ZDF, Baller, Roman, Fußballer Was wird jetzt eigentlich aus Christoph Kramer?
15.08.2024, 11:40 Uhr
Christoph Kramer ist seit 2016 ununterbrochen Spieler von Borussia Mönchengladbach.
(Foto: picture alliance / BEAUTIFUL SPORTS)
Christoph Kramer kann viel, macht viel und das meiste auch richtig gut. Nur bei seiner Haupttätigkeit auf dem Fußballplatz kann sich der 2014er-Weltmeister nicht mehr empfehlen. Kramer ist gewissermaßen auf dem Weg zum Teilzeit-Fußballprofi.
Kein TV-Experte kam während der Fußball-Europameisterschaft so gut bei den Kritikern weg wie Christoph Kramer. Der Weltmeister von 2014 versteht es, die Herzen der Zuschauer zu erobern. Kramer trifft fast immer den richtigen Ton, bietet den perfekten Mix aus detaillierter Analyse und Unterhaltung. Keine Überraschung, dass Kramer diese Kombination aus scharfsinniger Analyse und einer Prise Humor auch im Podcast "Copa TS" zum Besten gibt. Im Format des ZDF-Moderators Tommi Schmitt, der mit Kramer seit einiger Zeit befreundet ist, taucht der Fußball-Weltmeister regelmäßig auf. Kramer gehört zum festen Ensemble.
Das trifft auch auf die Baller League zu, einer Influencer-Fußball-Hallen-Liga auf Youtube, die vor allem bei den Zuschauern ankommen will, denen ein 90-minütiges Fußballspiel zu lang und langweilig ist. In der Baller League ist Kramer inzwischen sogar einer der Team-Manager.
"Das hat mir unnormal viel Spaß gegeben"
Doch bei Fernsehen, Podcast und Baller League bleibt es nicht. Mittlerweile ist Kramer sogar unter die Buchautoren gegangen. Der 33-Jährige hat einen sogenannten "Coming-of-Age-Roman" fertig geschrieben, teilte der renommierte Verlag Kiepenheuer und Witsch mit. Im Frühjahr 2025 erscheint Kramers Erstlingswerk. "Es hat nichts mit Fußball zu tun. Es geht um Liebe, um Enttäuschung, um das Erwachsenwerden", kündigte Kramer bereits während der EM im Bild-Podcast "Phrasenmäher" an. "Jedes Wort ist selbst geschrieben, ich saß über ein Jahr lang jeden Tag zwei bis drei Stunden abends am Schreibtisch. Das hat mir unnormal viel Spaß gegeben, hat mir richtig viel gegeben in einer nicht so einfachen Zeit", erzählte Kramer.
Weshalb diese Zeit "nicht einfach" war, führt Kramer nicht weiter aus. Fakt ist: Sein sportlicher Stern ist in der jüngeren Vergangenheit untergegangen, das (ehemalige) Hauptbeschäftigungsfeld von Christoph Kramer, der Beruf des Fußballprofis, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund gerückt. Böse Zungen behaupten, so mancher ZDF-Zuschauer habe während der EM gedacht, es handele sich bei dem Expertenduo Per Mertesacker und Christoph Kramer nicht nur um zwei Weltmeister, sondern auch um zwei Ex-Spieler.
Manch einer wird sich fragen: Wie macht der Mann das? Wie bringt Christoph Kramer alle seine Tätigkeiten unter einen Hut? Fußballprofi, Buchautor, TV-Experte, Podcaster, Baller-League-Teamchef. Christoph Kramer ist längst der Tausendsassa des deutschen Fußballs und vermutlich der einzige de-facto-Teilzeitprofi der Bundesliga.
Gladbach will Vertrag auflösen
Faktisch ist Kramer nach wie vor als Bundesliga-Profi bei Borussia Mönchengladbach angestellt. Wobei das Ende von Kramers Zeit am Niederrhein nur noch eine Frage der Zeit ist. Beide Seiten verhandeln bereits seit Monaten erfolglos über eine Vertragsauflösung.
Bei seiner Borussia war Kramer in der Saison 2022/23 unter dem damaligen Trainer Daniel Farke noch einmal aufgetrumpft. Weil der gebürtige Solinger reüssierte, verlängerten Kramer und die Borussia 2023 den Vertrag um zwei weitere Jahre. Rückblickend hat davon aber nur Kramer profitiert, der Verein überhaupt nicht. Unter Farkes Nachfolger Gerardo Seoane bekam Kramer keinen Fuß mehr auf den Boden. In der gesamten letzten Saison stand Kramer nur noch ein einziges Mal in der Startelf.
In der Rückrunde war der Mittelfeldspieler plötzlich komplett verschwunden. Die Borussia kommunizierte nicht präzise, warum Kramer wochenlang nicht spiel- und trainingsbereit war. Erst Kramer selbst lüftete das Geheimnis nach Ende der Saison, wenig überraschend im Podcast "Copa TS". "Ich hatte eine richtig, richtig fiese Lungenentzündung", berichtete Kramer. "Als ich vom Bett zur Küche gegangen bin, musste ich erst mal zehn Minuten Pause machen, das war heftig. Ich hatte auch acht, neun Tage Fieber. Mich hat es richtig zerlegt."
Zukunft scheint völlig offen
Im Sommer suchte Kramer deshalb das Gespräch mit Trainer Seoane und Sportgeschäftsführer Roland Virkus, lotete seine Einsatzchancen für die kommende Saison aus. Das Urteil fiel wenig überraschend deutlich aus: Kramer hat keine Chance, Borussias Mittelfeld-Zentrale ist quantitativ und qualitativ gut genug besetzt.
Kramer spielt in den Planungen tatsächlich überhaupt keine Rolle mehr, hat aber einen noch bis 2025 laufenden Vertrag mit einem geschätzten Jahresgehalt im Bereich von drei Millionen Euro. Gladbach will ihn loswerden. Kramer hat indes jedes Recht, auf seinen gültigen Vertrag zu pochen. Inzwischen mehren sich aber die Berichte, wonach die festgefahrenen Verhandlungen auf die Zielgerade einbiegen und Kramer eine Abfindung erhält, dafür aber noch vor Ende der Transferperiode Ende August von der Gehaltsliste gestrichen werden kann.
Ob und wie es für Kramer dann auf dem Fußballplatz weitergeht, ist fraglich. Möglich, dass er seine aktive Karriere an den Nagel hängt. Genauso denkbar, dass er seine Laufbahn noch ein paar Jahre fortsetzt und für ein niedrigeres Gehalt bei einem kleineren Klub spielt. Sicher ist: Christoph Kramer wird omnipräsent bleiben und sicherlich weiter höchst erfolgreich durchs Leben schreiten. Nur eben in erster Linie nicht mehr als Fußballprofi.
Quelle: ntv.de