Fußball

Löws Jungs in der Einzelkritik Träsch wie ein VW-Käfer

Im neuen EM-Stadion zu Danzig kommen Deutschlands Fußballer gegen Polen mit einem blauen Auge davon. Immerhin remis, Thomas Müller sei Dank. Dass es nicht zum Sieg reicht, liegt wohl an Torwart Tim Wiese. Immer wenn der spielt, gewinnt das DFB-Team nicht. Derweil feiern die Fans Lukas Podolski - und pfeifen Miroslav Klose aus.

(Foto: dapd)

Tim Wiese: Vor der Partie kam er auf vier Länderspiele - und noch keins davon gewonnen. Das muss man in diesen Zeiten als deutscher Fußball-Nationalspieler auch erst einmal schaffen. War da, wenn er gebraucht wurde und rettete, wenn es brenzlig wurde, in der ersten Halbzeit gleich zweimal gegen den Kölner Bundesligaprofi Slawomir Peszko. Es gibt Schlechteres, das man über einen Torwart sagen kann. Machtlos beim ersten Gegentor. Hat nun fünf Länderspiele - und immer noch keins gewonnen. Lag auch daran, dass er den Elfmeter zum 2:1 für die Gastgeber verschuldete. Sein Problem ist zudem, dass er so bald nicht wieder spielen wird. Sondern Manuel Neuer.

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Christian Träsch: Hat sich bemüht. Der Wolfsburger läuft und läuft und läuft. Sozusagen der VW-Käfer unter den rechten Außenverteidigern, allerdings viel zu hektisch und wenig umsichtig. Das reicht nicht. Hatte große Probleme mit Gegenspieler Peszko und Glück, dass Torwart Wiese das wieder ausbügelte. Bot sich in Danzig nun wirklich nicht als Lösung für die Problemseite der DFB-Elf an.

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Per Mertesacker: Erstmals seit fünf Monaten wieder dabei, leistete er sich in der ersten Halbzeit zwei Stellungsfehler und verhalf so Peszko zu zwei Chancen der feineren Güte. Ist es allerdings gewohnt, dass er in der Innenverteidigung zwei defensive Mittelfeldspieler vor sich hat. Im neuen 4-1-4-1-System aber hat Bundestrainer Joachim Löw genau das nicht vorgesehen. Das bedeutet im Zweifelsfall mehr Arbeit für die Verteidiger. Für Mertesacker an diesem Abend zu viel Arbeit. Kann aber demnächst bei seinem neuen Verein Arsenal London üben. Das sind die, die unlängst gegen Manchester United mit 2:8 verloren haben. Und deswegen den Bremern Mertesacker abkauften.

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Jerome Boateng: Bester Abwehrspieler der Deutschen. Das ist allerdings ein vergiftetes Kompliment. Böse Zungen sprechen vom Einäugigen, der unter Blinden der König ist. Beim 0:1 war aber auch er nicht im Bilde, mit Mertesacker kein Traumpaar in der Innenverteidigung. Sein großes Plus ist, dass er vielseitig verwendbar ist. Und vielleicht demnächst wieder für den Wolfsburger Kollegen auf der rechten Abwehrseite spielt.

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Philipp Lahm: Sprach als Kapitän seiner Mannschaft ein Kompliment aus, "weil sie gut gearbeitet hat". Dürfte sich aber als Abwehrspieler wie gegen Österreich darüber ärgern, dass die DFB-Elf neuerdings in jeder Partie zwei Gegentreffer kassiert. Und darüber, dass niemand mehr über sein Buch spricht. Hatte in der ersten Halbzeit den Dortmunder Jakub Blaszczykowski gut im Griff und dennoch die Muße, erstaunlich offensiv zu spielen. Wagte nach neun Minuten einen WM-2006-Costa-Rica-Gedächtnisschlenzer, der Ball ging diesmal aber nicht ins Tor. Nach der Pause kam Marcel Schmelzer für ihn auf den Rasen, der ebenfalls für den BVB spielt. Der hatte im Gegensatz zu Lahm große Probleme mit Blaszczykowski. Und nicht die Muße, in irgendeiner Form am Angriffsspiel teilzunehmen.

(Foto: dapd)

Simon Rolfes: Der Leverkusener durfte für den geschonten Münchner Bastian Schweinsteiger auf der Sechserposition vor der Abwehr ran. Er hat sich bemüht und machte das anfangs auch ruhig und souverän. Sein Problem ist, dass er das nicht so gut wie Schweinsteiger macht - und deshalb demnächst wieder auf der Bank Platz nimmt. In der zweiten Halbzeit schwächer, musste nach 77 Minuten für seinen Klubkollegen Lars Bender weichen. Der feierte als 47. Neuling unter Löw sein Debüt in der Nationalmannschaft, Schnupperkurs unter Wettkampfbedingungen sozusagen.

