum Dienstagabend kontrollierbar war und danach war sie es nicht mehr." An besagtem Dienstagabend war der HSV im Poker um den noch bis 2013 als Sportdirektor an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) gebundenen Sammer vorgeprescht. Chefkontrolleur Ernst-Otto Rieckhoff war öffentlich zuversichtlich, "die Sache innerhalb von wenigen Tagen dingfest machen zu können". Eine Aussage, mit der er jedoch DFB-Präsident Theo Zwanziger auf den Plan rief. Der stellte Sammer, der sich eigentlich erst am Wochenende mit seiner Familie beraten wollte, ein Ultimatum bis Freitag und erzwang damit wohl die Absage an den HSV. Denn der Umworbene kündigte dann überraschend - auch wegen familiärer Gründe - seinen Verbleib beim DFB an und ließ die Hamburger im Regen stehen.

Vorgehen mit Sammer abgestimmt?

Rieckhoff will sich den Schwarzen Peter von Sammer aber nicht unterschieben lassen. "Ich suche keine Konfrontation mit Herrn Sammer. Aber ich mache auch sehr deutlich, dass ich mir den Schuh nicht anziehe, den er da als Vorwurf vorgetragen hat", sagte der 59-Jährige und schloss in der "Welt" seinen Rücktritt aus: "Ich fühle mich auf keinen Fall als Schuldiger seiner geplatzten Verpflichtung. Ich werde deswegen natürlich keine persönlichen Konsequenzen daraus ziehen." Es wäre eine kurze Amtszeit gewesen: Rieckhoff hatte den Posten erst am vergangenen Dienstag übernommen.

Seine erste Amtshandlung war die große Sammer-Offensive, die er auch nach dem grandiosen Scheitern nicht als Fehler ansieht. Vielmehr wurden die Dinge in der Personalie Sammer "in wochenlangen Gesprächen (...) so weit vorangetrieben, dass am Dienstag große Einigkeit zwischen beiden Parteien bestand. Dann haben wir mit ihm auch Einigkeit darüber erzielt, dass wir als HSV offensiver mit seiner Personalie umgehen", sagte Rieckhoff: "Warum sollten wir an diesem Dienstag bei dem Stand der Verhandlungen noch rumeiern?"

Veh fällt Reinhardt in den Rücken

Angefressen und angeschlagen: Bastian Reinhardt, HSV-Sportdirektor von Sammers Gnaden.

Angefressen und angeschlagen: Bastian Reinhardt, HSV-Sportdirektor von Sammers Gnaden.

(Foto: dpa)

Vom lautlosen Lavieren zwischen den Fronten hat auch Reinhardt genug. Der Sportchef wäre im Falle einer Verpflichtung Sammers bestenfalls ins zweite Glied gerückt. Nun stellt er erstmals öffentlich Forderungen. "Die vergangenen Wochen waren nicht leicht für mich. Deshalb erwarte ich jetzt mehr Rückendeckung durch den Verein", polterte der 35-Jährige und legte nach: "So werde ich das nicht mehr mit mir machen lassen." Den Flirt mit Sammer konnte Reinhardt nicht nachvollziehen: "Mich hätte auch mal interessiert, was er besser gemacht hätte." Eine unverblümte Attacke gegen alle, die immer wieder Zweifel an seiner Arbeit geäußert hatten.  Dass Sammer später gegenüber Sky darum bat, Reinhardt doch bitteschön mehr Zeit zu geben, muss diesem wie blanker Hohn vorgekommen sein.

Fatalerweise führte ausgerechnet HSV-Coach Armin Veh die verbalen Muskelspiele von Reinhardt ad absurdum, indem er feststellte: "Er ist 35 Jahre alt und neu im Job. Das kann er nicht alles bewerkstelligen, das ist ein bisschen viel. Er ist ein guter, intelligenter Junge, aber da muss man erst einmal hineinwachsen." Was unterstützend gemeint war,  muss auf Reinhardt wie der nächste Nackenschlag gewirkt haben. Der nächste Brandherd war gelegt.

Prompt gab es von Rieckhoff harsche Kritik: "Wenn die nicht sofort in ein Kämmerlein gehen und sich mal unter Männern aussprechen, dann haben wir ein Problem", sagte der Aufsichtsratschef dem NDR. Selbst bekannte er sich aber auch nur wachsweich zum Manager. "Wir gehen jetzt nicht los und suchen Matthias Sammer Nummer zwei. Zumal ich momentan keine adäquate Alternative sehe", sagte er im Sport1-Doppelpass und sprach Reinhardt für den Moment das Vertrauen aus: "Er ist unser Mann." Ein klares Bekenntnis zu dem Manager bis zu dessen Vertragsende 2012 vermied Rieckhoff allerdings.

Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa

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