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Toni Kroos: Wer den Bundestrainer mal so richtig schwärmerisch erleben will, der muss ihn einfach nur mal auf den Mittelfeldspieler des FC Bayern München ansprechen. Dann kommt Joachim Löw aber in Fahrt: Enorm präsent, ständig am Ball, ständig in Bewegung, macht technisch kaum Fehler." Wir brechen das jetzt hier mal ab, aber Kroos ist der einzige im deutschen Kader, für den der Trainer ein eigenes Wort erfunden hat: Zwischenspieler. Er soll zwischen der Sechserposition, also in diesem Fall Simon Rolfes, und der Planstelle in der offensiven Mittelfeldzentrale vermitteln. Was er dann auch sehr ordentlich tat. Und den Elfmeter hat er verwandelt. Sein erstes Tor im 21. Länderspiel.

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André Schürrle: Der Leverkusener stand ausnahmsweise in der Startelf, und das ausnahmsweise auf der rechten Seite im offensiven Mittelfeld, was ausnahmsweise mal keine so gute Idee des Bundestrainers war. Bekam allerdings auch wenig Unterstützung vom Kollegen Träsch. Durfte nach einer Stunde auf die linke Seite wechseln, was eine gute Idee war. Schoss nach 76 Minuten den Ball fulminant an die Latte des polnischen Tors, Torhüter Woijciech Szczesny hatte noch die Fingerspitzen dran. Was bleibt? Die Erkenntnis, dass Schürrle offenbar nur als Einwechselspieler Tore erzielt. Und dass er wie alle deutschen Flügelstürmer an diesem Abend neongelbe Schuhe trug.

(Foto: dpa)

Mario Götze: Trägt als einziger Spieler sein Alter als Rückennummer, die 19. In seinem neunten Länderspiel machte der Dortmunder als Ersatz für den geschonten Mesut Özil viel richtig und spielte feine Pässe. Sein Problem ist nur, dass alle aufgrund seiner Hochbegabung Wunderdinge von ihm erwarten. In Danzig ging ihm ein wenig die Leichtigkeit ab, die ihn sonst so auszeichnet und die er beim 3:2 gegen Brasilien auch im Nationaltrikot gezeigt hat, aber damit war er in seinem Team nicht alleine. Die Zuschauer dürfen sich auf den Tag freuen, an dem er mit Özil zusammen auf den Platz steht. Und es ist keine gewagte Prognose zu behaupten, dass Götze die Zukunft gehört. Wie alt ist der nochmal?

(Foto: dapd)

Lukas Podolski: Trug neongelbe Schuhe. War aber nicht nur deswegen hochmotiviert. Sondern auch, weil er erstmals mit der deutschen Nationalmannschaft in seinem Geburtsland spielte. Sehr beliebt bei den polnischen Fans, die ihn mit Applaus empfingen. Hatte für diesen warmen Empfang jahrelang gute Vorarbeit geleistet, bei der Europameisterschaft. 2008 nach seinem zwei Toren gegen die polnische Auswahl nur dezent gejubelt, stets seine Liebe zu Polen betont und seine Liebe Monika im Juni in der Nähe von Warschau kirchlich geheiratet. War nach ordentlichem Spiel auf der linken Seite und der Führung der Gastgeber allerdings sichtbar sauer, so sauer, dass Joachim Löw ihn nach einer guten Stunde lieber auswechselte.

(Foto: REUTERS)

Thomas Müller: Kam in der 61. Minute für Podolski und flitzte gleich in seinen neongelben Schuhen die rechte Seite rauf und runter, die Schürrle wohl leichten Herzens für ihn geräumt hatte. Und avancierte in der halben Stunde seines Mitwirkens zum besten, weil wirkungsvollsten deutschen Spieler. Holte prompt den Elfmeter zum 1:1 heraus, bereitete in allerletzter Minute das 2:2 mit einer scharfen Hereingabe fein vor und sorgte so dafür, dass die DFB-Elf auch weiterhin wahrheitsgemäß behaupten darf, noch niemals gegen Polen verloren zu haben.

(Foto: AP)

Miroslav Klose: Ebenfalls in Polen geboren, allerdings nicht so beliebt wie Podolski, die Fans empfingen ihn mit Pfiffen. Wahrscheinlich, weil er nicht in seinem Geburtsland geheiratet hat. Trug in seinem 112. Länderspiel zwar keine neongelben Schuhe, war aber trotzdem hochmotiviert. Wie immer, Klose halt. Vergab allerdings drei gute Chancen, nicht wie immer, kommt aber vor. Konnte diesmal auch beim besten Willen keinen Treffer der Kollegen für sich reklamieren und bleibt mit seinen 61 Toren weiter sieben hinter Rekordhalter Gerd Müller. Denn den Elfmeter hat eindeutig Kroos verwandelt und als Cacau das 2:2 erzielte, war Klose nicht mehr auf dem Platz, was damit zusammenhängt, dass der Stuttgarter für ihn als Mittelstürmer eingewechselt worden war.

Quelle: ntv.de

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